LSG Mainz und SG Düsseldorf geben unterschiedliche Linien vor
Nachdem Cannabis seit März 2017 unter bestimmten Voraussetzungen zulasten der gesetzlichen Krankenverssicherung als Medizin verordnet werden kann, streiten mit Patienten, Ärzte und Krankenkassen darüber nun auch die Gerichte. Nach einem am 24. August 2017 veröffentlichten Eilbeschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf kann Cannabis nur als nachweislich letzter Ausweg zulasten der gesetzlichen Krankenverssicherung verordnet werden (Az.: S 27 KR 698/17 ER). Demgegenüber räumt das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am 22. August 2017 veröffentlichten Beschluss den Ärzten deutlich mehr Therapiefreiheit ein (Az.: L 5 KR 140/17 B ER).
Zum 10. März 2017 wurde eine neue Vorschrift in das Sozialgesetzbuch eingefügt, die die Verordnung von Cannabis zulasten der gesetzlichen Kassen ermöglicht. Voraussetzung ist danach, dass dies zumindest Linderung für eine „schwerwiegende Erkrankung“ verspricht. Zudem darf es keine schulmedizinischen Alternativen geben oder diese dürfen dem Patienten nach Einschätzung des Arztes nicht zumutbar sein, etwa wegen starker Nebenwirkungen. Einen entsprechend begründeten Antrag darf die Kasse dann aber „nur in begründeten Ausnahmefällen“ ablehnen.
Im Düsseldorfer Fall leidet der Patient an Polyarthritis (entzündliche Schmerzen an verschiedenen Gelenken) und Morbus Bechterew (entzündliche und fortschreitende Versteifung und Krümmung der Wirbelsäule).
Seit 2008 wird der heute 67-jährige und schwer behinderte Mann mit Cannabis behandelt. Davor habe die Standardtherapie schwerwiegende Nebenwirkungen gehabt. Seit der Cannabis-Therapie habe er keine Krankheitsschübe mehr gehabt, Schmerzen und Nebenwirkungen seien stark zurückgegangen.
Die Kosten von gut 1.000 Euro pro Monat konnte oder wollte der Mann allerdings nicht mehr selbst tragen. Genau am 10. März 2017 stellte er daher einen Kostenübernahmeantrag bei seiner Krankenkasse.
Diese lehnte ab – nach Überzeugung des SG Düsseldorf zu Recht. Zwar liege eine schwerwiegende Erkrankung vor, es stünden aber alternative Therapien zur Verfügung. Seine letzte Standardtherapie liege bereits 16 Jahre zurück. Angesichts des medizinischen Fortschritts könne nicht angenommen werden, dass auch neuere Therapiemöglichkeiten – etwa mit Medikamenten, die die Immunabwehr unterdrücken – für ihn unzumutbare Nebenwirkungen haben, so das SG in seinem Beschluss vom 8. August 2017.
Während das SG Düsseldorf damit Ärzten und Patienten sehr hohe Begründungspflichten auferlegt, räumt ihnen das LSG Mainz deutlich mehr Entscheidungs- und Therapiefreiheit ein.
Hier leidet der heute 34-jährige Kläger unter anderem unter einer mit schmerzhaften Gelenkveränderungen einhergehenden Schuppenflechte (Psoriasis-Arthropathie). Nach Angaben des Arztes befällt die Krankheit inzwischen nahezu alle Gelenke und führt zu einer „Morgensteifigkeit“ von 60 Minuten. Die Ergebnisse anderer Behandlungen seien bislang unbefriedigend geblieben.
Auch hier lehnte die Krankenkasse ab. Der Arzt habe zahlreiche alternative Behandlungsmöglichkeiten nicht begründet ausgeschlossen.
Dennoch gab in diesem Fall – wie zuvor schon das SG Koblenz – das LSG Mainz dem Patienten mit Beschluss vom 27. Juli 2017 recht. Sein Arzt habe die Behandlung befürwortet und dabei deutlich die Schmerzlinderung als Ziel benannt. Laut Gesetz dürften die Kassen einen solchen Antrag nur in Ausnahmefällen ablehnen. Hier habe zudem der Arzt eine suchtmedizinische Zusatzqualifikation, so dass „seiner fachlichen Befürwortung“ besonderes Gewicht zukomme. Nach glaubhaften Aussagen auch des Arbeitgebers leide der Patient ohne Cannabis unter starken Schmerzen und sei nicht arbeitsfähig.
Sowohl die Düsseldorfer, wie auch die Mainzer Entscheidung ergingen im Eilverfahren. Sie gelten daher jeweils nur bis zu einem abschließenden Urteil in der Hautsache. mwo/fle
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