Zusammensetzung der Darmflora mit maßgeblichem Einfluss auf das Körpergewicht
Wenn sich bei Mäusen infolge von Kälteeinfluss die Zusammensetzung der Darmbakterien ändert, führt dies offenbar dazu, dass die Tiere an Gewicht verlieren. Zu diesem interessanten Ergebnis sind nun Wissenschaftler der Universität Genf gekommen. Wie die Forscher im Fachblatt „Cell“ schreiben, könnten die Erkenntnisse möglicherweise helfen, neue Therapien gegen Übergewicht und Adipositas zu entwickeln.
Genfer Forscher zeigen in Mäuseexperimenten Auswirkungen von Kälte
Können Darmbakterien beim Abnehmen helfen? Was zunächst etwas komisch klingt, könnte laut einer Studie der Universität Genf tatsächlich möglich sein. Denn die Forscher um Mirko Trajkovski fanden durch ein Experiment mit Mäusen heraus, dass die Zusammensetzung dieser Bakterien dafür verantwortlich ist, dass die Tiere bei Kälte mehr Fett verbrannten und in der Folge an Gewicht verloren. Wie die Universität Genf berichtet, hatten die Wissenschaftler die Mäuse einer Temperatur von nur sechs Grad Celsius ausgesetzt und anschließend die körperlichen Auswirkungen untersucht. Es zeigte sich, dass bei kalten Temperaturen andere Bakterienarten im Vordergrund standen als bei normaler Raumtemperatur und einige Darmkeime wie z.B. das so genannte „Akkermansia muciniphila“ sogar kaum noch vorhanden waren.
Transplantierte Bakterien führen zu Kälteresistenz
Im nächsten Schritt übertrugen die Forscher die „Kälte-Bakterien“ auf Mäuse, die in einer komplett sterilen Umgebung gezüchtet worden waren und dementsprechend keine eigene Darmflora besaßen. Die keimfreien Mäuse wurden daraufhin resistent gegen Kälte, ihre Körpertemperatur sank nicht ab, so als ob die transplantierten Bakterien auch diesen Anpassungsmechanismus veränderten, so die Forscher in der Mitteilung der Uni. Darüber hinaus zeigten die transplantierten Mäusen ein allgemein besseres metabolisches Profil mit einer größeren Sensibilität für Insulin und vermehrtem beigen Fettgewebe. Dieses entwickelt sich bei Kälte aus weißem Fett, verbrennt aber wie braune Fettzellen Kalorien, um Wärme zu erzeugen. „Das weist nach, dass die Darmbakterien als Anpassung auf veränderte Umgebungsbedingungen direkt die Energiebilanz regulieren”, so Trajkovski gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
Die Forscher erkannten auch, dass die Bakterien bei länger anhaltender Kälte sogar die Gestalt des Darms veränderten. „Wir waren erstaunt festzustellen, dass die Veränderungen in der Mikroflora während der Kälteeinwirkung tatsächlich eine Vergrößerung des Darms sowie längere Mikrovilli begünstigte“, so die Forscher in der Mitteilung der Universität. Bei den so genannten „Mikrovilli“ handelt es sich um kleine, meist unverzweigte Ausstülpungen in den Zellwänden, welche die Oberfläche des Darms vergrößern und dementsprechend die Nährstoffaufnahme aus der aufgenommen Nahrung erhöhen. Dies konnte erklären, warum die Mäuse nur bis zu einem bestimmten Punkt an Gewicht verloren.
Veränderungen der Darmgestalt vom Bakterium Akkermansia muciniphila abhängig
Auch die Veränderungen der Darmgestalt konnten nach einer Transplantation der Darmbakterien ebenfalls bei anderen Tieren festgestellt werden – allerdings nur, sofern keine Akkermansia muciniphila-Bakterien mehr vorhanden waren. Wurde den Mäusen in der kalten Umgebung das Bakterium jedoch verabreicht, nahmen sie weiter ab. Im nächsten Schritt müsse daher nun laut der Mitteilung der Universität Genf die Akkermansia muciniphila näher untersucht werden.
Wenn es sich als eine zulässige Anti-Adipositas-Strategie beweise, könnte dies eine Tür zu völlig neuen Behandlungsmöglichkeiten öffnen, so die Meldung weiter. Demnach würde die Entdeckung der Forscher sogar über das Potential als Anti-Adipositas-Behandlung hinaus gehen: „Der Darm ist auch unser größtes endokrines Gewebe, das viele Hormone absondert, welche wiederum in verschiedenen Bereichen unseres Körpers aktiv sind. Die Veränderung der Darmmorphologie könnte eine der Möglichkeiten sein, durch welche Mikrobiota auf alle anderen Organen einwirken könnten, einschließlich unserem Gehirn”, resümiert Professor Trajkovski. (nr)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.