Kinder autoritärer Eltern orientieren sich eher an Gleichaltrigen
Kinder von sehr strengen Elten haben offenbar häufiger Probleme in der Schule. Zu diesem Ergebnis sind US-amerikanische Wissenschaftler gekommen, nachdem sie die Daten von mehr als tausend Teilnehmern einer Langzeitstudie ausgewertet haben. Demnach würden sich Heranwachsende aus autoritären Elternhäusern nicht vorrangig an ihren Eltern, sondern eher an den Freunden orientieren und mit diesen mehr Zeit verbringen als mit Schulangelegenheiten. Ihre Ergebnisse haben die Forscher im Fachmagazin “Child Development“ veröffentlicht.
Bessere Leistungen durch liebevolles Eltern-Kind-Verhältnis
Herrscht zu Hause eine „strenge Hand, können sich die Kinder auch in der Schule leichter an Regeln halten und bessere Leistungen erbringen – dieser Annahme folgen vermutlich viele Eltern, die einen autoritären Erziehungsstil befürworten. Doch stimmt diese Annahme tatsächlich? Forscher um Rochelle Hentges von der Universität Pittsburgh (USA) haben untersucht, welche Auswirkungen eine besonders strenge Erziehung hat und dabei entdeckt, dass oft genau das Gegenteil der Fall ist.
Demnach führe ein autoritäres Verhalten der Eltern nicht zu besseren Leistungen, sondern in vielen Fällen sogar zu einem besonders schlechten Abschneiden im Vergleich zu Kindern von weniger strikten Eltern, berichtet die „Society for Research in Child Development“ (SRCD) in einer aktuellen Pressemitteilung.
Forscher werten Daten von mehr als 1000 Kindern und Jugendlichen aus
Die Forscher hatten für ihr Projekt die Daten von 1.060 Teilnehmern der Langzeitstudie “Maryland Adolescent Development in Context” (MADICS) verwendet. Die Auswertung konzentrierte sich auf den Einfluss sozialer Bedingungen auf die akademische und psychosoziale Entwicklung junger Menschen zwischen dem zwölften und 21. Lebensjahr. Die Wissenschaftler dokumentierten den höchsten erreichten Schulabschluss der Probanden und ob bzw. in welcher Form diese Opfer verbaler oder körperlicher Attacken durch ihre Eltern geworden waren. Weiterhin wurden Daten zu Kontakten mit Gleichaltrigen, kriminellem Verhalten und Sexualität erfasst.
Betroffene Kinder verstoßen häufiger gegen Regeln
Es wurde deutlich, dass sich Kinder die mit „Härte“ erzogen wurden, stärker an Freunden als an ihren Eltern orientierten und vergleichsweise häufiger gegen Regeln verstießen, um die Freundschaften aufrecht zu erhalten. Als „hart“ wurden dabei Maßnahmen und Verhaltensweisen wie Anschreien, Schlagen und verbalen oder körperlichen Bedrohungen als ein Mittel der Bestrafung definiert.
Kinder, die in der siebten Klasse einen strikten und aggressiven Erziehungsstil erlebt hatten, waren demnach zwei Jahre später eher geneigt zu sagen, dass ihre Peergroup wichtiger ist als andere Verantwortlichkeiten wie zum Beispiel die Regeln der Eltern. Dies führte wiederum zu einem riskanteren Verhalten in der 11. Klasse,
einschließlich eines häufigen frühen sexuellen Verhaltens bei den jungen Frauen und größerer Delinquenz (z.B. Schlagen, Stehlen) bei den jungen Männern. Diese Verhaltensweisen hatten schließlich schlechtere schulische Leistungen sowie ein früheres Verlassen von High School oder College zur Folge.
„Jugendliche, deren Bedürfnisse nicht durch ihre wichtigsten Bezugspersonen erfüllt werden, können die Bestätigung bei Gleichaltrigen suchen”, so Hentges laut der Pressemitteilung. „Dies kann das Hinwenden zu Peers auf ungesunde Weise einschließen und zu einer erhöhten Aggression und Kriminalität sowie frühem Sexualverhalten führen – auf Kosten von langfristigen Zielen wie einem höheren Bildungsabschluss“, erklärt die Expertin weiter.
Für viele Kinder ist Gewalt zu Hause Alltag
Die Ergebnisse der US-Kollegen seien aus Sicht des Erziehungswissenschaftlers Prof. Dr. Holger Ziegler von der Uni Bielefeld keine Überraschung. Vielmehr würden sie bestätigen, dass “sich Beschimpfungen und Körperstrafen nicht gedeihlich auf die Entwicklung junger Menschen auswirken”, so der Experte gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Bereits der „kleine Klaps“ auf den Po schadet der Kindererziehung, zeigte beispielsweise kürzlich eine Untersuchung der University of Texas und der University of Michigan.
Ziegler war zwar an dem aktuellen Projekt selbst nicht beteiligt, hatte aber vor wenigen Jahren mit der „Gewaltstudie 2013“ aufgezeigt, dass Gewalt durch die Eltern hierzulande für viele Heranwachsende weiterhin erschreckender Alltag ist. Demnach wird fast ein Viertel (22,3%) der Kinder und Jugendlichen von Erwachsenen oft oder manchmal geschlagen – obwohl es seit dem Jahr 2000 ein gesetzlich verankertes Recht auf eine gewaltfreie Erziehung gibt.
Betroffene Kinder müssen gezielt unterstützt werden
Die US-Wissenschaftler hoffen nun, dass ihre Ergebnisse in Präventions- und Interventionsprogramme einfließen, durch welche das Engagement der Schüler sowie die Abschlussraten erhöht werden könnten. „Da Kinder, die einer harten und aggressiven Erziehung ausgesetzt sind, anfällig für ein geringeres Bildungsniveau sind, sollten sie zum Ziel passender Interventionen werden”, so der Co-Autor der Studie, Ming-Te Wang. (nr)
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