Kardiovaskulärer Schutz durch Statine überwiegt Nebenwirkungsrisiko
Die bekannten Vorteile der Therapie mit Statinen bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einschließlich Herzinfarkten und Schlaganfällen, überwiegen laut aktuellen Forschungsergebnissen das leicht erhöhte Risiko für Muskelprobleme.
Statine senken den Cholesterinspiegel und schützen so vor Arteriosklerose, koronaren Herzerkrankungen und Schlaganfall. Diese Medikamente gehen jedoch manchmal mit Nebenwirkungen wie Muskelkrämpfen und Muskelschmerzen einher. Allerdings überwiegt der kardiovaskuläre Schutz durch Statine bei weitem das Risiko für Muskelsymptome, berichtet die European Society of Cardiology (ESC) in einer Mitteilung.
Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Laut den auf dem ESC-Kongress 2022 in Barcelona vorgestellten Forschungsergebnissen überwiegen die Vorteile der Statintherapie bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen das leicht erhöhte Risiko von Muskelsymptomen.
„Bei den meisten Menschen, die ein Statin einnehmen, werden die muskelbezogenen Symptome, die sie erleben, wahrscheinlich nicht durch das Medikament verursacht“, sagt der leitende Prüfarzt Professor Colin Baigent, Direktor der Population Health Research Unit des Medical Research Council an der Universität Oxford, Großbritannien.
„Die bekannten Schutzwirkungen von Statinen gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen übersteigen das leicht erhöhte Risiko für Muskelsymptome bei weitem. Beispielsweise würde die Behandlung für jeweils 1.000 Personen, die ein Statin mittlerer Intensität einnehmen, im ersten Jahr 11 allgemein leichte Episoden von Muskelschmerzen oder Muskelschwäche verursachen, ohne dass es in den Folgejahren zu einer signifikanten Zunahme kommt“, so der Experte.
„Über einen Zeitraum von fünf Jahren verhindern Statine typischerweise 50 größere vaskuläre Ereignisse bei Patienten mit vorbestehender Gefäßerkrankung und 25 größere vaskuläre Ereignisse bei Patienten ohne vorbestehende Gefäßerkrankung, wobei eine längere Behandlung größere Vorteile bringt.“
Unsicherheiten ausräumen
Die Statintherapie ist wirksam zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der weltweit größten Todesursache, und wird häufig verordnet.
Es gibt jedoch seit längerem Bedenken, dass Statine Muskelschmerzen oder Muskelschwäche verursachen könnten, was dazu führen könnte, dass einige Patientinnen und Patienten ihre Behandlung abbrechen.
Die aktuelle Analyse wurde durchgeführt, um Unsicherheiten in Bezug auf die möglichen Nebenwirkungen von Statinen auf Muskeln auszuräumen.
Daten zu über 150.000 Personen
Die Forschenden trugen für die Metaanalyse Daten aus 23 Studien zu fast 155.000 Patientinnen und Patienten zusammen. Alle Studien umfassten mindestens 1.000 Personen und eine geplante Behandlung mit Statinen von mindestens zwei Jahren.
Daten zu unerwünschten Ereignissen wurden für alle einzelnen Teilnehmenden in 19 großen randomisierten Doppelblindstudien mit Statintherapie versus Placebo (123.940 Patientinnen und Patienten) und in vier randomisierten Doppelblindstudien mit intensiverer versus weniger intensiver Statintherapie (30.724 Patientinnen und Patienten) erhoben.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten alle Daten zu Nebenwirkungen, die von Patientinnen und Patienten gemeldet wurden, die an den klinischen Studien teilnahmen, sowie Daten zum Zeitpunkt und zu den Gründen für das Absetzen der Behandlung, zur Verwendung anderer (Nicht-Studien-)Medikamente, zu anderen Gesundheitszuständen und zu Laborergebnissen die bei der Interpretation bestimmter unerwünschter Ereignisse helfen.
Statine oft nicht Ursache für Muskelprobleme
In den erstgenannten 19 Studien berichteten während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 4,3 Jahren 16.835 Personen (27,1 Prozent) in der Statingruppe und 16.446 (26,6 Prozent) in der Placebogruppe über Muskelschmerzen oder Muskelschwäche.
Im ersten Jahr gab es einen relativen Anstieg von sieben Prozent der Berichte über Muskelschmerzen oder -schwäche bei denen, die einem Statin zugewiesen wurden. Im verbleibenden Nachbeobachtungszeitraum gab es keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko.
Im ersten Jahr war nur etwa einer von 15 gemeldeten Fällen von Muskelschmerzen oder -schwäche auf die Statintherapie zurückzuführen.
In den vier Studien mit intensiverer versus weniger intensiver Statintherapie führten Therapien mit hoher Intensität (zum Beispiel täglich 40 bis 80 mg Atorvastatin oder täglich 20 bis 40 mg Rosuvastatin) zu einem größeren relativen Anstieg der Rate von Muskelschmerzen oder -schwäche als Therapien mit moderater Intensität, mit Ratenverhältnissen von 1,08 beziehungsweise 1,02.
„Muskelsymptome wie Schmerzen oder Schwäche wurden von einer ähnlichen Anzahl von Menschen in der Statin- und Placebogruppe erlebt. Bei mehr als 93 % der Patienten, die über Symptome berichteten, waren Statine nicht die Ursache für Muskelschmerzen“, erläutert Professor Baigent.
„Die Statintherapie erhöhte geringfügig die Häufigkeit, aber nicht die Schwere der muskelbezogenen Symptome. Das geringe zusätzliche Risiko für Muskelsymptome trat hauptsächlich im ersten Jahr nach Beginn der Therapie auf.“
Er sagt, dass die Ergebnisse Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten dabei helfen sollen, fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, ob sie mit einer Statintherapie beginnen oder fortfahren sollen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- European Society of Cardiology: Cardiovascular protection from statins greatly outweighs the risk of muscle symptoms, (Abruf: 05.09.2022), European Society of Cardiology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.