Stoffwechsel: Einfache Analyse über Schweißproben
Das Stoffwechsel-Profil eines Menschen gibt wichtige Informationen über die Gesundheit preis und kann zur Diagnose von vielen Krankheiten aufschlussreich sein. Für die Erstellung sind allerdings aufwendige Tests notwendig, die zudem nur einen zeitlich eingegrenzten Raum abbilden. Ein Forschungsteam aus Österreich stellt nun eine neue und unkomplizierte Methode vor, mit der das Stoffwechsel-Profil über den Fingerschweiß ermittelt werden kann.
Forschende der Universität Wien zeigten im Rahmen einer aktuellen Studie, dass sich Stoffwechsel-Langzeitprofile einer Person über Analysen des Fingerschweißes erstellen lassen. Die neue Methode eröffnet der Arbeitsgruppe zufolge die erste nicht-invasive Möglichkeiten für die personalisierte Diagnostik und Therapie. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellt.
Stoffwechsel-Profile waren bislang aufwendig
Blut-, Plasma- und Urinanalysen dienen in der Medizin dazu, verschiedene gesundheitsrelevante Werte eines Menschen zu ermitteln. Ein Stoffwechsel-Profil einer Person zu erstellen, war bislang jedoch aufwendig, da hierzu über einen längeren Zeitraum immer wieder Proben entnommen und ausgewertet werden müssen. Für die Betroffenen kann dies eine schmerzhafte und zeitintensive Erfahrung sein. Die neue Stoffwechsel-Analyse über den Fingerschweiß könnte den Prozess massiv vereinfachen, vergünstigen und anwendbarer machen. Auf diese Weise könnte die Erstellung eines personalisierten Stoffwechsel-Profils einer breiteren Maße zugänglich gemacht werden.
Im Fingerschweiß stecken gesundheitsrelevante Informationen
Wie die Forschenden um Christopher Gerner berichten, lassen sich über den Fingerschweiß allerhand gesundheitsrelevante Daten einer Person ermitteln, beispielsweise „körpereigene Schadstoffbelastungen“ und die „Verstoffwechslung von Koffein sowie dessen entzündungshemmende Effekte“ oder Inhaltsstoffe aus Nahrung und Medikamenten, bis hin zu „Umweltschadstoffen und deren Verstoffwechslung“.
Warum Fingerschweiß als Probe geeignet ist
Nach Angaben der Arbeitsgruppe werden alle Nahrungsmittel, die wir zu uns nehmen, im Magen-Darm-Trakt verdaut. Die dort ab- und umgebauten Moleküle aus der Nahrung wandern ins Blut und verteilen sich so über den ganzen Körper. Wie das Team belegte, finden sich viele der metabolisch-relevanten Moleküle auch im Schweiß einer Person wieder. „Im Fingerschweiß kann man Biomoleküle wie Metabolite sehr präzise messen, präziser als etwa im Speichel“, bestätigt der Studienleiter und analytische Chemiker Gerner.
Vorteile gegenüber herkömmlichen Methoden
„Der wichtigste Vorteil gegenüber Blut- oder Urinanalysen besteht in der sehr einfachen Risiko- und schmerzlosen Probengewinnungsmöglichkeit“, betont Gerner. So könne man metabolische Zeitreihenanalysen durchführen, die so bisher noch nicht möglich waren. Die Gewinnung der Schweißproben erfolge durch ein spezielles Filterpapier, welches nur für eine Minute zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten werden müsse. Aus der Probe könne man dann alle enthaltenen Moleküle extrahieren und mittels massenspektrometrischer Analysen innerhalb von wenigen Minuten auswerten.
Stoffwechsel-Tests mit Koffein
Um die neue Methode zu testen, erhielten Teilnehmende Kaffee oder Koffein-Kapseln. Im Anschluss wurden den Probandinnen und Probanden mehrere Fingerschweiß-Proben entnommen und ausgewertet. Die Zeitreihenanalysen zeigen die individuelle Verstoffwechslung der Koffein-Metaboliten. Daraus ließ sich ein personalisiertes Profil der Aufnahme und Verstoffwechselung von Koffein erstellen, welches sogar Rückschlüsse auf die Aktivität von Leberenzymen erlaubte.
Der Stoffwechsel ist höchst dynamisch
Die Forschenden stellen klar, dass es sich bei dem Stoffwechsel um einen „höchst dynamischen Prozess“ handelt. Die Fingerschweiß-Analyse stelle die erste einfache Methode dar, um diesen komplexen Prozess in einer Zeitreihe abzubilden. Es gebe viele praktische Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin für solche Tests, zum Beispiel zur leichteren Erkennung von bestimmten Erkrankungen und Stoffwechselstörungen oder zur Unterstützung von klinischen Studien.
Auch für kommende Ernährungsstudien wichtig
Die Fingerschweiß-Analyse könnte auch ein wichtiges Werkzeug für kommende Ernährungsstudien werden. „Man kann damit unmittelbar verfolgen, was jemand gegessen hat“, verdeutlicht Studienautorin Julia Brunmair.
Dies führte zum Teil zu verblüffenden Erkenntnissen. Nach dem Konsum von Erdbeeren waren sogar Spuren eines Insektizids im Fingerschweiß nachweisbar, mit dem die Erdbeeren behandelt wurden „Nach konsumierten Orangen konnten wir – im Fall von Bio-Orangen – gesunde Flavonoide und – im Fall von nicht-biologischem Anbau – zudem entsprechende Pestizide nachweisen“, resümiert Brunmair.
Giftstoffe im Körper
Zudem erkennt der Test den Nikotinkonsum einer Person sowie die im Tabak enthaltene Chemikalie Anatabin. Es sei messbar, wie stark ein Mensch diesen und anderen Fremdstoffen ausgesetzt ist. Zudem zeige die Analyse, wie der Stoffwechsel auf solche Giftstoffe reagiert. Die Forschenden betonen, dass der Test mehr kann, als bisher ermittelt wurde. Im Schweiß wurden Tausende von Metaboliten entdeckt, von denen bisher erst rund 250 identifiziert und verifiziert wurden.
Tür zur personalisierten Medizin?
„Das Verfahren hat sich als hoch empfindlich erwiesen und zeigt neue Möglichkeiten auf, individuelle Stoffwechselprozesse sichtbar zu machen, um personalisierte Diagnostik und Therapie zu begleiten“, fasst Studienleiter Gerner zusammen. Es könne beispielsweise auch dabei helfen, zu überprüfen, ob Patientinnen und Patienten die erwartete Konzentration von Wirkstoffen erreichen. Dies sei für eine personalisierte Einnahmeempfehlungen oder für kommende Studien neuer Medikamente relevant. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Wien: Fingerschweiß zeigt individuelles Stoffwechsel-Profil des Menschen (veröffentlicht: 19.10.2021), medienportal.univie.ac.at
- Brunmair, J., Gotsmy, M., Niederstaetter, L. et al. Finger sweat analysis enables short interval metabolic biomonitoring in humans; in: Nat Commun. 2021, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.