Studie zu Zivilisationskrankheiten: Körperformen spielen eine wesentliche Rolle
Über Jahre hinweg haben Forscher in Leipzig das Ausmaß von Zivilisationskrankheiten untersucht. Bei manchen Körperformen besteht ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten. Die Wissenschaftler unterscheiden nicht nur in die bekannte Apfel- und Birnenform, sondern insgesamt in 17 verschiedene Körperformen.
Volkskrankheiten auf der Spur
Im Jahr 2010 starteten Wissenschaftler des interdisziplinären Forschungsverbunds LIFE (Leipziger Interdisziplinärer Forschungskomplex zu molekularen Ursachen umwelt- und lebensstilassoziierter Erkrankungen) ein Langzeitprojekt, um Volkskrankheiten wie Adipositas oder Diabetes auf den Grund zu gehen. Während sie jahrelang den Volkskrankheiten auf der Spur waren, stellten sie unter anderem fest, dass die bislang gängige Einteilung in Birnen- oder Apfelform nicht ausreicht. Die Wissenschaftler teilten die Studienteilnehmer in insgesamt 17 verschiedene Körperformen ein.
Einteilung in Apfel- und Birneneform reicht nicht aus
Schon seit längerem bekannt ist, dass Männer Fetteinlagerungen vor allem im Bauchbereich bilden und damit eher zum Verteilungstyp Apfel zählen, während Frauen eher ein birnenförmiges Verteilungsgmuster zeigen und demnach an Oberschenkeln und Po vermehrt Fettpolster ansetzen. Doch es gibt dabei nicht nur Ausnahmen, sondern auch noch weitere Kategorisierungen, etwa die sogenannten Chillies: beneidenswerte Menschen, die scheinbar nie ein Gramm Fett ansetzten. In einem aktuellen Beitrag berichtet die „Welt“ online über das Projekt des Leipziger Forschungszentrums für Zivilisationserkrankungen, bei dem insgesamt 10.000 Menschen aus der Region Leipzig – unter anderem im Hinblick auf ihre Körperform – untersucht wurden.
Mit der 3D-Bodyscan-Technik wurde in LIFE eine neue Methode eingesetzt, um Körperformen und Fettverteilung zu erfassen. „Es reicht nicht aus, die Menschen nur nach Apfel- und Birnenform zu unterscheiden“, meinte Henry Löffler-Wirth, der die Daten ausgewertet hat. „Insgesamt haben wir 17 verschiedene Körperformen bei unseren Leipziger Teilnehmern unterscheiden können.“
Wo Menschen Fett ansetzen
Acht der 17 Formen beschreiben übergewichtige Menschen mit einem Body-Mass-Index, der oberhalb von 25 liegt. Die verschiedenen Formen wurden in männliche, weibliche und vier weitere Kategorien eingeteilt. Wie Löffler-Wirth erklärte, handelt es sich bei den nicht geschlechtsspezifischen Formen um zwei androgyne Muster und zwei, bei denen das Übergewicht so groß ist, dass sich Mann und Frau nicht mehr unterscheiden lassen. Maßgeblich sei insbesondere, wo genau die Menschen Fett ansetzen. „Manche legen besonders am Bauch zu, andere haben die Polster im Po. Aber es gibt auch welche, die haben besonders dicke Arme und keinen Hals mehr“, so der Wissenschaftler. Zwar könne man den unterschiedlichen Formen Namen geben, die auf das besonders ausgeprägte Merkmal hinweisen, doch: „Erstens ist es kompliziert, das immer ganz genau festzulegen und zweitens wäre das auch wieder viel zu simpel. Es spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle.“
Frühzeichen bestimmter Erkrankungen
Es sollen verschiedene Untersuchungen folgen. So interessieren sich die Forscher für die Zusammenhänge zwischen der Körperform und Faktoren wie Bewegungsdaten, Ernährungsgewohnheiten, Sozialstatus oder Hormonstatus der Probanden. „Eine unserer Doktorandinnen möchte gern untersuchen, welche Zusammenhänge es da gibt“, sagte Löffler-Wirth: Wird Fettleibigkeit (Adipositas) durch bestimmte Hormone beeinflusst – oder ist es umgekehrt? Die Wissenschaftler hoffen, mit der neuen Einteilung am Ende Frühzeichen bestimmter Erkrankungen zu erkennen und Risikofaktoren besser abschätzen zu können. Auch die Aufklärung genetischer Mechanismen sei dafür entscheidend.
Im Rahmen des Projekts wurden in den vergangenen Jahren aufwendige Genanalysen durchgeführt. Dabei wurden sechs neue genetische Varianten entdeckt, die offenbar den Energiestoffwechsel beeinflussen. „Dies eröffnet perspektivisch Therapieansätze zur Behandlung von stoffwechselassoziierten Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes oder Herzerkrankungen“, erklärte Markus Scholz, Professor für genetische Statistik.
Frauen sprechen tiefer als angenommen
Die Forscher interessierten sich bei ihren Untersuchungen aber nicht nur für die verschiedenen Körperformen. Im Laufe der Jahre hatten die Leipziger Wissenschaftler immer wieder Zwischenberichte ihrer Studie bekannt gegeben. So wiesen sie im vorletzten Jahr darauf hin, dass es immer öfter zu psychischen Problemen und Depressionen bei Kindern kommt. Auch zur Stimmhöhe der Menschen wurden neue Erkenntnisse gewonnen. So haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass Frauen tiefer sprechen als bisher angenommen. „In der Fachliteratur ist bislang ausgewiesen, dass Frauen etwa eine Oktave höher sprechen als Männer“, erläuterte Christoph Engel vom Leipziger Institut für medizinische Informatik und Statistik.
Doch wie die Auswertung der Daten von 2.500 Probanden ergab, setzen Frauen ihre Stimme viel tiefer ein: „Statt einer ganzen Oktave liegt die Frauenstimme nur noch etwa eine Quinte – also die Hälfte des Wertes – über der Männerstimme“, so Prof. Dr. Michael Fuchs laut einer Mitteilung der Universität Leipzig. „Wir konnten damit weltweit erstmals bei einer so großen Gruppe die Normwerte von Stimmen ermitteln“, sagte Engel. Allerdings müsse noch erforscht werden, ob Frauen ihre Stimme bewusst tiefer legen oder ob es hormonelle Ursachen gibt. Laut den Wissenschaftlern sind die Werte in jedem Fall wichtige Parameter für die klinische Bewertung von Stimmstörungen. Die LIFE-Studie, die Ende 2014 zu Ende ging, soll die Basis für weitere Untersuchungen sein, die im Herbst 2016 beginnen. (ad)
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