Immer mehr Studenten versuchen Stress an den Universitäten mit Psychopharmaka auszugleichen
28.11.2012
Der Leistungsdruck beginnt nicht nur bei Eintritt ins Arbeitsleben, sondern bereits in der Studienzeit. Laut einer Erhebung ist der Anteil der Studenten, die Psychopharmaka einnehmen, stark angestiegen. Allein bei Antidepressiva sollen die Verordnungen bei Studierenden innerhalb von vier Jahren um satte 40 Prozent gestiegen sein. Die Gründe hierfür könnten Stress, Finanzsorgen oder Prüfungsdruck sein, da die neuen Studienreformen kaum noch Zeit zur Persönlichkeitsentwicklung und Lernen lassen.
Laut einer heute veröffentlichten Auswertung der Techniker Krankenkasse schlucken immer mehr Studenten in Deutschland Arzneimittel, um offenbar dem Stress in den Universitäten zu begegnen. So sei laut der Kasse „jedes fünfte Medikament, dass ein Student verschrieben bekommt, ein Mittel bei Erkrankungen des Nervensystems“. Die TK hatte die Gesundheitssituation von Studenten zwischen 20 und 35 Lebensjahren anhand eigener Unterlagen ausgewertet.
Anstieg der Tagesdosen um 55 Prozent
Während ein Student im Jahre 2006 im Durchschnitt 8,7 Tagesdosen Psychopharmaka oder psychisch wirkende Mittel einnahm, lag die tägliche Dosis im Jahre 2010 bereits bei 13,5. Das entspricht einer Dosensteigerung von 55 Prozent. Zum Vergleich: Altersgenossen, die bereits im Berufsleben als Arbeitnehmer tätig sind, bekamen im Schnitt 9,9 Tagesdosen ärtzlich verordnet. Auch hier verzeichnete die Krankenkasse einen Anstieg von 39 Prozent, der jedoch geringer ausfiel, als bei den Studierenden.
Hochgerechnet nahm ein Student im Jahre 2010 Arzneimittel für 65 Tage ein. Erwerbstätige in den gleichen Altersgruppen nahmen hingegen durchschnittlich 72 Tage Medikamente ein. Erschreckend hoch ist der Anteil der Antidepressiva bei Hochschülern. Hier stiegen die Verordnungsraten im Vergleich zum Jahre 2006 um mehr als 40 Prozent. Jeder fünfte Student litt an einer psychischen Erkrankung. Damit ist die Rate gleich hoch, wie bei den jungen Arbeitnehmern. Auch hier wurde bei jedem Fünften eine psychische Störung wie Depressionen diagnostiziert.
Studentische Frauen sind mit 30 Prozent häufiger betroffen, als Männer (13 Prozent). Andere Untersuchungen weisen daraufhin, dass Männer nahezu gleich oft betroffen sind, aber seltener oder erst sehr viel später zum Arzt gehen.
Um so älter die Hochschüler waren, um so häufiger wurden Diagnosen aufgrund von psychischen Krankheiten oder Störungen gestellt. Hierbei zeigte sich, dass die Diagnosen bei Studenten mit zunehmendem Alter deutlich häufiger gestellt werden, als bei Erwerbstätigen.
Studienreformen könnten mitverantwortlich sein
Bereits im Gesundheitsreport 2011 hatte die Techniker Krankenkasse berichtet, dass immer mehr Studenten an psychischen Krankheiten leiden. TK-Chef Prof. Dr. Norbert Klusen vermutet, dass die jüngsten Reformen in den akademischen Ausbildungen nicht „spurlos an den Studenten vorbeigehen“. Zudem zeigte eine aktuelle Forsa-Studie unter rund 1000 männlichen und weiblichen Hochschülern, dass jeder Zweite unter Stresssymptomen leidet. Etwa 50 Prozent sagten, sie fühlen „sich oft oder ständig gestresst“.
Als Hauptursache gaben die Befragten an, dass Prüfungsdruck, Zeitmangel und finanzielle Sorgen ausschlaggebend sei. Häufig beklagten die Studenten Beschwerden wie innere Unruhe, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Erschöpfung, Nervosität und Einschlafprobleme. Jeder Zehnte gab zudem zu, schon einmal Psychopharmaka zur Eindämmung von Stress eingenommen zu haben. Viele der Betroffenen beklagten die Verkürzung der Studienzeit. Durch die Einführung der neuen Studiengänge blieben kaum noch Freiräume zum Lernen und zur Persönlichkeitsentwicklung. (sb)
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Bild: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de
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