Die im Sterbehilfe-Prozess angeklagte Ärztin Mechthild Bach begeht Selbstmord mit einer Überdosis Morphium
25.01.2011
Die wegen des Todes von dreizehn Patienten angeklagte Krebsärztin Mechthild Bach, hat sich das Leben genommen. Ein Freund der Ärztin fand diese am Montag in ihrem Wohnhaus in Bad Salzdetfurth bei Hildesheim.
Die Ärztin stand in einem deutschlandweit einzigartigen Prozess vor dem Landgericht Hannover und musste sich ursprünglich wegen des Verdachts auf Totschlag verteidigen. Auch wenn in den Medien und der Bevölkerung schnell von Sterbehilfe gesprochen wurde, hatte die Medizinerin stets betont, keine lebensverkürzenden Maßnahmen bei ihren Patienten eingesetzt zu haben. Die Behandlung sei ausschließliche zu Schmerzlinderung und Schmerzbegleitung gewesen, ließ Bach während des Prozesses über ihren Anwalt erklären. Das Gericht kam in einer Zwischenbilanz nach den ersten 50 Prozesstagen jedoch letzte Woche zu dem Ergebnis, dass in zwei der zu verhandelnden Fälle sogar Hinweise auf Mord bestehen. Die damit drohende lebenslange Haft, habe die Ärztin dazu veranlasst, Suizid zu begehen, erklärte ihr Verteidiger Matthias Waldraff.
Verfahren um Krebsärztin polarisierte die Gesellschaft
Bereits im Jahr 2005 stand die Internistin der Paracelsus-Klinik in Langenhagen bei Hannover erstmals wegen des Verdachts auf Totschlag vor Gericht. Und schon damals polarisierte das Verfahren die Gesellschaft. Nahezu jeden Verhandlungstag versammelten sich Unterstützer der Ärztin vor dem Landgericht Hannover und forderten auf Plakaten ihren „Freispruch“ und einen „Tod in Würde“. Denn ihrer Ansicht nach hatte die Ärztin Strebhilfe auf dem ohnehin schwierigen letzten Weg der Patienten geleistet und nicht mutwillig deren Tod durch zu hohe Schmerzmittel-Dosen herbeigeführt. Auch Bach selber betonte stets, dass sie mit ihrer Behandlung den schwer erkrankten Patienten nur helfen wollte. Die hohen Morphium- und Valium-Dosen habe sie zur Schmerzlinderung und -begleitung eingesetzt und „in keinem Fall eine lebensverkürzende medizinische Behandlung gemacht“, wie ihr Verteidiger noch letzte Woche erklärte. Nachdem das erste Verfahren aufgrund der Krankheit des Richters abgebrochen wurde, verhandelte das Landgericht Hannover seit Oktober 2009 die zweite Auflage des Prozesses.
Sterbehilfe? – Richter sehen Hinweise auf Mord
Dabei kam das Gericht in einer ersten Zwischenbilanz letzte Woche zu dem Ergebnis, dass in den bisher erörterten sechs Fällen davon auszugehen sei, „dass die Patienten nicht eines natürlichen Todes gestorben sind“, erklärte der Kammervorsitzende am Landgericht Wolfgang Rosenbusch. Seiner Aussage nach bestehen deutliche Anhaltspunkte dafür, dass die Krebsärztin den Tod der sechs Patienten vorsätzlich durch die Verabreichung von Morphium und Valium herbeigeführt habe. „Zudem muss in zwei Fällen geprüft werden, ob nicht auch das Mordmerkmal der Heimtücke vorliegt“, ergänzte Rosenbusch. Bisher haben sich bei keinem der Todesfälle in der Paracelsus-Klinik Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Patienten den Wunsch geäußerten hätten zu sterben, erklärte der Kammervorsitzende. In den zwei besonders kritisch bewerteten Fällen seien die schwerkranken Patienten außerdem bei klarem Bewusstsein gewesen, als sie die tödlichen Dosis der Schmerzmittel erhielten, so die Ausführungen des Gerichts. Da die Patienten „nichts von diesen Gaben“ wussten und somit arg- und wehrlos gewesen sein könnten, komme in den beiden genannten Fällen auch eine heimtückische Tötung in Betracht und es drohe der Medizinerin die Verurteilung wegen Mordes, erläuterte der Kammervorsitzende in der vergangenen Woche.
Medizinerin angesichts der Einschätzung des Gerichts perspektivlos
Nach der Bekanntgabe der gerichtlichen Zwischenbilanz, sei seine Mandantin sehr niedergeschlagen und perspektivlos gewesen, erklärte der Verteidiger von Mechthild Bach. Die „überraschenden Erklärung“ des Gerichts, wurde von seiner Mandantin „in wesentlichen Punkten als brutal empfunden“, berichtete Matthias Waldraff weiter. Auf Basis dieser „Bilanz wäre sie entweder lebenslang oder 15 Jahre weggegangen“, so die Aussage des Rechtsanwaltes. Noch am Sonntag habe er in einem dreistündigen Gespräch versucht, seine Mandantin wieder aufzubauen, „aber sie hat diese Kraft nach acht Jahren Kampf nicht mehr gefunden“, erläuterte Waldraff. Seiner Meinung nach wäre Mechthild Bach „ohne die Zwischenbilanz des Gerichts (…) noch am Leben“, denn es bestehe ein kausaler Zusammenhang zwischen der Bilanz des Gerichts und der Hoffnungslosigkeit seiner Mandantin. Diese hatte vor ihrem Suizid noch eine Abschieds-Email an enge Freunde verschickt, in der sie ihre Beweggründe schilderte. Darin erklärte Mechthild Bach unter anderem, dass sie sich ein Leben ohne ihre Patienten nicht vorstellen könne, erläuterte der Verteidiger Matthias Waldraff am Dienstag. Seine 61-jährige Mandantin hatte sich nach Angaben der Polizei in ihrem Wohnhaus in Bad Salzdetfurth bei Hildesheim am Montag mit einer Überdosis Medikamente getötet.
Unstimmigkeiten vielen nur durch Zufall auf
Eigentlich waren für den seit 15 Monaten laufenden Prozess um die vermeintliche Sterbehilfe der Internistin noch 38 Verhandlungstage bis 2012 festgelegt. Zu der Zwischenbilanz des Gerichts sollten Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklage am 7. Februar Stellung nehmen. Mit dem Suizid der Ärztin wird das Verfahren nun jedoch beendet. Dass die Internistin überhaupt vor Gericht gestellt wurde, war dabei ursprünglich durch einen Zufall bedingt. In ihrer Zeit als Belegärztin an der Paracelsus-Klinik von 1987 bis 2003 viel einer Ermittlergruppe der AOK, die eigentlich nach Abrechnungsbetrügern fahndete, ein überproportional hoher Morphium-Verbrauch auf der Krebsstation auf. Außerdem lag die Sterbequote im gleichen Zeitraum mit 350 Toten in nur fünfeinhalb Jahren ungewöhnlich hoch. Daraufhin hatte die AOK die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und anfangs sogar 76 Fälle zur Anzeige gebracht. Damit begann eine auch von starkem Medieninteresse begleitetet Diskussion über Sterbehilfe und das von Mechthild Bach stets betonte Recht jedes Menschen „seinen Tod in Würde und angstfrei zu erleben.“
Kritiker bemängelten "selbstherrliches Verhalten"
Kritiker hatten dabei immer wieder das selbstherrliche Verhalten der Ärztin bemängelt, welche zum Beispiel auf die Frage, woran sie merke, dass ein Mensch im Sterben liegt, antwortetet: „Ich spürte, wenn ein Patient keine Aura mehr hat, keine Energiefelder.“ Damit wurde auch das Kernproblem der Diskussion um die Sterbehilfe deutlich: Wer entscheidet wann, ob ein Mensch auf seinem letzten Weg ist. Das Landgericht kam hier bei den 13 durch einen Medikamentenmix aus Valium und Morphium verursachten Todesfällen der zwischen 52 und 96 Jahren alten Patienten offenbar zu einem anderen Ergebnis als die Krebsärztin und konnte in keinem der bisher behandelten Fälle Sterbehilfe erkennen. Ihr Rechtsanwalt Matthias Waldraff betonte indes: „Ihr Gehen ist kein Schuldeingeständnis.“
Sterbehilfe in der Diskussion
Insgesamt ist die Diskussion in Deutschland über Sterbehilfe mit dem Tod der angeklagten Ärztin nicht beendet. Die Gesetzgebung zeigt sich bereits seit Jahren darum bemüht, hier eine Regelung im Sinne der Betroffenen zu entwickeln. Zuletzt hatte diesbezüglich ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof 2 StR 454/09) aus dem Juni 2010 das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gestärkt. Das Gericht urteilte letztes Jahr, dass (im strafrechtlichen Sinne) eine entsprechende Einwilligung des Patienten sowohl das Unterlassen weiterer lebenserhaltender Maßnahmen rechtfertige als auch die aktive Beendigung oder Verhinderung einer von dem Patienten nicht oder nicht mehr gewollten Behandlung. Bei Patienten die in einem nicht mehr einwilligungsfähigen Zustand sind, kann auch die zuvor in einer Patientenverfügung oder in einer mündlichen Äußerung gegebene Aufforderung zur Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen ausreichend sein. Allerdings ist das Berufsrecht der Ärzte in Bezug auf das Thema Sterbehilfe derzeit noch nicht auf dieses relativ neue Gerichtsurteil ausgelegt. Die Bundesärztekammer (BÄK) plant jedoch dessen Liberalisierung. Als weltweit erstes Land hatten die Niederlande bereits im Jahr 2001 ein Gesetzt zur Regelung der aktiven Sterbehilfe erlassen. (fp)
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