Verbindung zwischen Stress und dem Ergrauen der Haare
Dass Stress die Haare ergrauen lässt, wurde bereits in verschiedenen Studie aufgezeigt, allerdings sind die zugrunde liegenden Mechanismen bisher nicht abschließend geklärt und es bleibt zudem die Frage, ob durch Stress ergraute Haare ihre ursprüngliche Farbe eventuell wieder zurückgewinnen können.
In einer aktuellen Studie unter Beteiligung von Forschenden des Columbia University Vagelos College of Physicians and Surgeons wurde nun deutlich, dass Stress eine Art schwellenwertbasierten Mechanismus auslöst, der die Haare ergrauen lässt. Dieser scheint jedoch temporär reversibel, so dass Haare ihre Farbe auch wieder zurückgewinnen können. Die Studienergebnisse wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „eLife“ publiziert.
Ursprüngliche Haarfarbe kann wiederhergestellt werden
Die aktuelle Untersuchung erbringt erstmals einen quantitativen Beweis für die Verbindung zwischen psychischem Stress und ergrauendem Haar bei Menschen. Es mag zwar intuitiv erscheinen, dass Stress das Ergrauen beschleunigen kann, aber es sei überraschend gewesen, dass die Haarfarbe wiederhergestellt werden kann, wenn der Stress beseitigt wird, berichten die Fachleute.
Wie beeinflusst Stress die Alterung?
Die neue Forschungsarbeit hat nach Ansicht des Studienautors Martin Picard vom Columbia University Vagelos College of Physicians and Surgeons durchaus eine breitere Bedeutung, als einfach nur die Bestätigung uralter Spekulationen über die Auswirkungen von Stress auf die Haarfarbe.
Das Verständnis der Mechanismen, welche es sozusagen alten grauen Haaren erlauben, in ihren quasi jungen pigmentierten Zustand zurückzukehren, könnte neue Hinweise auf die Formbarkeit des menschlichen Alterns im Allgemeinen liefern und darauf, wie es durch Stress beeinflusst wird, erklärt der Experte.
Menschliche Alterung rückgängig machen?
„Unsere Daten tragen zu einer wachsenden Zahl von Belegen bei, die zeigen, dass die menschliche Alterung kein linearer, festgelegter biologischer Prozess ist, sondern zumindest teilweise aufgehalten oder sogar vorübergehend rückgängig gemacht werden kann“, so Picard in einer Pressemitteilung vom Columbia University Irving Medical Center.
Ausmaß des Pigmentverlustes wurde genau analysiert
Bei der Untersuchung wurde eine neuartige Methode zur Aufnahme hochdetaillierter Bilder von winzigen Scheiben menschlicher Haare verwendet. So konnte das genaue Ausmaß des Pigmentverlustes (Ergrauen) in jeder dieser Scheiben quantifiziert werden, wobei jede der untersuchten Scheiben mit der ungefähren Breite von einem Zwanzigstel Millimeter etwa eine Stunde Haarwachstum repräsentierte.
Haare enthalten Informationen über die biologische Vorgeschichte von Menschen, ähnliche wie die Ringe innerhalb eines Baumstamms. Die Einflüsse auf das Follikel unter der Haut durch Stresshormonen und anderen Faktoren, welche Körper und Psyche betreffen, spiegel sich anschließend dauerhaft in den Haaren wider, wenn diese aus der Kopfhaut herauswachsen, erläutert das Team.
„Wenn Sie ein Haar mit den Augen betrachten, scheint es durchgehend die gleiche Farbe zu haben, es sei denn, es gibt einen größeren Übergang. Unter einem hochauflösenden Scanner sieht man kleine, subtile Variationen in der Farbe, und das ist es, was wir gemessen haben“, so Studienautor Picard weiter.
Graue Haare erlangten ursprüngliche Farbe wieder
Die Forschungsgruppe analysierte einzelne Haare von insgesamt 14 Teilnehmenden. Die Ergebnisse wurden dann mit dem Stresstagebuch jeder dieser Personen abgeglichen. Die Teilnehmenden wurden angewiesen in diesem Schriftstück das Stressniveau jeder Woche genau zu bewerten.
Aufhebung von Stress machte Ergrauen rückgängig
Als die Haare der Teilnehmenden von Studienautorin Shannon Rausser mit den ausgefüllten Stresstagebüchern abgeglichen wurden, zeigten sich auffällige Zusammenhänge zwischen Stress und dem Ergrauen der Haare und in einigen Fällen beobachtete sie auch eine Umkehrung dieses Vorgangs bei der Aufhebung des Stresses. So gab es beispielsweise eine Person, bei der während ihres Urlaubs fünf Haare zeitlich synchronisiert wieder dunkel wurden, berichtet Picard.
Für eine besseres Verständnis darüber, wie Stress überhaupt graue Haare verursachen kann, wurden auch die Werte von Tausenden Proteinen in den Haaren gemessen und es wurde untersucht, wie sich die Proteinwerte über die Länge der einzelnen Haare veränderten. Wenn sich die Haarfarbe veränderte, gab es auch Veränderungen in 300 Proteinen.
Veränderungen in Mitochondrien lassen Haar ergrauen?
Auf Basis weiterer Analysen kam das Team zu der Vermutung, dass durch Stress induzierte Veränderungen in den Mitochondrien erklären könnten, wie Stress überhaupt das Haar ergrauen lässt. Mitochondrien werden häufig als Kraftwerke der Zelle bezeichnet, sie spielen aber noch andere Rollen.
„Mitochondrien sind eigentlich wie kleine Antennen in der Zelle, die auf eine Reihe von verschiedenen Signalen reagieren, einschließlich psychischem Stress“, so Picard in einer Pressemitteilung des Columbia University Irving Medical Center.
Ergrauen der Haare bei Menschen reversibel
Die Mitochondrien-Verbindung zwischen Stress und Haarfarbe unterscheidet sich von der, die in einer kürzlich durchgeführten Studie an Mäusen identifiziert wurde. Bei dieser Untersuchung wurde festgestellt, dass das stressinduzierte Ergrauen durch einen irreversiblen Verlust von Stammzellen im Haarfollikel verursacht wird. Die Ergebnisse der neuen Studie zeigen jedoch, dass das Ergrauen bei Menschen reversibel ist, was einen anderen Mechanismus impliziert.
„Mäuse haben eine ganz andere Haarfollikel-Biologie, und dies könnte ein Fall sein, in dem sich die Ergebnisse bei Mäusen nicht gut auf Menschen übertragen lassen“, berichtet Studienautor Professor Dr. Ralf Paus von der University of Miami Miller School of Medicine.
Stress reduzieren gegen graue Haare?
Generell sei es nicht verkehrt, auftretenden Stress im Leben zu reduzieren, betonen die Forschenden. Leider werde dies aber nicht automatisch dazu führen, dass graue Haare wieder ihre ursprüngliche Farbe annehmen. Beispielsweise werde eine Reduzierung von Stress bei einer 70 Jahre alten Person, welche bereits seit mehren Jahren graue Haare hat, nicht dazu beitragen, dass die Haare wieder ihre ursprüngliche Farbe annehmen.
Dies liege daran, dass das Haar eine Art Schwellenwert erreichen muss, bevor es schließlich grau wird. „Im mittleren Alter, wenn das Haar aufgrund des biologischen Alters und anderer Faktoren nahe an dieser Schwelle ist, wird es durch Stress über die Schwelle geschoben und es geht in Grau über“, erklärt Picard.
Hier könnte anfangs noch durch Stressreduktion eine erneute Unterschreitung des Schwellenwerts möglich sein, doch bei gänzlich grauem Haar scheint dies aussichtslos. Genauso werde auch ein erhöhter Stresspegel bei einem zehn Jahre alten Kind nicht ausreichen, um den Schwellenwert zu überschreiten und das Haar ergrauen zu lassen, erläutert das Team. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ayelet M Rosenberg, Shannon Rausser, Junting Ren, Eugene V Mosharov, Gabriel Sturm et al.: Quantitative mapping of human hair greying and reversal in relation to life stress, in eLife (veröffentlicht 21.06.2021), eLife
- Columbia University Irving Medical Center: It’s True: Stress Does Turn Hair Gray (And It’s Reversible (veröffentlicht 22.06.2021), Columbia University Irving Medical Center
Wichtiger Hinweis:
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