Künstliches Licht unterdrückt das Hormon Melatonin
Der Mensch lebte Jahrtausende lang im Einklang mit dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. Spätestens seit der Entdeckung des zirkadianen Rhythmus ist klar: auch Zellen besitzen eine Art von innerer Uhr und passen ihren Stoffwechsel an die Tageszeit an. Künstliches Licht einer städtischen Nachtbeleuchtung kann diesen Rhythmus bei Mensch und Tier durcheinanderbringen, wie eine aktuelle deutsche Forschungsarbeit zeigt.
Forschende des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) fanden heraus, dass selbst niedrige Lichtintensitäten, die beispielsweise in Städten quasi rund um die Uhr vorherrschen, Einfluss auf den Melatoninspiegel bei Mensch und Tier ausüben. Melatonin ist wiederum ein Hormon, dass die innere Uhr taktet. Die Studie wurde kürzlich in dem Fachjournal „Sustainability“ vorgestellt.
Was bewirkt Melatonin?
Dem Forschungsteam zufolge prägt das Hormon Melatonin den Tag-Nacht-Rhythmus bei Menschen und Wirbeltieren. Nahezu jede Körperzelle stelle abhängig von der Konzentration dieses Hormons die innere Uhr. Dies beeinflusse beispielsweise Prozesse des Wachstums und der Fortpflanzung.
Abhängigkeit von Licht und Melatonin
Die Bildung von Melatonin wird über Lichtrezeptoren gesteuert, die sich zum Beispiel auf der Netzhaut im Auge befinden. Je mehr Licht auf die Netzhaut trifft, desto stärker wird die Bildung von Melatonin unterdrückt und je dunkler es wird, desto mehr Melatonin wird gebildet.
Straßenbeleuchtung unterdrückt Melatoninproduktion
Das IGB-Team wertete internationale Daten zur Auswirkung von Lichtverschmutzung auf die Melatoninbildung beim Menschen und bei Wirbeltieren aus. Dabei zeigte sich, dass das Licht einer Straßenbeleuchtung bereits reicht, um die Melatoninproduktion auszubremsen. Die Empfindlichkeitsschwelle beim Menschen liege bei sechs Lux. Eine Straßenlaterne strahle in der Regel heller.
Starke Abweichung zur Natur
Den Forschenden zur Folge erreichen natürliche Beleuchtungsstärken, die Lebewesen erfahren, in einer sternenklaren Nacht gerade mal 0,001 Lux. In einer Vollmondnacht erreiche die Beleuchtungsstärke ein Maximum von 0,3 Lux. Die Lichtglocke, die eine Stadt ausstrahlt, erreiche bereits eine Beleuchtungsstärke von 0,1 Lux. In direkter Umgebung einer Straßenbeleuchtung können Lichtstärken von mehr als 150 Lux erreicht werden.
Lichtglocken um Städte
„Das Erstaunliche ist, dass schon die sehr geringen Intensitäten der Lichtglocke einer Stadt ausreichen, um bei bestimmten Wirbeltierklassen wie Fischen und Nagern die Melatoninproduktion zu unterdrücken“, erklärt Studienerstautorin Dr. Maja Grubisic. Von dieser Art Lichtverschmutzung seien weltweit große Areale betroffen. Dies zeige sich durch die Auswertung von Satellitendaten. Das Licht aus künstlicher Beleuchtung strahle in den Himmel und werde von Wolken und Luftpartikeln reflektiert, wodurch sich eine große Lichtglocke um die Städte bilde.
Folgen unbekannt
Wenig ist dagegen über die Folgen dieses Zusammenhangs bekannt. „Bisher gibt es keine Studien zu den Folgen von Lichtverschmutzung auf die Melatoninbildung“, ergänzt Dr. Franz Hölker aus dem Studienteam. Insbesondere die Folgen auf die menschliche Gesundheit seien noch nicht hinreichend verstanden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Grubisic, M.; Haim, A.; Bhusal, P.; Dominoni, D.M.; Gabriel, K.M.A.; Jechow, A.; Kupprat, F.; Lerner, A.; Marchant, P.; Riley, W.; Stebelova, K.; van Grunsven, R.H.A.; Zeman, M.; Zubidat, A.E.; Hölker, F. Light Pollution, Circadian Photoreception, and Melatonin in Vertebrates. Sustainability 2019, mdpi.com
- Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB): Lichtverschmutzung unterdrückt „Dunkelhormon“ Melatonin bei Mensch und Tier (Abruf: 18.12.2019), igb-berlin.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.