Sport reduziert Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Depressiven
Mindestens jede zehnte Person in den westlichen Industrienationen erkrankt im Laufe seines Lebens an einer depressiven Störung. Depressionen sind längst eine Volkskrankheit. Behandelt werden sie meist mit Medikamenten (Antidepressiva) und Psychotherapie. Doch auch Sport und körperliche Aktivitäten können helfen und sogar Medikamente reduzieren.
Depressionen sind längst eine Volkskrankheit
Depressionen zählen längst zu den Volkskrankheiten. Rund vier bis fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden daran. Begleitet wird die Erkrankung von zahlreichen psychischen und physischen Beschwerden, wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, sexuelle Inaktivität oder Schlafstörungen. Langfristig können Depressionen Typ II-Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und Herzinfarkt begünstigen. „Depressionen sind daher ein genauso hohes Gesundheitsrisiko wie Rauchen, Fettleibigkeit und hoher Blutdruck“, erklärte Professor Dr. Kai Kahl von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in einer Mitteilung. Doch dieses Risiko kann gesenkt werden.
Sportliche Aktivitäten können helfen
Die Behandlung von Depressionen erfolgt traditionell mit Medikamenten (Antidepressiva) und Psychotherapie. Doch auch körperliche Aktivitäten können Depressionen lindern. So kamen Wissenschaftler in Untersuchungen zu dem Schluss, dass Sport auf ähnliche Weise wirkt wie Antidepressiva. An der MHH war schon vor Jahren ein Trainingsprogramm gegen Depressionen vorgestellt worden. Eine interdisziplinäre Studie der Hochschule kam nun zu dem Ergebnis, dass depressive Patienten durch eine sechswöchige strukturierte Sporttherapie ihr zu großes Herzfettgewebe verringern – und damit auch die Wahrscheinlichkeit beispielsweise einen Herzinfarkt zu bekommen.
Hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Den Angaben zufolge sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache bei Depression. MHH-Forscher beschäftigen sich bereits seit Jahren mit der Frage, warum Menschen mit Depression besonders gefährdet sind. „Durch Depressionen kommt es zu einer Reihe endokriner und immunologischer Umstellungen im Körper, die langfristig zu einer Zunahme des Herzfettgewebes führen. Ein großes Herzfettgewebe ist ein bekannter Risikofaktor für die Entwicklung einer koronaren Arteriosklerose, also der Verkalkung der Herzkranzgefäße“, erläuterte Professor Kahl. Die Ablagerungen verengen die Gefäße und können zu Infarkten führen. Darüber hinaus leiden Menschen mit Depressionen häufig unter Antriebslosigkeit und bewegen sich tendenziell eher wenig, was ebenfalls das Herz-Kreislauf-System belastet.
Sporttherapie für depressive Patienten
Gemeinsam mit Kollegen des Instituts für Sportmedizin, der Klinik für Kardiologie und Angiologie und des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie erforschte der Psychiater den Themenkomplex. „Wir wollten uns die Herzgesundheit depressiver Patienten genauer ansehen und herausfinden, ob man durch bestimmte sportliche Maßnahmen etwas daran verbessern kann“, so Professor Kahl. An der Studie nahmen 42 Patientinnen und Patienten teil, die wegen Depressionen stationär in der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie behandelt wurden.
Die Teilnehmer waren zwischen 40 und 45 Jahren alt und wurden mit einer jeweils individuellen Psychotherapie sowie mit einer differenzierten Psychopharmakotherapie behandelt. Eine Hälfte der Probanden nahm zusätzlich an einer strukturierten Sporttherapie teil, die das Institut für Sportmedizin speziell für Patienten mit Depressionen entwickelt hat. Dieses Programm bestand aus einem sechswöchigen Gerätetraining für Kraft und Ausdauer mit drei 45-minütigen Einheiten pro Woche. Die Intensität wurde entsprechend der Herz-Kreislaufwerte und der Selbsteinschätzung der Patienten langsam gesteigert.
Training sorgt für Verringerung des Herzfetts
Zu Studienbeginn stellten die Wissenschaftler fest, dass depressive Menschen durchschnittlich 1,5 Mal mehr Herzfett haben als gesunde Menschen. „Die Größe des Unterschieds hat uns sehr überrascht“, meinte Professor Kahl. Doch nach der sechswöchigen Sporttherapie hatten die Teilnehmer rund zehn Prozent ihres Herzfetts verloren. Zudem sorgte das spezielle Training für eine Verringerung des ebenfalls gefährlichen, bei depressiven Patienten überdurchschnittlich vorhandenen Bauchfetts, eine Verbesserung der HDL-Cholesterinwerte und eine verbesserte maximale Sauerstoffsättigung des Blutes. Die körperliche Betätigung wirkt sich ganz nebenbei auch positiv auf die Psyche aus.
Sport als dritte Säule bei der Behandlung von Depressionen
„Die Studie zeigt, dass ein strukturiertes intensives Training ein guter Weg ist, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzinfarkt zu senken“, erläuterte der Psychiater. „Eine langfristige Veränderung des Lebensstils hin zu gezielter Bewegung kann die gesundheitliche Situation depressiver Patienten deutlich verbessern.“ Er freut sich darüber, dass alle Patienten aus der Sportgruppe das Programm beendeten und etwa ein Drittel auch danach freiwillig weitermacht. „Früher hieß es immer, depressive Patienten sind zum Sport kaum zu motivieren. Doch es kann klappen, wenn sie intensiv betreut werden und das Programm optimal auf sie zugeschnitten ist. Die Sporttherapie sollte bei der Behandlung depressiver Patienten grundsätzlich als dritte Säule zur psychotherapeutischen und medikamentösen Therapie hinzukommen“, forderte Professor Kahl. Der Psychiater hofft, dass dieser Teil demnächst in die medizinischen Leitlinien für die Therapie von Depressionen aufgenommen wird. (ad)
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