Welche Veränderung der ärztliche Versorgung die Patienten erwarten
03.03.2014
Der demografische Wandel bringt erhebliche Herausforderung für das Gesundheitssystem mit sich, die auch neue Organisationsmodelle erfordern, um künftig eine angemessene ärztliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. „Mit der bisherigen Konzentration auf die klassische Einzelarztpraxis und die politisch initiierten Honorarerhöhungen konnten die Versorgungsprobleme nicht gelöst werden“, betonte Johann-Magnus v. Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes, in einer aktuellen Pressemitteilung des Verbandes.
Die neuen Möglichkeiten zur Verbesserung der Patientenversorgung müssen aktiv ausgebaut und genutzt werden, erläuterte der Vizechef des GKV-Spitzenverbandes. Zudem sollten „auch in der ambulanten Versorgung mehr Kooperationen und mehr Anstellungsmöglichkeiten angeboten werden, damit jungen Ärzten der Weg in die Praxis und aufs Land erleichtert wird“, so Johann-Magnus v. Stackelberg weiter. Da immer mehr Patienten ein äußerst komplexes Krankheitsbild aufweisen, seien des Weiteren „auch im vertragsärztlichen Bereich multidisziplinäre Teamstrukturen“ erforderlich. Ein möglicher Ansatz ist hier die sogenannte Telemedizin, deren Anwendung derzeit in einer Studie an der Berliner Charité erprobt wird. Die beteiligten Patienten messen zum Beispiel ihren Blutdruck und ihre Herzfrequenz zu Hause und übermitteln die Daten anschließend digital an das Krankenhaus. Gegebenenfalls könne telefonisch Rücksprache mit dem zuständigen Arzt gehalten werden und eine Anpassung der Therapie beziehungsweise Medikation erfolgen. Im Ernstfall wird direkt ein Notarzt kontaktiert. Doch dies dürfte nicht die einzige Umstellung der ärztlichen Versorgung bleiben, auf die sich Patienten schon heute einstellen können.
Hausärztliche Versorgung gefährdet?
Maßgebliche Veränderungen der Ärztelandschaft sind laut Aussage der GKV-Spitzenverbandes insbesondere im Bereich der Hausärzte vorprogrammiert. Denn heute seien „rund 40 Prozent der niedergelassenen Ärzte als Hausärzte tätig“, doch „gleichzeitig erfolgten 2012 nur 11 Prozent aller Facharztanerkennungen im Bereich der Allgemeinmedizin.“ Der Hausärztemangel von morgen sei damit vorgezeichnet. Johann-Magnus v. Stackelberg betonte,dass „in Deutschland viel zu wenige Hausärzte ausgebildet“ werden. Hier hätten „die Länder bei der Universitätsausbildung und die ärztliche Selbstverwaltung bei der Organisation der Weiterbildung sowie bei der Ausgestaltung von Bedarfsplanung und Zulassungsrecht keinen guten Job gemacht.“ Seiner Ansicht nach muss die Ausbildung an den Hochschulen künftig der hausärztlichen Basisversorgung einen zentralen Stellenwert einräumen, um eine weitere Zuspitzung des Problems zu vermeiden.
Weniger Spezialisten, mehr Allgemeinmediziner
Die ärztliche Selbstverwaltung dürfe nicht nur auf immer mehr Spezialistentum setzen, erläuterte v. Stackelberg. Denn „für die ambulante Versorgung in der Fläche werden gut ausgebildete Generalisten mit einem breiten Wissens- und Erfahrungsschatz benötigt“, so der Vizechef des GKV-Spitzenverbandes weiter. Darüber hinaus seien zur Sicherstellung der Versorgung zunehmend flexible Angebote für die Patientenversorgung erforderlich, weshalb der GKV-Spitzenverband „die Förderung von Filialpraxen und mobilen Praxisangeboten, die Nutzung von befristeten Zulassungen, die Möglichkeit zur Umwandlung von Zulassungen in Anstellungsverhältnisse bei der KV (Kassenärztlichen Vereinigung) und die Einrichtung von KV-Praxen“ fordere.
Schlechtere Versorgung trotz immer mehr Ärzten
Der GKV-Spitzenverband teilt in seiner aktuellen Pressemitteilung auch einige Seitenhiebe in Richtung der Ärzteschaft aus, die bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für verstärkten Unmut sorgen. Beispielsweise erklärte Johann-Magnus v. Stackelberg, dass „wir immer mehr Ärzte (haben), die immer mehr Geld verdienen und trotzdem gibt es für die Patienten teilweise lange Wartezeiten und in wenigen Regionen im hausärztlichen Bereich erstmals Versorgungslücken.“ Zudem seien „klare Hinweise“ dafür zu erkennen, „dass die Qualität der dokumentierten Diagnosen nicht ausreichend ist.“ Beispielsweise wäre „auf Basis der von den Ärzten aufgeschriebenen Diagnosen die Anzahl der Diabetiker jährlich um acht Prozent gestiegen“; wohingegen die Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen, dass der Anstieg tatsächlich nur bei knapp zwei Prozent lag. „Es ist völlig inakzeptabel, wenn Diagnosen übertrieben aufgeschrieben werden, um mehr Honorar für die Ärzteschaft herauszuholen“, kritisierte der Vizechef des GKV-Spitzenverbandes.
Ärzteschaft fordert konstruktiven Beitrag der Krankenkassen
Der scheidende KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. Andreas Köhler, erklärte angesichts der Äußerungen des GKV-Spitzenverbandes zur ärztlichen Versorgung in Deutschland, dass „das Problem des Ärztemangels in der Gesellschaft und in der Politik angekommen (ist)– nur nicht bei den Krankenkassen.“ Der drohende Ärztemangel müsse als Herausforderung für die ganze Gesellschaft verstanden werden, wobei die Kassenärztlichen Vereinigungen ihrerseits bereits sehr viel leisten, betonte Köhler. Auch die Kommunen seien „oftmals schon dabei, ein attraktives Standortmarketing zur Ansiedlung von Arztpraxen zu machen.“ Zudem sei es seit langem eine Forderung der KBV, „dass die ambulante Versorgung früh Einzug ins Medizinstudium halten muss.“ Der GKV-Spitzenverband habe hier nicht viel mehr als „Plattitüden und überwiegend falsche Behauptungen zu bieten.“ Köhler forderte die Krankenkassen dazu auf, „endlich einen konstruktiven Beitrag zu leisten, um den niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten verlässliche Rahmenbedingungen mit festen Preisen zu ermöglichen.“ (fp)
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