Debatte um Zerstörung der letzten Pocken-Viren
20.05.2014
Vor nunmehr 34 Jahren erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Welt für pockenfrei. Damals war es mit Hilfe einer globalen Impfkampagne gelungen, die gefährliche Seuche auszurotten. In zwei Laboren lagern noch immer letzte Pocken-Viren. Die WHO will jetzt entscheiden, ob diese vernichtet werden sollen.
Weit verbreitete Kuh- und Affenpocken
300 bis 500 Millionen Menschen sollen allein im 20. Jahrhundert der hoch ansteckenden Krankheit zum Opfer gefallen sein. Obwohl es 37 Jahre zurückliegt, dass sich ein Mensch auf natürliche Weise mit Pocken infizierte, schließen Wissenschaftler nicht aus, dass die Seuche irgendwann erneut ausbrechen könnte. Deshalb sollten ihrer Meinung nach die verbliebenen Erreger zu Forschungszwecken erhalten bleiben. In den beiden letzten Pockenlabors sollen unter Aufsicht der WHO unter anderem bessere Impfstoffe und Medikamente entwickelt werden. Es werde befürchtet, dass tierische Pockenarten, wie die weit verbreiteten Kuh- oder Affenpocken durch Mutationen auf den Menschen überspringen könnten und so die Seuche wiederaufleben lassen könnten.
Menschen stecken sich bei Tieren an
Menschen stecken sich zwar immer wieder bei Tieren an, doch gebe es bislang noch keine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch. Wie Gerd Sutter, Virologe an der Ludwig-Maximilian-Universität in München gegenüber dem „Stern“ erklärte, seien die Viren der Kuh- und Affenpocken genetisch zu über 95 Prozent mit dem Erreger der Menschenpocken identisch. Er meinte zudem, dass sie davon ausgehen, „dass die Menschenpocken aus einem Tierreservoir entstanden sind“ und es denkbar sei, dass eines Tages wieder ein Virus entsteht, das von Mensch zu Mensch übertragen wird.
Alte Impfstoffe gelten als risikoreich
Die WHO befasst sich diese Woche nun bereits zum vierten Mal mit der Frage, ob noch mehr Forschung am lebenden Virus nötig ist, um uns zu schützen. Um den Forschern mehr Zeit zu geben, um wirksame Impfstoffe und Medikamente zu entwickeln, wurde die Entscheidung zuletzt 2011 vertagt. Es hieß, dass die alten Impfstoffe aus den 1970-er Jahren heute als zu risikoreich und überholt gelten. Doch erst 2013 wurde ein neuer Pocken-Impfstoff in der EU zugelassen. Ende vergangenen Jahres entschieden zwei Expertenkommissionen, dass für die Impfstoff-Situation als auch für die öffentliche Gesundheit, keine Forschung am lebenden Virus mehr nötig sei.
Pocken-Viren als biologische Waffe
Allerdings waren sich die beiden Kommissionen nicht einig darüber, ob das Virus noch zur Entwicklung antiviraler Medikamente nötig sei. Da eine mögliche Verwendung von Pocken-Viren als biologische Waffe denkbar ist, werden in zahlreichen Ländern Pocken-Impfstoffe hergestellt, um im Notfall die betroffene Einwohnerpopulation impfen zu können. Verschiedene Staaten, wie auch die Bundesrepublik, horten daher Millionen von Impfdosen, um für einen möglichen Ernstfall gerüstet zu sein. (sb)
Bild: Martin Gapa / pixelio.de
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