Spätfolgen des Rauchens: Lungenkrebs wird dieses Jahr Brustkrebs überholen
27.01.2015
In diesem Jahr werden erstmals mehr Frauen in Europa an Lungenkrebs als an Brustkrebs sterben. Wesentliche Ursache dafür seien die Spätfolgen des Rauchens. Angeführt wird die negative Rangliste von Großbritannien und Polen. Aber auch in Ländern wie Frankreich oder Spanien seien die Entwicklungen besorgniserregend.
In diesem Jahr wird Lungenkrebs Brustkrebs als Todesursache überholen
Im Jahr 2015 werden voraussichtlich mehr Frauen an Lungenkrebs als an Brustkrebs sterben. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher aus Italien und der Schweiz, die Datenbanken der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgewertet und die Entwicklung seit 2009 analysiert haben. Die Ergebnisse der Studie wurden nun von Carlo La Vecchia von der medizinischen Fakultät der Universität Mailand und seinen Co-Autoren im Fachmagazin „Annals of Oncology“ veröffentlicht. Die positive Nachricht: Die Krebssterblichkeit insgesamt sinkt.
Insgesamt sterben weniger Menschen an Krebs
Die Wissenschaftler haben die Daten zu Krebserkrankungen und -todesfällen aus 28 EU-Ländern analysiert und dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die einwohnerreichsten Nationen Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Spanien und Polen gelegt. Laut ihren Berechnungen ist in diesem Jahr im EU-Raum mit etwa 1,36 Millionen Krebstoten zu rechnen, davon 766.000 Männer und 594.000 Frauen. Im Vergleich zu 2009 sind dies aber immerhin 7,5 Prozent weniger Männer und 6,1 Prozent weniger Frauen, die wegen einem Tumor sterben. „Wir müssen vorsichtig sein, das sind zwar erst noch Vorhersagen“, sagte La Vecchia einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) zufolge. „Andererseits haben sich aus den Projektionen der Langzeittrends bisher immer recht zuverlässige Prognosen erstellen lassen.“
Nach 1968 haben mehr Frauen mit dem Rauchen angefangen
Doch während der Anteil nahezu aller Tumore an den Todesursachen zurückgegangen ist, gibt es beim Lungenkrebs der Frauen einen Anstieg. Vermutlich werden 2015 im Vergleich zu 2009 neun Prozent mehr Frauen einem Lungenkarzinom zum Opfer fallen. Umgerechnet entspricht dies 14,24 Frauen auf 100.000 Einwohner. Auf der anderen Seite ist der Anteil der Frauen, die an Brustkrebs sterben werden, um 10,2 Prozent zurückgegangen und läge somit ganz knapp dahinter. Die Mediziner vermuten, dass diese Entwicklung vor allem auf das veränderte Rauchverhalten der Frauen im 20. Jahrhundert zurück gehe. Wie die SZ schreibt, hätten besonders im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen 1968 in den Folgejahren mehr Frauen angefangen zu rauchen.
Großbritannien und Polen führen die negative Rangliste an
Dies schlägt sich den Angaben zufolge Jahrzehnte später in den Statistiken zu diversen Erkrankungen nieder. Vor allem in zwei Nationen ist die Situation besonders dramatisch. „Die Frauen in Polen aber besonders jene in Großbritannien leiden schon seit längerem häufiger unter Lungenkrebs und haben einen größeren Anteil an entsprechenden Todesfällen zu beklagen“, teilte La Vecchia mit. „Die Britinnen haben schon im Zweiten Weltkrieg vermehrt angefangen zu rauchen, in den anderen EU-Ländern ging das erst später los.“
„Rauchen bleibt immer noch der Hauptgrund für Krebs“
Die Unterschiede sind enorm. Während in Großbritannien pro 100.000 Einwohner 21 Frauen an Lungenkrebs sterben und in Polen 17 von 100.000, ist der Anteil in Spanien mit acht von 100.000 weniger als halb so groß. Doch trotz niedriger Lungenkrebsmortalität seien die Trends auch in Frankreich und Spanien bei den Frauen negativ. Fabio Levi, der ebenfalls an der Studie beteiligt war, sagte: „Dass die Tendenz bei fast allen Tumorarten nach unten geht, ist eine gute Nachricht.“ Er warnte jedoch: „Aber Rauchen bleibt immer noch der Hauptgrund für Krebs in der EU und verursacht schätzungsweise 85 bis 90 Prozent aller Lungentumore, 15 bis 25 Prozent aller Fälle von Pankreas-Krebs und ist an etlichen anderen Tumorarten beteiligt.“
Nur bei zwei Krebsarten nehmen Todesfälle zu
Neben Lungenkrebs ist Bauchspeicheldrüsenkrebsdie einzige Krebsart bei Frauen, deren Anteil an den Todesursachen in Europa zunimmt. Auch wenn Mediziner wissen, dass Tabakkonsum, Alkoholmissbrauch, starkes Übergewicht (Adipositas), Diabetesund eine familiäre Belastung das Krebsrisiko erhöhen können, erklären diese Ursachen nur 40 Prozent der Pankreas-Tumore. Der Epidemiologe Paolo Boffetta aus New York meint: „Hier besteht noch dringender Forschungsbedarf.“ Als die Wissenschaftler die die aktuelle Studie veröffentlichten, bereits im vergangenen Jahr ähnliche Daten vorhersagten, verwies Fabio Levi vom Universitätsspital und der Uni Lausanne darauf, dass die EU- und nationale Behörden vor allem die Tabakkontrolle durchsetzen müssten, hauptsächlich durch höhere Steuern. (ad)
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