Auswirkungen von Stress auf die Kognition
Stress ist mit einer Vielzahl von negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Psyche verbunden. Dies scheint aber nicht unbedingt auf die Kognition zuzutreffen, da eine geringfügige Belastung durch Stress mit neurokognitiven Vorteilen und speziell einer Verbesserung des Gedächtnisses verbunden ist.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Georgia wurde untersucht, ob ein geringes bis mittleres Stressniveau zu neurokognitiven Vorteilen führt. Die Ergebnisse sind in dem englischsprachigen Fachblatt „Neuropsychologia“ veröffentlicht.
Daten von über 1.200 gesunden Menschen ausgewertet
Das Team verwendete für seine Studie Daten aus dem sogenannten Human Connectome Project (HCP), wobei die ausgewertete Stichprobe insgesamt 1.206 gesunde Menschen im Alter von 22 bis 37 Jahren umfasste. Die Teilnehmenden hatten keine Vorgeschichte von neurologischen oder psychischen Erkrankungen.
Die Fachleute überprüften anhand der Daten die sogenannte Hormesis-Hypothese, in der davon ausgegangen wird, dass geringe Dosen toxischer Substanzen positive Auswirkungen haben können. Im Fall der neuen Studie wurde analysiert, ob eine umgekehrt U-förmige Beziehung zwischen Stress und neurokognitiver Leistung besteht.
Kann Stress das Arbeitsgedächtnisses verbessern?
Dabei konzentrierten sich die Forschenden insbesondere darauf, ob die neuronale Reaktion, welche während einer fordernden Aufgabe für das Arbeitsgedächtnis auftritt, einen potenziellen Vermittler darstellt, über den ein geringes bis mittleres Stressniveau positive Auswirkungen auf die Leistung des Arbeitsgedächtnisses hat.
Zudem wurde analysiert, ob der Zusammenhang zwischen geringem, anhaltendem Stress und auf das Arbeitsgedächtnis bezogenen neuronalen Funktionen stärker ausfällt, wenn mehr psychosoziale Ressourcen zur Verfügung stehen.
Bessere Leistung des Arbeitsgedächtnis dank Stress
Das Team stellte so fest, dass ein geringes Maß an wahrgenommenem Stress tatsächlich mit einer erhöhten, auf das Arbeitsgedächtnis bezogenen, neuronalen Aktivierung verbunden war. Diese führte zu einer besseren Leistung des Arbeitsgedächtnisses.
Der Zusammenhang reduzierte sich allerdings wieder, wenn bei den Teilnehmenden ein hohes Niveau von Stress vorhanden war, berichten die Forschenden.
Einfluss von psychosozialen Ressourcen
Letztendlich sei der Vorteil für die Leistung des Arbeitsgedächtnisses am stärksten ausgefallen, wenn ein geringes bis mittleres Stressniveau vorlag und die betroffenen Personen über höhere psychosoziale Ressourcen (beispielsweise soziale Kontakte) verfügten.
Stress vorteilhaft für Gehirn und Gedächtnis
Im Gegensatz zu vielen anderen Studien zeigen die Ergebnisse der aktuellen Forschungsarbeit somit, dass Stress durchaus auch vorteilhafte Auswirkungen auf das Gehirn und das Gedächtnis haben kann. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Stress ein bestimmtes Niveau nicht übersteigt, damit diese Vorteile erhalten bleiben.
Hier wird einmal mehr deutlich, warum hohe Stressbelastungen vermieden und die Möglichkeiten zum Stressabbau genutzt werden sollten. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Assaf Oshri, Zehua Cui, Max M. Owens, Corry A. Carvalho, Lawrence Sweet: Low-to-moderate level of perceived stress strengthens working memory: Testing the hormesis hypothesis through neural activation; in: Neuropsychologia (veröffentlicht Volume 176, 5 November 2022), Neuropsychologia
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.