Steigende Suizid-Zahlen: Viele Ärzte sind überfordert
15.03.2015
Jedes Jahr nehmen sich rund 10.000 Menschen in Deutschland das Leben. Die Zahl der Suizide hierzulande steigt seit mehreren Jahren. Laut Experten sind Mediziner mit dem Thema überfordert und nicht ausreichend geschult im Umgang mit gefährdeten Patienten.
Ärzte nicht ausreichend geschult
Ob wegen Krankheit, Schmerz oder Einsamkeit: Die Zahl der Selbsttötungen in Deutschland steigt seit mehreren Jahren. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa sind Ärzte nach Meinung der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) nicht ausreichend geschult im Umgang mit suizidgefährdeten Patienten. So kritisierte etwa die Dresdner Psychiaterin Ute Lewitzka am Freitag bei der DGS-Frühjahrstagung im schwäbischen Günzburg, dass die Behandlung psychischer Erkrankungen im Medizinstudium zu kurz komme. „Sie lernen das Leben retten, aber nicht wie ein Mensch gesund altert“, so Lewitzka.
Zahl der Selbsttötungen steigt seit Jahren
Zudem müssten auch Psychotherapeuten und Beschäftigte in der Altenhilfe besser ausgebildet werden. Seit den 1980er Jahren ist die Zahl der Selbsttötungen in Deutschland zurückgegangen, steigt aber seit mehreren Jahren wieder an. Laut Statistischem Bundesamt gab es 2013 rund 10.000 Suizide, über 100.000 Menschen begingen den Versuch. Den Angaben zufolge wurden 2013 beispielsweise in Bayern 13,7 Selbsttötungen pro 100.000 Einwohner gezählt, in Baden-Württemberg 12,8 (Deutscher Durchschnitt: 12,5). Dabei steigt die Gefahr kontinuierlich mit dem Lebensalter. Der Stuttgarter Psychiater Elmar Etzersdorfer meinte: „Das berechtigt zur Sorge.“
Mehr Tote durch Suizid als durch Verkehrsunfälle
Im vergangenen Jahr stellte die DGS einen Vergleich an und teilte mit, dass in Deutschland ungefähr so viele Menschen durch Suizid sterben, wie durch Verkehrsunfälle, AIDS, illegale Drogen und Gewalttaten zusammen. Experten zufolge seien oft schwere psychische Probleme wie beispielsweise Depressionen, in vielen Fällen ausgelöst oder begleitet durch einen übermäßigen Alkoholkonsum oder Drogenmissbrauch, Auslöser für den Wunsch zu sterben. Darüber hinaus kämen Ursachen wie berufliche und/oder finanzielle Probleme, schwere Krankheiten oder unerträgliche, chronische Schmerzen hinzu.
Beihilfe zum Suizid wird strikt abgelehnt
Indes stößt die diskutierte Beihilfe zum Suizid bei der DGS auf strikte Ablehnung. Etzersdorfer kommentierte die aktuelle Sterbehilfe-Debatte: „Damit wird eine Stimmung erzeugt: Wenn sie alt sind, wenn sie krank sind, dann bringen sie sich um. Das geht bis zu einem gesellschaftlichen Druck.“ Noch in diesem Jahr will der Bundestag die Sterbehilfe in Deutschland neu regeln. Im Parlament gab es bei einer Grundsatzdebatte im November unterschiedliche Positionen zur Frage, ob einem sterbenskranken Menschen Beihilfe zum Suizid geleistet werden darf. Die DGS-Vorsitzende Barbara Schneider kritisierte: „Dadurch werden Beratungsmöglichkeiten in den Hintergrund gerückt.“
Stärkung der präventiven Beratung
Außerdem müsse die geschäftsmäßige, gewerbliche und organisierte Beihilfe zum Suizid ausgeschlossen und die präventive Beratung und Versorgung zum Beispiel durch Ärzte gestärkt werden. „Ein geschützter Raum zwischen Arzt und Patienten muss vorhanden sein, um frei über suizidale Gedanken zu diskutieren“, so Schneider. Laut DGS ist die Mitwirkung bei der Selbtsttötung aber keine ärztliche Aufgabe. „Vor jeder Beihilfe zum Suizid muss die Hilfe stehen für die, die suizidal sind. Da gibt es eine ganze Menge an Möglichkeiten, die noch nicht ausgenutzt werden“, erläuterte der Hamburger Psychologe Reinhard Lindner. Unter anderem plädiert die DGS für psychotherapeutische Gesprächsangebote und die Behandlung mit Medikamenten. Als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im vergangenen Jahr den ersten „Welt-Suizid-Report“ präsentierte, appellierte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan an die Staaten, mehr Geld in Präventionsmaßnahmen zu investieren. (ad)
>Bild: Petra Bork / pixelio.de
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