Suizidgefahr: Ältere Männer besonders stark selbstmordgefährdet
In Deutschland nehmen sich jedes Jahr rund 10.000 Menschen das Leben. Das Suizidrisiko steigt mit dem Lebensalter. Vor allem bei älteren Männern ist die Gefahr groß. Experten zufolge könnten schon einfache Maßnahmen helfen, Gefährdete von ihrem Plan abzubringen.
Jährlich rund 10.000 Selbstmorde in Deutschland
Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) findet weltweit alle 40 Sekunden eine Selbsttötung statt. Allein in Deutschland nehmen sich jährlich rund 10.000 Menschen das Leben. Etwa 70 Prozent davon sind Männer. Die Suizidgefahr steigt mit dem Alter. „Das durchschnittliche Lebensalter eines durch Suizid Verstorbenen liegt bei ca. 57 Jahren – mit steigender Tendenz“, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) auf ihrer Webseite. Am Wochenende fand in Hamburg die Herbsttagung der DGS statt.
Suizidraten bei älteren Männern deutlich höher
„Der Suizid trägt die Handschrift des Alters. Die höchsten Suizidraten haben die über 65-Jährigen“, heißt es in der Einladung zur Jahrestagung der DGS.
Nach Angaben der DGS werden 35 Prozent der Selbsttötungen von über 65-Jährigen verübt. Die Altersgruppe macht demnach einen Anteil von 21 Prozent an der Gesamtbevölkerung aus.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge setzten im Jahr 2015 insgesamt 1.065 Frauen und 2.715 Männer über 65 Jahren ihrem Leben ein Ende.
„Die Suizidraten der hochbetagten Männer sind bis zu fünfmal höher als der Durchschnitt der Normalbevölkerung“, erklärte Tagungsleiter Lindner gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Pro Jahr nehmen sich von 100.000 Menschen zwölf das Leben, bei den Männern über 80 Jahren sind es rund 60.
Psychotherapeutische Angebote besser bezahlen
Laut den Experten habe sich an dieser Entwicklung in den vergangenen Jahren nichts geändert. Lindner meinte jedoch in der dpa-Meldung: „Das ist etwas, was wir nicht hinnehmen können.“
Der Experte forderte eine psychotherapeutische Fortbildung für Mitarbeiter in altersmedizinischen Einrichtungen.
Den Angaben zufolge zeigten Studien, dass Patienten über ihre Nöte und Depressionen eher und offener mit geschulten Mitarbeitern sprächen. Auch die unscheinbaren Signale der Patienten müssten erkannt werden.
Nach Ansicht von Lindner sollten psychotherapeutische Angebote zudem besser bezahlt werden.
Vereinsamte und alkoholabhängige Senioren besonders gefährdet
Laut Lindner seien hochbetagte Männer auch deshalb besonders gefährdet, da sie nicht den Weg in helfende Strukturen fänden.
„Wenn sie darüber nachdenken, ihrem Leben ein Ende zu setzen, sind gerade die alten Männer eine Gruppe, die kaum Hilfe sucht. Die gehen noch nicht einmal zum Hausarzt“, so der Alterspsychotherapeut laut dpa.
Nach Angaben der DGS ist das Risiko besonders groß, wenn die Senioren vereinsamt sind oder auch alkoholabhängig.
Und Betroffenen fällt es laut der DGS nicht selten auch während der Behandlung einer Erkrankung, wie einer Depression schwer über ihre Suizidgedanken mit ihrem Arzt oder Therapeuten zu sprechen.
Aus Studien ist demnach bekannt, das Menschen vor einem vollendeten Suizid viel häufiger als üblich einen Arzt aufgesucht haben, die Suizidgefährdung aber nicht erkannt wurde.
„Häufig besteht die Angst darin, nicht ernst genommen zu werden, soziale Kontakte zu verlieren, als psychisch krank bezeichnet zu werden und vor Autonomieverlust durch zwangsweise Behandlung“, schreibt die DGS.
Maßnahmen zur Suizidprävention
Der Altersmediziner kritisierte auch die öffentliche Diskussion um Sterbehilfe. „Die Not der Menschen, die assistiert Suizid begehen wollen, sollte uns als Helfer wirklich alarmieren“, meinte Lindner.
Er plädierte laut der Presseagentur dafür, von einer „flachen Diskussion eines Freiheitsbegriffs“ wegzukommen und vielmehr zu erörtern, wie es Menschen eigentlich gehe, „die so verzweifelt sind, dass sie auch im hohen Alter keine andere Idee haben, als ihrem Leben ein Ende zu setzen“.
Die Hilfe könne schon in einfachen Dingen bestehen, beispielsweise in sogenannter Awareness (engl. für „Bewusstsein“ bzw. „Gewahrsein“).
In der Klinik, in der Lindner arbeitet, dem Albertinen-Haus in Hamburg, sei es üblich, Patienten mit Selbstmordneigung nach ihrer Entlassung in regelmäßigen Abständen wieder anzurufen.
Er selbst mache dies nach eigenen Angaben auch und könne dabei zum Beispiel noch eine Therapie vermitteln oder dem Patienten anderweitig helfen. „Keiner der Angerufenen hat bisher aufgelegt“, so der Oberarzt.
Neben den jeweiligen Behandlungsmöglichkeiten von gefährdeten Menschen gibt es noch weitere Maßnahmen, die dazu beitragen können, Suizide zu verhindern.
„Eines der wirksamsten Mittel ist – soweit überhaupt möglich – die Einschränkung der Verfügbarkeit von Suizidmethoden (z.B. Waffen, Medikamente, Chemikalien, Absicherung von Bauwerken)“, so die DGS.
Nicht zuletzt gehe es aber auch darum, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in welchem die Suizidproblematik wahr- und ernst genommen wird. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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