Stiftung für HIV-infizierte Bluter geht das Geld aus
26.04.2014
In den 1980er Jahren infizierten sich viele Bluter in Deutschland über verunreinigtes Plasma mit HIV. Die Hilfe für Betroffene kam erst spät und schon bald soll sie vor dem Aus stehen. Denn der Stiftung für die HIV-infizierten Bluter droht bis 2017 das Geld auszugehen. Experten hatten nicht damit gerechnet, dass die Opfer so lange leben würden.
Finanzielle Mittel reichen nur noch bis 2017
Rund 30 Jahre nach dem sogenannten Bluter-Skandal drohen die finanziellen Hilfen für Hämophilie-Patienten mit einer HIV-Infektion auszulaufen. Wie der Vorsitzende des Rates der „Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“, Horst Schmidbauer, der Nachrichtenagentur dpa in Berlin sagte, reichten die Mittel nur noch bis 2017. Daher seien eine Aufstockung der Mittel sowie ein neues Gesetz nötig. Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas meinte gegenüber dpa: „Die Menschen brauchen ein Signal, dass sie auch nach 2017 weiter Hilfe bekommen.“ Die SPD-Politikerin ist ebenfalls Mitglied im Rat der Bundesstiftung.
Trotz bekannter Aids-Gefahr wurden Mittel nicht vom Markt genommen
Die Stiftung unterstützt Hämophilie-Patienten, die in den 1980er Jahren mit dem HI-Virus infiziert wurden sowie deren Angehörige finanziell. Damals hatten sich über 1.500 Hämophilie-Patienten, so der Fachausdruck für die Bluterkrankheit, über verunreinigtes Plasma mit HIV angesteckt. Für Bluter war die Lebenserwartung bis Anfang der 1970er Jahre niedrig. Doch als dann Faktor-VIII-Präparate auf den Markt kamen, ermöglichten diese es vielen Erkrankten, ein weitgehend normales Leben zu führen, da das Mittel das Blut wieder gerinnen ließ. In den 1980er Jahren, als sich die Immunschwächekrankheit Aids immer stärker ausbreitete, waren viele der Blutkonserven, die aus menschlichem Blut gewonnen werden, mit dem HI-Virus oder auch mit gefährlichen Hepatitis-C-Viren verseucht. Pharmaindustrie und Gesundheitsbehörde verzichteten damals darauf, das Mittel vom Markt zu nehmen, obwohl die Aids-Gefahr bekannt war.
Rund zwei Drittel der Betroffenen sind bereits gestorben
Wie der Vorsitzende der Deutschen Hämophiliegesellschaft, Werner Kalnins, der dpa sagte, seien bereits mehr als 1.000 Betroffene gestorben. Derzeit erhielten noch rund 400 Hämophilie-Patienten mit einer HIV-Infektion oder Aids-Erkrankung sowie 200 Angehörige Zuwendungen in Höhe von 511 bis 1534 Euro im Monat. „Für die Conterganstiftung hat der Bund nach langen Verhandlungen 120 Millionen Euro zur Verfügung gestellt“, so Bas. „Wir müssen die Debatte nun ähnlich organisieren." Im Hintergrund würden bereits zahlreiche Gespräche laufen. „Auch die Länder, die Pharmaindustrie und das Rote Kreuz müssen sich beteiligen.“
Knallharte Pharmaindustrie
Zu dem damaligen Bluter-Skandal hätten Faktoren wie der Blutplasma-Import, das Pooling der Faktoren und die Erstattungspraxis mancher Kostenträger mit beigetragen. Die Aufklärung des Falles kam erst 1993 ins Rollen. Ein Untersuchungsausschuss stellte 1994 fest, dass die Verwendung der Blutprodukte „unvertretbar“ gewesen sei. Der Skandal wurde mittlerweile auch verfilmt. Der Regisseur des deutschen Fernsehfilms „Blutgeld“, René Heisig, der selbst Arzt ist, erklärte im vergangenen Jahr: „Die Pharmaindustrie hat darauf gesetzt, dass sich das Problem schnell von allein erledigt.“ Da sie starben, konnten die Betroffenen kaum auf einen positiven Ausgang eines langwierigen Prozesses hoffen. „Außerdem waren sie in der Beweispflicht. Die Pharmaindustrie hat knallhart ausgenutzt, dass es fast unmöglich war, ein exaktes Datum der Ansteckung geschweige denn einen Verursacher zu nennen“, so Heisig.
Experten rechneten mit früherem Tod aller Betroffener
Der damalige Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hatte 1994 in der Folge des Skandals das Bundesgesundheitsamt (BGA) aufgelöst und ein Jahr später wurde die Bundesstiftung ins Leben gerufen. 100 Millionen D-Mark stellte der Bund zur Verfügung, 90,8 Millionen zahlten sechs Pharmafirmen, 9,2 Millionen die Blutspendedienste des Roten Kreuzes und 50 Millionen die Länder. Experten hatten ursprünglich den Tod aller Betroffenen bis 1999 erwartet gehabt. Das Bundesgesundheitsministerium musste die Mittel schließlich aufstocken.
Finanzielle Mittel bis 2070 nötig
Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) sind nun jedoch Mittel bis 2070 nötig, da es in der Aids-Therapie große Fortschritte gab und weil auch die Kinder Betroffener bis zu ihrem 25. Lebensjahr Hilfe bekommen. Laut Hochrechnungen würden noch rund 260 Millionen Euro benötigt, wie der ehemalige SPD-Abgeordnete Schmidbauer sagte. Allerdings ist das Problem noch größer. „Auch für die Opfer, die an Hepatitis C erkrankt sind, sind Entschädigungen nötig“, so Kalnins. Von den mit HCV infizierten Hämophilie-Patienten lebten noch etwa 3.000, rund 1.500 von ihnen seien gestorben. Doch nur diejenigen, die auch mit HIV infiziert seien, bekämen Leistungen aus der Stiftung. Schmidbauer zufolge wären etwa 80 Prozent der HCV-Infektionen bei Bluterkrankten vermeidbar gewesen, wenn bei der Verwendung von Blutprodukten Richtlinien streng eingehalten worden wären. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.