Hirnoperation führt zur Heilung einer Spinnenphobie
03.11.2014
Durch Zufall haben britische Forscher bei einer Hirnoperation einen Mann von seiner Spinnenangst (Arachnophobie) befreit. Die Entfernung eines Teils der Amygdala habe nicht nur den gewünschten Heilungserfolg gebracht, sondern den Patienten auch von seiner Phobie erlöst, berichtet das Wissenschaftsmagazin „New Scientist“. Zum ersten Mal sei eine Person, die lebenslang unter einer Phobie litt, über Nacht komplett geheilt worden.
Der 44-jährige Patient hatte sich wegen plötzlich einsetzender Krampfanfälle in Behandlung begeben und bei einem Scan des Gehirns entdeckten die Ärzte um Nick Medford an der Brighton and Sussex Medical School (UK) eine Anomalie in der linken Amygdala hatte – dem Bereich in den Schläfenlappen, der unter anderem an den emotionalen Reaktionen beteiligt ist. Der Geschäftsmann litt an einer selten Form der Sarkoidose und die Mediziner entschieden sich für eine Operation am Gehirn des Patienten.
Zufällige Heilung der Spinnenphobie
Die Ärzte beschlossen, das geschädigte Gewebe der linken Amygdala zu entfernen. „Die Operation verlief gut, aber bald danach bemerkte der Mann eine seltsame Wendung der Ereignisse“, berichtet „New Scientist“. Der Patient habe nicht nur eine eigentümliche Angst vor Musik entwickelt – was besonders auffällig war, als er den Song eines bestimmten TV-Spots hörte – sondern er entdeckte auch, dass er keine Angst mehr vor Spinnen hatte. Zuvor war seine Spinnenphobie derart ausgeprägt, dass er mit Tennisbällen nach ihnen warf oder sie mit Haarspray fixierte, um sie anschließend mit dem Staubsauger einzusaugen, schreibt das Wissenschaftsmagazin. Nun sei er in der Lage, die Spinnen aus nächster Nähe zu beobachten und sogar zu berühren. Tatsächlich finde er sie sogar faszinierend. Während seine Abneigung gegen die Musik im Laufe der Zeit wieder nachließ, kam die Spinnenphobie nie zurück, berichtet „New Scientist“ weiter. Bei anderen Arten von Ängsten oder Sorgen seien indes keine Änderungen feststellbar gewesen. Beispielweise habe der Patient vor und nach der Operation gleichermaßen Lampenfieber bei öffentlichen Reden gezeigt.
Verschiedenen Formen der Angstreaktion
Der behandelnde Arzt erklärte zu dem ungewöhnlichen Vorfall, dass es schwierig festzustellen sei, wie die einzelne phobische Reaktion ausgeschaltet wurde. Möglicherweise sei dies darauf zurückzuführen, dass hier zwei unterschiedliche Formen der Angstreaktion ins Spiel kommen: Eine extrem schnelle, in der wenig Zeit zum abwägen bleibt, und eine gründlicher überlegte. „Es ist, als ob man eine Schlange zu sehen glaubt und in Alarm zurückspringt, aber zurückblickend erkennen Sie, dass es nur ein Stick war“, zitiert „New Scientist“ den Mediziner Nick Medford. Die schnelle Angstreaktion sei zwar nicht sehr genau, aber notwendig, für das grundlegende Überleben. Hinzu komme die nuancierte Angsteinschätzung, bei der die Informationsverarbeitung länger dauert, jedoch genauer ist. Im Fall des Patienten sind nach Einschätzung des Arztes offenbar einige der Nervenbahnen, die die Angstreaktion des Panik-Typs steuern, mit entfernt worden, während die für verallgemeinerte Angst verantwortlichen Teile der Amygdala intakt blieben.
Fragwürdiger therapeutischer Nutzen
Eine exakte Beurteilung des Phänomens ist laut Aussage der Mediziner nicht möglich, da sich der Patient keinen weiteren Untersuchungen unterziehen wollte und vor dem Eingriff keine Angaben über Phobien oder psychischen Probleme gemacht wurden. Der medizinische Nutzen der aktuellen Entdeckung bleibt allerdings ohnehin eher fragwürdig, da die Amygdala zu tief im Gehirn liegt, um mit nicht-invasiven Methoden Einfluss zu nehmen, berichtet Nick Medford im „New Scientist“. Eine Operation am Gehirn ist angesichts der hiermit verbundenen Risiken kaum vertretbar, um einzelne Phobien zu therapieren, zumal der Operationserfolg auf Basis der bisherigen Erkenntnisse ein Zufallsprodukt wäre. (fp)
Bild: Gerhard Eichstetter / pixelio.de
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