Wie Ernährung Hirngewebe vor dem Untergang bewahren kann
23.05.2014
Dass sogenannte Ketonkörper das Hirngewebe schützen, ist in Fachkreisen bereits bekannt. Welche Mechanismen aber dieser Schutzfunktion zugrunde liegen, konnten Forscher bisher nicht entschlüsseln. Wissenschaftler des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität zu Lübeck und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein gelang es nun, erste Erkenntnisse über den Wirkmechanismus der Ketonkörper zu gewinnen. Demnach kann sich eine bestimmte Ernährungsform positiv auf das Gehirn auswirken.
Fett wird in Ketonkörper umgewandelt
Gerät der Körper in einen Hungerzustand werden in der Leber Fette in sogenannte Ketonkörper umgewandelt, die das Gehirn schützen sollen. Deshalb wird Patienten mit neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie dazu geraten, eine ketogene Diät zu halten. Dabei besteht die Nahrung vor allen aus Fetten, auf Kohlenhydrate und Proteine soll dagegen weitgehend verzichtet werden. Durch diese Ernährungsweise wird der Körper in jenen Hungerzustand versetzt, der die Fettverbrennung beziehungsweise -umwandlung anstößt. Das Fett stammt dabei entweder aus körpereigenen Depots oder der fettreichen Nahrung.
Während die ketogene Diät, zu der auch „Low Carb“- Diäten wie Atkinson gehören, bereits seit Jahrzehnten bei Epilepsie-Patienten eingesetzt wird, laufen derzeit Tests bei der Behandlung von Alzheimer und anderer eurodegenerativer Erkrankungen. Bislang war jedoch nicht bekannt, wie die Ketonkörper das Gehirn schützen. Eine Forschergruppe um Professor Markus Schwaninger, Direktor des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie in Lübeck konnte nun den Wirkmechanismus der umgewandelten Fettsäuren in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein entschlüsseln.
Ketonkörper aktivieren Schutzfunktion im Gehirn
Den Forschern zufolge beeinflussen die ketogene Diät und die Ketonkörper Entzündungszellen, die sogenannten Monozyten und Makrophagen, im Gehirn. Diese Entzündungszellen stehen im Zusammenhang mit der Entstehung von neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Schlaganfälle, da sie mit dem Absterben von Nervenzellen im Gehirn in Verbindung gebracht werden. Die Ketonkörper binden sich an den Rezeptor HCA2, der sich auf den Entzündungszellen befindet „Ketonkörper instruieren durch HCA2 Entzündungszellen, das Gehirn zu schützen“, erläutert Schwaninger.
Ein großer Nachteil der ketogenen Diät ist ihr hoher Fettanteil, den die meisten Patienten als unangenehm empfinden. Die Lübecker Forscher könnten für diese Patienten eine „ketogene Diät in Tablettenform“ gefunden haben. Bei ihren Untersuchungen stießen sie auf Nikotinsäure, die wie die Ketonkörper durch HCA2 eine schützende Wirkung auf das Gehirn hat. Nikotinsäure wird bisher vor allem zur Senkung zu hoher Cholesterinwerte eingesetzt. Bereits in den 50er Jahren verwendete man Nikotinsäure zudem bei akutem Schlaganfall, da die Mediziner damals davon ausgingen, dass das Mittel eine Gefäßerweiterung im Gehirn bewirkt. Später stellte sich jedoch heraus, dass dieser Effekt nur auf der Haut zutrifft. „Auch wenn Nikotinsäure nicht die Durchblutung des Gehirns steigert, hat es doch einen Effekt beim Schlaganfall und möglicherweise auch bei anderen neurologischen Erkrankungen“, so Schwaninger. Weitere Untersuchen der Lübecker zeigten, wie die Aktivierung von HCA2 das Hirngewebe schützt. „Wir vermuten, dass entzündungshemmende Faktoren gebildet werden, aber die genaue Identifizierung dieser Faktoren steht noch aus.“
Die Forscher wollen zukünftig weitere Substanzen testen, die an HCA2 andocken und zum Schutz des Gehirn beitragen. Dabei soll ein wirksamer Stoff mit geringeren Nebenwirkungen gefunden werden. Angesichts einer zunehmenden Zahl von Patienten mit Schlaganfall oder Alzheimer, seien dringend „neue therapeutische Ansätze“ notwendig, heißt es in einer Mitteilung des Uniklinikums. (ag)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.