Steigende Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes
08.05.2013
Nach Angaben des Leipziger Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche sind hierzulande immer mehr Kinder von Diabetes Typ 1 betroffen: "Die Zahlen wachsen mit einer Frequenz von ein bis zwei Prozent pro Jahr", so der Direktor der Klinik Prof. Wieland Kiess gegenüber der Nachrichtenagentur "dpa". Zudem steige nach Angaben der Experten das Risiko für Minderjährige, an Diabetes Typ 2 zu erkranken – der Grund: Übergewicht.
30.000 Kinder und Jugendliche leiden an Diabetes Typ 1
Demnach gäbe es in Deutschland derzeit etwa 30.000 Kinder und Jugendliche, die an der Autoimmunerkrankung Diabetes Typ 1 – auch als „Jugenddiabetes“ bekannt – leiden. Im Unterschied zur Diabetes-Variante Typ 2 steht diese jedoch nicht im Zusammenhang mit falscher Ernährung bzw. Übergewicht, sondern gehört zu den sogenannten „Autoimmunerkrankungen“, deren Ursache in den allermeisten Fällen eine überschießende Reaktion des Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe ist, wobei die das Insulin produzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse angegriffen und zerstört werden. Wodurch genau diese Autoimmunreaktion ausgelöst wird, dafür gibt es bisher noch keine genaue Erklärung, vermutet wird jedoch aus Expertensicht häufig eine Kombination von Umweltfaktoren und genetischer Veranlagung. So spielen zwar die Erbanlagen offenbar eine gewisse Rolle bei der Entwicklung von Diabetes Typ 1, doch ein betroffenes Elternteil bedeutet deshalb nicht automatisch eine Weitergabe der Krankheit, denn das geschieht nur in wenigen Fällen und auch wenn beide Elternteile Typ-1-Diabetiker sind, liegt das Risiko für das Kind „nur“ bei 20 bis 40 Prozent. Als weitere Ursache der Entstehung der Typ-1-Diabetes werden daher häufig bestimmte Umwelteinflüsse vermutet, wie zum Beispiel ein früher Kontakt mit Kuhmilch oder Virusinfektionen, wobei hier insbesondere die sogenannte „Enteroviren“ in Verdacht stehen.
Ursache für Anstieg der Diabetes-Fälle noch ungeklärt
Auf die Frage, warum die Anzahl diabeteskranker Kinder und Jugendliche stetig steigt, hätten die Experten jedoch laut Prof. Wieland Kiess noch keine Antwort, aber es würde verstärkt Forschungsarbeit geleistet, wie zum Beispiel an der Universitätsklinik in Ulm, wo die Daten von betroffenen Kindern und Jugendlichen erfasst würden: "Mehr als 130 Kinderkliniken senden ihre Daten nach Ulm. Das System ist vorbildlich für die ganze Welt", so Kiess gegenüber der dpa.
Neben der wachsenden Zahl Typ-1-Diabetiker, steige laut Kiess auch das Risiko, an Diabetes Typ 2 zu erkranken, einer chronischen Stoffwechselkrankheit, die zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel und u.a. zu Folgeerkrankungen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Netzhautschäden führen kann. Auch wenn die Neigung zu Diabetes Typ 2 genetisch bedingt ist, wird das Entstehen vor allem durch Übergewicht und Bewegungsmangel gefördert, denn beides begünstigt eine so genannte Insulinresistenz, die als eine der wichtigsten Ursachen für Typ-2-Diabetes gilt. So würden nach Wieland Kiess hierzulande etwa 750 000 Kinder und Jugendliche als fettleibig (adipös) gelten – dabei sei zwar nur ein Prozent der adipösen Jugendlichen Typ-2-Diabetiker, „aber das Risiko zu erkranken oder als Erwachsener krank zu werden, ist deutlich höher als bei Normalgewichtigen“, so der Professor.
Hohe Anzahl fettleibiger Kinder und Jugendlicher erfordert Handlungsbedarf
Wie lange es dauert, bis ein adipöser Mensch von Diabetes betroffen ist, das werde laut Kiess unter anderem von den Genen ab. So hätte sich zum Beispiel in den USA gezeigt, dass Adipöse mit dunkler Hautfarbe oder hispanischer Herkunft relativ schnell an Diabetes erkranken, wohingegen in Deutschland die Entwicklung der Krankheit etwas länger dauern würde. Grund hierfür könnten der Vermutung des Professors nach möglicherweise „schützende Gene“ sein, von denen weiße Europäer profitieren würden. Angesichts der hohen Zahl fettleibiger Kinder und Jugendlicher sei nach Kiess dringend Handlungsbedarf erforderlich – auch wenn die Zahl der Betroffenen momentan nicht weiter ansteigen würde, denn das Diabetes Typ 2 -Risiko sei im Vergleich zu Normalgewichtigen deutlich erhöht, ebenso wie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dabei bestehe laut Kiess unter anderem ein enger Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und sozialem Status: So würden in sozial besser gestellten Familien mit höherem Bildungsgrad weniger Kinder von Adipositas betroffen sein, als in sozial benachteiligten, bildungsfernen Familien. Daher seien laut Kiess gerade in diesen Familien Aufklärung und präventive Maßnahmen wichtig: „Da muss sich mehr in den Kindergärten, Sportvereinen und Schulen tun, damit auch arme Kinder bessere Chancen auf ein gesundes Leben bekommen.“
Sechs Millionen Diabetiker in Deutschland
Sechs Millionen Menschen sind in Deutschland von der Volkskrankheit Diabetes betroffen, so die Deutsche Diabetes Gesellschaft, die auch dieses Jahr wieder den jährlich stattfindenden „Diabetes Kongress“ ausrichtet, auf dem sich von Dienstagabend bis Samstag Forscher und Mediziner auch mit dem Thema Diabetes bei Kindern und Jugendlichen beschäftigen werden. (nr)
Lesen Sie auch:
Neurodermitis: Kinder sollten selbstständig sein
Diabetes bedeutet für Kinder erheblichen Stress
Anzeichen für Unterzuckerung
Hohes Schlaganfall-Risiko bei Diabetes Typ-2
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.