Mikroorganismen im Stallstaub schützen vor Asthma
Seit längerem ist bekannt, dass Leben auf dem Bauernhof eine schützende Wirkung gegenüber Asthma entfaltet. Wie weitreichend diese Wirkung ist, haben Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) nun in einer aktuellen Studie herausgefunden. Eine weit verbreitete genetische Veranlagung für Asthma lasse sich praktisch ausschalten, so die aktuelle Mitteilung der LMU. Insbesondere im Säuglingsalter seien Kinder mit einer entsprechende Veranlagung für den schützenden Bauernhof-Effekt empfänglich.
Den LMU-Allergologen um Professor Markus Ege von der Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital am Klinikum der Universität München (LMU) ist erstmals der Nachweis gelungen, dass durch die richtigen Umwelteinflüssen sogar eine weit verbreitete genetische Veranlagung für Asthma ausgeglichen werden kann. Stallstaub hat laut Aussage der Wissenschaftler zur Folge, dass Kinder mit der genetischen Veranlagung seltener Symptome von Infekten der unteren Atemwege entwickeln, was darauf hinweise, dass die Kinder auch im späteren Lebensalter ein verringertes Asthma-Risiko haben. Um bis zu 80 Prozent habe sich das Risiko in den aktuellen Untersuchungen reduziert. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in dem Fachmagazin „American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine“.
Früher Kontakt mit Stallstaub besonders wirksam
Die genannte Genveränderung führt laut Aussage der Forscher nicht nur zu einem erhöhten Asthma-Risiko, sondern macht zudem besonders empfänglich für die Umwelteinflüsse, welche langfristig vor Asthma schützen können. So seien bei Kindern mit dieser veränderten Gensequenz, die bereits im Alter von unter einem Jahr mit Mikroorganismen in Ställen von Kühen und anderen Tieren regelmäßig in Kontakt kamen, weniger Symptome von Infekten der unteren Atemwege aufgetreten als bei Kinder mit demselben Risiko, die sich nicht in Ställen aufhielten. Diese lege den Schluss nahe, dass die „Kinder später auch seltener Asthma entwickeln als Kinder, die nicht vom Stalleffekt profitierten“, so Prof. Ege.
Infekte der unteren Atemwege untersucht
Im Rahmen ihrer aktuellen Studie haben die LMU-Forscher die Daten der Langzeitstudie „Pasture“ ausgewertet, an der fast 1.000 Mütter aus ländlichen Regionen teilnahmen. Die Frauen führten eine Art Tagebuch über die Entwicklung ihrer Kinder von deren Geburt an. So lagen den Wissenschaftlern unter anderem Informationen darüber vor, „wie oft die Kinder Atemwegserkrankungen hatten und wie häufig und lang sie sich in Ställen von Kühen, Pferden, Schweinen und Geflügel aufhielten“, berichtet die LMU. Den Fokus legten Ege und Kollegen in ihren Untersuchungen auf Infekte der unteren Atemwege, die in der Regel durch Viren ausgelöst werden und sich in Symptomen wie einem Keuchen oder Pfeifen der Lunge bemerkbar machen.
Infekte werden durch Stallstaub anders verarbeitet
Entsprechende Atemwegssymptome waren den Wissenschaftlern zufolge bei Kindern mit der genetischen Asthma-Veranlagung, die sich bereits als Säuglinge und Kleinkinder mindestens zwei Stunden die Woche in Tierställen aufhielten, 80 Prozent seltener festzustellen. „Gerade der Risiko-Genotyp ist empfänglich für schützende Umweltsignale“, so Ege. Offenbar seien Kinder, die schon als Säuglinge regelmäßig in den Stall mitgenommen werden, besser in der Lage, Viruserkrankungen zu verarbeiten. Zwar sei davon auszugehen, dass sie sich ebenso häufig mit Viren anstecken wie Kinder, die nicht auf Bauernhöfen leben. „Aber sie verarbeiten Infekte anders und zeigen keine Symptome“, erläutert Dr. Georg Loss von der LMU.
Stallstaub gleicht das genetische Risiko aus
Anhand der Daten aus der Pasture-Studie konnten die Forscher die kindliche Entwicklung über mehrere Jahre hinweg beobachten und belegen, „dass Kinder mit einer erhöhten genetischen Anfälligkeit für Asthma, die im Alter von unter einem Jahr keine Symptome von unteren Atemwegserkrankungen zeigen, auch ein geringeres Risiko haben, später an Asthma zu erkranken“, berichtet die LMU. Laut Professor Ege ist „die schützende Wirkung so stark, als hätten sie diese genetische Veranlagung gar nicht.“ Die Forscher führen den Effekt auf die komplexe Mischung von Mikroorganismen zurück, welche Kinder beim Spielen in Tierställen einatmen. So würden kleine Partikel von Heu und Gras, die unter anderem Bakterien, Pilze und Pollen enthalten, in ihre Atemwege eindringen und durch die Mikroorganismen verändere sich offenbar das Entzündungsgeschehen im Körper, berichtet Dr. Loss.
Die Allergologen der LMU haben sich zum Ziel gesetzt, die genaue Wirkung des sogenannten Stalleffekts im Körper zu ermitteln, um Ansatzpunkte für künftige präventive Strategien zu finden. Die untersuchte genetische Veränderung auf dem Chromosom 17, einem der Orte, die für Asthma empfänglich machen, sei weit verbreitet. Rund 75 Prozent der Bevölkerung zeigen dieses genetisch erhöhte Asthma-Risiko und auf Basis der bisherigen Erkenntnisse sei davon auszugehen, „dass sie vom Stalleffekt in der ganz frühen Kindheit profitieren würden“, erläutert Professor Ege. (fp)
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