Sonderkündigungsrecht bei Zusatzbeiträgen der gesetzlichen Krankenkassen
23.03.2011
Verbraucherschützer: Erhebt die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag, können Versicherte vom dem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen. Doch nicht nur Zusatzbeiträge, sondern auch gebotene Gesundheitsleistungen sollten bei einem Wechsel Priorität haben.
Sonderkündigung bei Zusatzbeiträgen
Schon einem Jahr werden beinahe flächendeckend Zusatzbeiträge von den gesetzlichen Krankenkassen eingeführt, weil die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht mehr ausreichen werden. Die steigenden Kosten für die Gesundheit werden demnach direkt an die Versicherten weitergegeben. Die einzige Möglichkeit für den Verbraucher besteht darin, von der Möglichkeit der Sonderkündigung Gebrauch zu machen. Dieses Recht greift dann, wenn eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag neu einführt oder einen bereits bestehenden erhöht. Wer dann wechseln will, sollte die Vertragsklauseln im Blick haben. Denn das Recht zur vorzeitigen Kündigung besteht nach Ankündigung des Zusatzbeitrages gerade einmal acht Wochen. Während dieser Kündigungszeit müssen Wechsler keinen Zusatzbeitrag entrichten. Ist die Zeit verstrichen, können Versicherte nur noch das reguläre Kündigungsrecht in Anspruch nehmen. Hierbei sind allerdings weitere vertragsrechtliche Besonderheiten zu beachten.
Zusatzbeitrag, Service und Gesundheitsleistungen vergleichen
Wer mit dem Gedanken spielt, die Kasse aufgrund der zusätzlichen Beitragslast zu verlassen, sollte bei der Wahl der neuen Krankenversicherung nicht nur auf die Höhe der Zusatzbeiträge achten. Die Verbraucherschutzzentrale Sachsen-Anhalt weist aktuell darauf hin, dass zusätzliche Leistungen und Service wesentliche Faktoren sind, die es zu beachten gilt. Auch wenn eine Kasse einen Zusatzbeitrag verlangt, kann dennoch das Leistungsspektrum einen sparenden Effekt erwirken. Zudem steht es zu befürchten, dass perspektivisch sowieso alle Krankenkassen Zusatzbeiträge erheben werden. So ergeht aus einer Analyse des Instituts für Gesundheitsökonomie an der Universität Köln, dass ab spätestens 2012 einen Zusatzbeitrag von allen Versicherten zu entrichten ist. Danach, so die Wissenschaftler, werden die pauschal erhobenen Beiträge kontinuierlich ansteigen. Ab dem Jahre 2025 prognostizieren sie einen flächendeckenden Zusatzbeitrag von satten 97 Euro je Monat. „Das wäre eine zusätzliche Kopfpauschale von 1164 Euro pro Jahr“ je beitragspflichtigen Kassenpatient.
BKK Hoesch mit Zusatzbeiträgen seit Jahresbeginn
14 der 156 Krankenkasse erheben derzeit einen Zusatzbeitrag von rund acht Euro. Etwa acht Millionen Versicherte sind in Deutschland von der Zusatzbelastung betroffen. Zwischen 96 und 180 Euro müssen die Betroffenen pro Jahr zusätzlich für ihre Gesundheitsversorgung aufbringen. Unter den Zusatzbeitragskassen befinden sich Schwergewichte wie die Deutsche Angestellten Krankenkasse DAK. Die Betriebskrankenkasse BKK Hoesch hat als einzige Kasse den Zusatzbeitrag zu Beginn des Jahres neu eingeführt. Versicherte der Betriebskasse haben die Möglichkeit bis spätestens 25. März von ihrem außer regulären Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Wer bis zum Stichtag seine Kündigung einreichte, muss demnach auch keinen Zusatzbeitrag zahlen. Wer bleibt, muss den Zusatzbeitrag für die ersten drei Monate in Höhe von 45 Euro überweisen. Die BKK Hoesch verlangt den Zusatzbeitrag pro Quartal.
Sozialausgleich für Geringverdiener
Um Geringverdiener wie Hartz IV Bezieher zu entlasten, hat die schwarz.gelbe Koalition im Zeichen der Gesundheitsreform einen Sozialausgleich eingeführt. Versicherte, die mehr als zwei Prozent ihres Einkommens für zusätzliche Beiträge aufbringen müssen, können den Ausgleich in Anspruch nehmen. Experten bemängeln, dass der Sozialausgleich derzeit nicht greift, weil sich die Höhe des Ausgleichs am durchschnittlichen Zusatzbeitrag aller Kassen orientiere. Da nur eine Minderheit der Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt, beträgt der Durchschnittsausgleich bei momentan Null Euro. Das heißt, derzeit wird faktisch zu mindestens in diesem Jahr kein Sozialausgleich gezahlt.
Keine Deckelung von Zusatzbeiträgen
Mit dem Aufheben der Deckelung der Zusatzbeiträge können Krankenkassen die Höhe der Zusatz-Beiträge selbst bestimmen. Die Bundesregierung erhofft sich hierdurch einen Wettbewerb zwischen den Kassen, da die regulären Versicherungsbeiträge einheitlich festgelegt sind. Im Laufe der Jahre werden weitere Krankenkasse Fusionen eingehen oder schließen, so dass sich die Zahl der Kassen insgesamt minimieren dürfte. Für Verbraucher heißt es, mit Beginn der Gesundheitsreform Kassenleistungen und Zusatzbeiträge zu vergleichen. Nicht nur der Zusatzbeitrag sollte bei der Wahl der Kasse entscheidend sein, sondern auch Leistungen, wie die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt in Halle mahnte. Denn sehr wohl gibt es Unterschiede zwischen den Kassen. Einige Kassen bieten beispielsweise alternative Behandlungsmethoden der Naturheilkunde an, bei anderen ist die Kostenerstattung von Impfungen wesentlich ausgeprägter. Entscheidend sollte auch Kundenbetreuung und Service sein. Direkte Ansprechpartner vor Ort sichern eine Kundennähe und vereinfachte Abläufe. Verbraucherschützer raten daher zu einem intensiven Vergleich, bevor man sich bindet. Denn wurde der Vertrag geschlossen, so müssen Versicherte mindestens achtzehn Monate bei der Kasse bleiben, es sei denn auch die neue Krankenkasse erhebt einen Zusatz-Beitrag. Dann greift wieder das Sonderkündigungsrecht.
Entwicklung der Zusatzbeiträge
Zukünftig werden immer mehr Kassen einen zusätzlichen Pauschalbetrag einführen müssen. Experten gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren beinahe jede Kasse auf die zusätzlichen Einnahmen angewiesen sein wird. Der Grund hierfür sind die weiter steigenden Kosten im Gesundheitssystem sowie der demografische Wandel in der Bevölkerung. (sb)
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