Gefühlte Armut mit stärkerem Einfluss auf die Gesundheit
21.02.2014
Seit langem ist bekannt, dass arme Menschen häufiger krank werden und eher sterben. Als Gründe hierfür werden zum Beispiel Defizite bei der Ernährung und der medizinischen Versorgung genannt. Das Forscherteam um Maja Adena vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Michal Myck vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und dem Center for Economic Analysis in Stettin hat nun untersucht, welche Zusammenhänge zwischen der gefühlten Armut und der Gesundheit bestehen.
In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler die Auswirkungen der subjektiven Armut auf die Gesundheit bei Menschen der Altersgruppe über 50 Jahre in Deutschland und elf weiteren europäischen Ländern. Basis waren die Daten der repräsentativen Bevölkerungsbefragung „Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE)“ aus den Jahren 2006 bis 2012. Die Auswertung habe ergeben, dass das subjektive Armutsempfinden eine äußerst weitreichende Wirkung auf die Gesundheit der Probanden entfaltet, während tatsächliche Einkommensunterschiede hier offenbar kaum eine Rolle spielten, berichtet das WZB.
Relatives Vermögen und subjektive Armut mit Auswirkungen auf die Gesundheit
Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher drei verschiedene Formen der Armut unterschieden (nach Einkommen, nach Vermögen und nach subjektiver Einschätzung) und deren Auswirkungen auf die Gesundheit analysiert. Armut nach relativem Einkommen, ist zwar die geläufigste Definition, doch bestand hier laut Aussage der Forscher überraschenderweise kein Zusammenhang mit der Gesundheit oder der Lebenserwartung. „Bei weiter gefassten Definitionen von Armut, wie der subjektiven Armut oder einem niedrigen relativen Vermögen, erhöht sich hingegen die Wahrscheinlichkeit, einen schlechteren Gesundheitszustand zu erreichen und die Genesungswahrscheinlichkeit im analysierten Zeitraum reduziert sich“, schreiben Maja Adena und Michal Myck. Zudem hätten die Untersuchungen ergeben, „dass das subjektive Armutsempfinden die Sterblichkeitsrate signifikant erhöht.“
Erhöhtes Sterberisiko bei gefühlter Armut
Die Auswertung der Daten ergab, dass ältere Menschen, die sich selbst als arm einschätzen, deutlich häufiger (38 Prozent) erkranken und eher einen gesundheitlichen Rückschlag (48 Prozent) erleiden, berichtet das Forscherteam um Adena und Myck. Des Weiteren war bei ihnen auch die Wahrscheinlichkeit, früher zu sterben, deutlich erhöht – „bei Männern dieser Altersgruppe um 40 Prozent“, so die Mitteilung des WZB. Das Einkommen der Probanden hatte laut Aussage der Forscher zwar kaum Einfluss darauf, wie gesund oder krank Menschen in der untersuchten Altersgruppe waren. Doch bei der Armut nach relativem Vermögen stellten die Wissenschaftler fest, dass Menschen im Alter über 50 Jahre, die kaum oder wenig Vermögen haben, deutlich häufiger erkranken und sich nach einer Krankheit langsamer erholen.
Neue Armutsdefinitionen erforderlich
Insgesamt seien im Rahmen der Studie kaum Überschneidungen zwischen den verschiedenen Formen der Armut festzustellen gewesen, berichten Adena und Myck weiter. „Nur acht Prozent der Befragten gelten nach allen drei Definitionen (Einkommen, Vermögen, subjektive Einschätzung) als arm.“ Die Studie verdeutliche, dass Armut vielfältige Ausprägungen hat. Hier spiele das subjektive Armutsempfinden tatsächlich eine deutlich größere Rolle, als in der Fachwelt bislang angenommen. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass es künftig einer weiter gefassten Armutsdefinitionen bedürfe, um beispielsweise Altersarmut und ihre Folgen abbilden zu können. Zur Messung von Armut sollte dabei keineswegs nur das Einkommen herangezogen werden. (fp)
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