Steigende Zahl der HIV-Infizierten in Russland könnte zur nationale Bedrohung werden
HIV könnte in Russland bald zur nationalen Bedrohung werden, denn immer mehr Menschen im arbeitsfähigen Alter infizieren sich mit dem Virus. Viele haben kaum Zugang zu Medikamenten. Mediziner fordern eine staatliche Strategie zur Eindämmung von HIV und Aids.
HIV-Neuinfektionen werden in Russland in 40 Prozent der Fälle durch heterosexuelle Kontakte verursacht
In vier bis fünf Jahren könnte sich die Zahl der HIV-Infizierten auf zwei Millionen verdoppelt haben, warnt der Arzt Wadim Pokrowski, Leiter des föderalen Zentrums für den Kampf gegen die Immunschwäche, am Donnerstag im Gespräch mit der Agentur Interfax, wie die Nachrichtenagentur „dpa“ berichtet. Ärzte sehen mittlerweile die Sicherheit des Landes durch den rasanten Anstieg der Krankheitsfälle gefährdet. Pokrowski fordert deshalb eine staatliche Strategie zur Eindämmung von HIV und Aids.
Auch die Zahl der Aids-Toten steigt dem Zentrum zufolge in Russland stark an. „Die Lage verschlechtert sich“, zitiert die Nachrichtenagentur aus einer Mitteilung. 2014 stieg die Zahl der Todesfälle um fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 24.416. Dem Zentrum zufolge würden insbesondere Drogenabhängige, die sich durch verunreinigte Spritzen infizierten, und Frauen erkranken. Die meisten sind im arbeitsfähigen Alter. Es sei die „allgemeine Bevölkerung“ betroffen, nicht nur einzelne Gruppen wie etwa Homosexuelle. Diese machen im Hinblick auf die Neuinfektionen lediglich ein Prozent aus. Bei 40 Prozent sind heterosexuelle Kontakte Ursache der Infektion.
Viele HIV-Infizierte haben in Russland kaum Zugang zu Medikamenten
Die Lage verschärft sich in Russland zudem durch einen Mangel an Medikamenten. Offiziellen Angaben zufolge leben 930.000 HIV-Infizierte im Land, das mehr als 140 Millionen Einwohner hat. Experten zufolge könnte die Dunkelziffer jedoch wesentlich höher sein, da viele Menschen nicht auf HIV getestet werden. Grund ist unter anderem die Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung, mit der sich in Russland viele HIV-Infizierten konfrontiert sehen.
Pokrowski zufolge müsse deshalb “mehr Aufklärungsarbeit über die Infektionserkrankung geleistet werden”. Als Beispiel nannte der Mediziner Deutschland, “wo Kinder bereits in der Schule über HIV und Aids informiert würden”. Positiv hätte sich zudem die Legalisierung der Prostitution und Programme für Drogenabhängige ausgewirkt. Zuletzt seien “in Russland 200 Millionen Rubel (3,5 Millionen Euro) in eine Informationskampagne über HIV investiert worden, die jedoch aufgrund des geringen Betrags kaum etwas bewirkt hat”, so Pokrowski. In die drei Impfstoffe gegen HIV, die derzeit im Land entwickelt würden, sollten keine allzu großen Erwartungen gesetzt werden. Die Testphasen seien sehr aufwendig und kostspielig. Zudem sei der Erfolg ungewiss. Frühestens in fünf Jahren könnten erste Erfolge gemessen werden, sofern sich diese überhaupt zeigten.
In Deutschland steigt die Zahl der HIV-Neuinfektionen
Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge sind in Deutschland rund 80.000 Menschen von HIV oder Aids betroffen. Im Jahr 2013 wurden etwa 3.200 Neuinfektionen registriert. Die meisten Betroffnen (ca. 2.400) haben sich RKI-Schätzungen zufolge bei sexuellen Kontakten zwischen Männern angesteckt, etwa 550 infizierten sich bei heterosexuellen Kontakten. Rund 300 Personen steckten sich durch Drogenkonsum mit HIV an. Damit ist die Zahl der Neuinfektionen hierzulande im Vergleich zu 2012 um etwa zehn Prozent gestiegen. Neben der tatsächlichen Zunahme der neuen Krankheitsfälle sei der Anstieg dem RKI zufolge auch auf eine verbesserten Datenlage und verstärkte Recherchen bei Ärzten zurückzuführen. (ag)
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