Psychologie: Blick von Babys kann auf spätere Verhaltensprobleme hinweisen
Erst kürzlich haben deutsche Kinder- und Jugendärzte über ihre Sorge um psychisch auffällige Kinder berichtet. Psychologen haben nun herausgefunden, dass man bereits nach der Geburt testen kann, ob ein Neugeborenes später womöglich impulsiv, aggressiv oder hyperaktiv werden wird. Das Risiko werde aus dem Blick des Babys berechnet.
Die Welt ist für Neugeborenen anfangs verschwommen
Psychologen zeigen, dass man bereits direkt nach der Geburt testen kann, ob ein Neugeborenes später impulsiv, aggressiv oder Hyperaktiv werden wird. Wie „Welt“ berichtet, berechnen sie das Risiko aus dem Blick des Kindes. Neugeborene können zwar Umrisse und Lichtquellen ausmachen, doch es fällt ihnen noch schwer, Farben zu unterscheiden. Ihre Augen synchron zu bewegen und etwas zu fixieren, ist ebenfalls nicht einfach für die Kleinen. Sie schaffen dies anfangs nur in geringer Entfernung. Das Wichtigste für das Kind ist es ohnehin zunächst Gesichter und Regungen bestimmter Menschen zu erkennen. Seit langem beschäftigen sich Wissenschaftler damit, wie Babys dabei ihren Blick steuern lernen, wie sie Gesichter fixieren und wie lange sie sich mit ihm beschäftigen.
“Short-lookers” mit schnellerer Auffassungsgabe
Forscher teilen Babys in sogenannte „Long-lookers“ (LL) und „Short-lookers“ (SL) ein – also in Kinder, die einen neuen Reiz eher lange oder eher kurz fixieren. Untersuchungen konnten laut „welt.de“ zeigen, dass Babys, die einen neuen Reiz aufmerksam, aber nur kurz fixieren, eine schnellere Auffassungsgabe haben. Demnach können sie auch Jahre später noch ihre Aufmerksamkeit besser steuern, sich selbst besser kontrollieren und haben ein besseres Gedächtnis. Nun haben Wissenschaftler untersucht, ob das Blickverhalten von Babys mit ihrem späteren Intelligenzquotienten zusammenhängt. Dabei zeigte sich, dass der IQ von 18-Jährigen höher war, wenn sie im Säuglingsalter „Short-lookers“ waren.
Risiken aus dem Blick von Babys erkennen
Wissenschaftler um Kostas Papageorgiou von der London Metropolitan University haben untersucht, ob der Blick von Babys auch das Risiko dafür verraten kann, ob sie später einmal Probleme mit der Steuerung des eigenen Verhaltens bekommen – also impulsiv, aggressiv oder hyperaktiv werden. Die Forscher nutzten dafür jedoch nicht die pure Zeit, die Säuglinge sich einem Reiz zuwandten, sondern erfassten es in einem Wert, der sich „fixation duration“ nennt. Bei insgesamt 180 ein bis vier Tage alten Neugeborenen wurde diese Fixierungslänge untersucht, indem ihnen Gesichter auf einem Bildschirm gezeigt wurden. Einige Jahre später legten die Wissenschaftler den Eltern von 80 dieser Babys mehrere Fragebögen vor, die nach dem Verhalten der inzwischen im Mittel sieben Jahre alten Kinder fragten.
Nach späteren auffälligen Verhaltensweisen befragt
Die Forscher interessierte dabei, wie gut die Kinder ihre Gefühle kontrollieren konnten, wie impulsiv sie waren oder ob sie auffällige Verhaltensweisen zeigen, wie beispielsweise Hyperaktivität, Probleme mit Gleichaltrigen oder Aufmerksamkeitsstörungen. Im Fachjournal „Scientific Reports“ haben die Psychologen nun berichtet, dass Neugeborene, die ihre Fixierung länger halten konnten, im Grundschulalter weniger impulsiv, aggressiv oder hyperaktiv waren, als Kinder, die nur eine kurze Fixierungslänge haben. „Wir haben erstmals gezeigt, dass es einen bedeutenden Zusammenhang gibt zwischen der Art und Weise, wie Babys Bilder betrachten, und ihrem späteren Temperament und Verhalten in der Kindheit, etwa Hyperaktivität“, so die Autoren.
Biologische Faktoren ursächlich für Unterschiede
Laut den Forschern können die großen Unterschiede nicht maßgeblich von der Umwelt geprägt sein, da die Säuglinge direkt nach der Geburt untersucht worden waren. Wahrscheinlich seien eher biologische Faktoren als Grund für die beobachteten Unterschiede anzunehmen, etwa genetische Unterschiede oder Einflüsse auf das Baby im Mutterleib. „Es gibt zwar viele Faktoren, die Verhaltensschwierigkeiten in der Kindheit beeinflussen. Doch unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass ein Teil dessen, was das spätere Verhalten beeinflusst, bereits bei der Geburt vorhanden ist“, erläuterte Papageorgiou. „In Zukunft können diese Beobachtungen dazu beitragen, Kinder zu identifizieren, die ein besonders hohes Risiko für Aufmerksamkeitsstörungen tragen, wie etwa bei ADHS, und dabei helfen, Interventionen zu entwickeln, die die Aufmerksamkeitsleistung verbessern.“
Genetische Vorbelastungen müssen nicht zwangsläufig zum Tragen kommen
Wie die Entwicklungspsychologin Birgit Elsner von der Universität Potsdam erklärte, sei aus Studien bereits bekannt, dass „schwierige Babys“ – also solche, die beispielsweise Probleme haben, einen Rhythmus für Essen oder Schlafen zu entwickeln, die häufig weinen oder unruhig sind – auch im Kindes- und Jugendalter öfter Verhaltensauffälligkeiten zeigen oder Lernschwierigkeiten entwickelten. Zwar lasse die Stabilität solcher Unterschiede über mehrere Lebensjahre eine biologische Ursache vermuten, doch bei solchen Studien geht es immer nur um Risikoabschätzungen. Längst nicht alle Babys, die Reize lange ansehen und nur kurze Fixierungszeiten erreichen, werden deshalb verhaltensauffällig. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass es unterschiedliche Faktoren gibt, die die Entwicklung des Kindes beeinflussen. So kam etwa eine brasilianische Studie vor kurzem zu dem Ergebnis: Stillen macht intelligent und wohlhabend. Die Forscher machten vor allem langkettige gesättigte Fettsäuren, die wichtig für die Entwicklung des Gehirns sind, für die positiven Effekte der Muttermilch auf die Intelligenz verantwortlich. Es spielen spätere Einflüsse, insbesondere die Beziehung zwischen dem Baby und seinen Eltern, eine wichtige Rolle, ob tatsächlich genetische Vorbelastungen zum Tragen kommen oder eher nicht. (ad)
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