Studie: Bei COVID-19 erhöhtes Sterberisiko nach Operationen
Mitte März war beschlossen worden, dass alle planbaren Operationen in deutschen Krankenhäusern, soweit dies medizinisch vertretbar ist, auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Dadurch sollte gewährleistet werden, ausreichend Kapazitäten für die Behandlung von Coronavirus-Erkrankungen zu haben. Diese Maßnahme könnte dazu beigetragen haben, Leben zu retten. Denn einer neuen Studie zufolge haben COVID-19-Erkrankte ein erhöhtes Risiko, im Zusammenhang mit einer OP zu versterben.
Laut einer aktuellen Mitteilung des Universitätsklinikums Tübingen haben Patientinnen und Patienten, die an COVID-19 erkranken, ein erhöhtes Risiko, im Zusammenhang mit einer Operation zu versterben. Vor planbaren OPs sollte deshalb eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 möglichst ausgeschlossen werden. Zu diesem Schluss kommt eine weltweite Untersuchung, deren Ergebnisse kürzlich von dem Forschungsnetzwerk CovidSurg Collaborative im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht wurde.
Weitere Auswertungen sollen Situation in Deutschland klären
Professor Dr. Alfred Königsrainer, klinischer Leiter der Studie in Tübingen und Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie sieht das Tübinger Universitätsklinikum aber gut gerüstet.
„Wir haben aus den vergangenen Wochen gelernt und uns gut vorbereitet. Bei Notfalleingriffen und vor geplanten Operationen tun wir alles, um im Vorfeld eine SARS-CoV-2-Infektion möglichst auszuschließen. Dies ist uns bislang auch gelungen“, sagte der Mediziner.
Ob die Situation auch in Deutschland so dramatisch ist, wie es die Studiendaten annehmen lassen, soll möglichst bald durch weitere Auswertungen geklärt werden. Aktuell sind alle chirurgischen Kliniken in Deutschland dringend aufgerufen, sich an der CovidSurg Kohorten-Studie zu beteiligen.
Daten aus zwei Dutzend Ländern
Um zu ihren Ergebnissen zu gelangen, untersuchten die Forschenden Daten von 1.128 Patientinnen und Patienten aus 235 Krankenhäusern in 24 Länder. Diese repräsentieren vor allem die Situation in Europa, auch einige Kliniken in Afrika, Asien und Nordamerika waren beteiligt.
Nach den nun veröffentlichten Ergebnissen, die unter der Leitung der NIHR Global Research Health Unit on Global Surgery an der Universität Birmingham ausgewertet wurden, haben SARS-CoV-2-infizierte Personen, die sich einer Operation unterziehen, wesentlich schlechtere postoperative Ergebnisse als ohne die Infektion.
Insgesamt lag die Mortalität während der ersten 30 Tage nach der OP bei 23,8 Prozent. Dabei war die Mortalität laut den Autorinnen und Autoren in allen Untergruppen unverhältnismäßig hoch.
Den Angaben zufolge betraf dies sowohl elektive chirurgische Eingriffe (18,9 Prozent), Notfalloperationen (25,6 Prozent), kleinere Operationen (16,3 Prozent) als auch größere chirurgische Eingriffe (26,9 Prozent).
Ältere und Männer stärker gefährdet
Weiterhin wurde in der Studie festgestellt, dass die Sterblichkeitsrate von Männern (28,4 Prozent) verglichen mit der von Frauen (18,2 Prozent) aber auch bei älteren Patientinnen und Patienten über 70 Jahren (33,7 Prozent) gegenüber jüngeren Erkrankten (13,9 Prozent) stark erhöht war.
Zu den Risikofaktoren für die postoperative Mortalität zählen neben Alter und Geschlecht auch vorbestehende schwere Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, große Eingriffe und Notfalloperationen.
Sterblichkeitsrate selbst bei Routineoperationen wesentlich erhöht
Der Tübinger Mitautor der Studie, Prof. Dr. Alfred Königsrainer, kommentierte den Bericht: „Normalerweise erwarten wir, dass die Sterblichkeitsrate von Patienten, die sich elektiven Operation unterziehen, unter einem Prozent liegt“, so der Experte.
„Diese Studie zeigt nun aber, dass die Sterblichkeitsrate bei Patienten, die mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert sind, selbst bei Routineoperationen ganz wesentlich erhöht ist. Tatsächlich ist die Sterblichkeitsrate so stark erhöht, dass sie mit dem Mortalitätsrisiko von Hochrisiko-Patienten vor der Pandemie vergleichbar ist.“
Aktuell soll mit zusätzlichen Daten vordringlich analysiert werden, ob sich diese Zahlen auch auf deutsche Krankenhäuser übertragen lassen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Tübingen: Sterberisiko von Patienten, die sich vor oder direkt nach einer Operation mit SARS-CoV-2 infizieren ist erhöht, (Abruf: 02.06.2020), Universitätsklinikum Tübingen
- CovidSurg Collaborative: Mortality and pulmonary complications in patients undergoing surgery with perioperative SARS-CoV-2 infection: an international cohort study; in: The Lancet, (veröffentlicht: 29.05.2020), The Lancet
Wichtiger Hinweis:
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