Stammzellenforschung: Künstliche Nasen und Ohren gezüchtet
10.04.2014
In Großbritannien ist es Forschern gelungen, im Labor künstliche Nasen und Ohren aus Stammzellen zu züchten. Noch sei die Herstellung enorm kostenaufwendig, doch in Zukunft könnten solche künstlichen Körperteile für Menschen in Massen produziert werden.
Nasen und Ohren züchten ist wie Kuchen backen
In London ist es britischen Forschern gelungen im Labor künstliche Nasen und Ohren zu züchten. Professor Alexander Seifalian braucht für eine neue Nase zunächst einmal Salz, Zucker und eine Form. „Das ist wie Kuchen backen“ meint der Forscher vom University College in London. „Wir brauchen nur eine andere Art von Ofen.“ Mit seinen Mitarbeitern züchtet der Wissenschaftler im Royal Free Hospital aus Stammzellen künstliche Körperteile wie Nasen, Ohren oder Blutgefäße. In der Londoner Klinik sind die Spezialisten bei der Entwicklung menschlicher Ersatzorgane besonders weit.
Weltweit erste teilweise aus Stammzellen geschaffene Nase
Bisher haben nur eine Handvoll Menschen künstliche Körperteile, wie Tränenkanäle, Blutgefäße oder Luftröhren, aus den britischen Laboren erhalten. Doch nun hoffen die Forscher, dass sie bald in der Lage sein werden, die weltweit erste teilweise aus Stammzellen geschaffene Nase zu verpflanzen. Erhalten soll sie ein Brite, der seine eigene wegen einer Krebserkrankung verloren hat. Professor Seifalian zeigte in seinem Labor der Öffentlichkeit die Maschine, welche Grundformen für die einzelnen Körperteile herstellt. Um die Struktur einer Nase nachzubilden kommt eine Lösung aus Wasser und Zucker in eine Nasenform. Dadurch entsteht eine Art Gerüst, das dann mit Stammzellen überzogen wird, welche aus dem Fettgewebe des Patienten gezüchtet wurden. Nach diesem Verfahren hatten die Wissenschaftler im vergangenen Jahr auch die neue Nase für den Krebspatienten geschaffen. Sie hatten ihm diese vorerst in den Arm implantiert, damit Haut darüber wächst.
Mangel an Spenderorganen
Andere, mit Stammzellen hergestellte Organe, wurden schon öfters implantiert. So war es im Jahr 2011 Chirurgen des Karolinska Universitätskrankenhauses in Stockholm gelungen, einem 36-jährigen Eritreer eine neue Luftröhre einzusetzen, die mittels körpereigener Stammzellen geschaffen worden war. Der Mann hatte an einer schweren und seltenen Form von Luftröhrenkrebs gelitten. Gerade in diesem Bereich bestehe ein akuter Mangel an Spenderorganen. Die Verwendung körpereigener Stammzellen hat den Vorteil, dass das neue Organ in der Regel nicht vom Immunsystem abgestoßen wird.
Wirtschaftlich interessante Entwicklungen
Wirtschaftlich scheinen die Entwicklungen äußerst interessant zu sein. Londons Bürgermeister Boris Johnson warb bereits mit Seifalians Forschungsergebnissen um Investoren für die britische Gesundheitsbranche. Der Professor selbst schätzt, dass seine Arbeiten seit 2005 etwa zehn Millionen Pfund (umgerechnet etwa 12,1 Millionen Euro) gekostet haben. Allerdings habe er die Hoffnung, dass ein künstliches Körperteil in der Zukunft nur noch ein paar Hundert Pfund kosten werde. Für das polymere Material, aus dem die Organgerüste hergestellt werden, ist bereits ein Patent angemeldet. Und auch für seine künstlichen Blutgefäße, Tränenkanäle und Luftröhren laufen Anträge.
Ohren sind schwerer herzustellen als Nasen
Die Forscher arbeiten inzwischen auch an weiteren künstlichen Körperteilen wie etwa Herzkranzgefäßen. Außerdem sollen im Lauf des Jahres die ersten Laborohren in Indien und in London erprobt werden. „Ohren sind schwerer herzustellen als Nasen“, so die plastische Chirurgin Michelle Griffin. „Alle Konturen müssen stimmen, und die Haut wird straff gezogen, so dass sie die gesamte Struktur sehen.“ Die Wissenschaftlerin hat in Seifalians Labor schon Dutzende Ohren und Nasen gezüchtet. Derzeitige Methoden, etwa für Kinder, die ohne Ohren geboren werden, seien mit aufwendigen Operationen verbunden für die unter anderem Knorpel aus den Rippen geschnitzt werden müssten. Dagegen sei es wesentlich einfacher, dem Patienten Fettzellen zu entnehmen und mit einem Laborgerüst aus dem Labor zusammenzubringen.
Nasen in Massen wie in einer Fabrik produzieren
Auch andere Forscher werden durch die Arbeit Seifalians angespornt. „Wissenschaftler müssen erst Dinge wie Nasen und Ohren meistern, bevor sie zu Nieren, Lungen oder Leber übergehen können, die viel komplizierter sind“, meint die Stammzellexpertin Eileen Gentleman vom Londoner King’s College. Es habe sich gezeigt, dass ein absolut perfektes Gewebe bei einem Labororgan möglicherweise gar nicht so wichtig sei. Vielmehr sei die Struktur entscheidend für die Funktionstüchtigkeit. Seifalian wartet nun nach der Implantierung der künstlichen Nase am Unterarm des Patienten auf die Erlaubnis der Behörden, die Labornase seinem Patienten mitten ins Gesicht nähen zu dürfen. „Wenn die Menschen nicht so wählerisch wären, könnten wir Nasen in verschiedenen Größen herstellen“, so der Professor.Der Chirurg könne dann Größe und Zuschnitt für die Patienten auswählen. Seifalian blickt in die Zukunft: „Die Menschen denken, ihre Nase sei sehr individuell und persönlich. Aber sie ist etwas, das wir eines Tages in Massen produzieren können wie in einer Fabrik.“ (sb)
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