Niemand spricht gern über Stuhlinkontinenz
30.09.2014
Laut Schätzungen können rund fünf Millionen Menschen in Deutschland die Ausscheidung ihres Stuhls nicht bewusst kontrollieren. Die Ursache dafür kann mitunter ein Schlaganfall, Morbus Alzheimer oder eine Beckenbodenschwäche sein. Niemand spricht gern über seine Stuhlinkontinenz und hält sie geheim. Dabei gibt es Therapien, mit denen die Beschwerden gelindert werden können.
Viele Betroffene halten ihr Leiden geheim
Nach Schätzungen können rund fünf Millionen Menschen in Deutschland die Ausscheidung ihres Stuhls nicht bewusst kontrollieren. Ursache dafür kann eine Störung der Impulsverarbeitung, etwa in Folge von einem Schlaganfall oder einer Morbus Alzheimer-Erkrankung sein. Auch eine Beckenbodenschwäche kann der Auslöser dafür sein. Meist schämen sich Betroffene und versuchen, ihr Leiden geheim zu halten. Dabei würde es wirksame Therapien geben, mit denen Ärzte Stuhlinkontinenz behandeln und die Beschwerden lindern können, wie die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) mitteilte.
Offenes Gespräch mit dem Hausarzt
„Stuhlinkontinenz darf kein Tabuthema sein“, meint DGVS-Beirat Professor Dr. med. Peter Layer, Hamburg. „Für die meisten Patienten gibt es langfristig wirksame Hilfen.“ Ein offenes Gespräch mit dem Hausarzt sei dabei der erste Schritt. Wenn nötig, stellt dieser eine Überweisung an einen Gastroenterologen aus. Mit Hilfe einer Endoskopie oder Ultraschall kann der Magen-Darm-Spezialist dann feststellen, ob eine chronische Darmerkrankung vorliegt und den Schließmuskel untersuchen. Er entscheidet anhand der Ergebnisse, welche Therapie für den Patienten in Frage kommt. „Eine häufige Ursache ist beispielsweise eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur, also jener Muskelgruppe, die die Ausgänge von Blase und Darm dicht hält“, so der Experte.
Funktion des Schließmuskels beeinträchtigt
Die Funktion des Schließmuskels könne zudem auch infolge von Verletzungen durch Geburten oder Operationen beeinträchtigt werden. Prof. Layer fügte hinzu: „Bei Menschen mit Diabetes mellitus oder bei Schlaganfallpatienten kann die Nervenwahrnehmung am Darmausgang auch derart abgeschwächt sein, dass der Patient den Stuhldrang nicht mehr bemerkt.“ Jedem vierten Betroffenen helfe es bereits, sich anders zu ernähren. „Eine ballaststoffreiche Ernährung erhöht Volumen und Konsistenz des Stuhls, so dass dieser nicht mehr so leicht austreten kann“, erläuterte Prof. Layer. Auch Medikamente, die den Stuhl fester machen oder die Darmaktivität verringern, können dabei unterstützend wirken.
Beckenbodenmuskulatur stärken
Beckenboden und Schließmuskel lassen sich langfristig mit gymnastischen Übungen trainieren. Die Beckenbodenmuskulatur zu stärken ist außerdem eine oft empfohlene Methode für Patienten, die an Harninkontinenz leiden oder Probleme wie häufiges Wasserlassen/Urinieren haben. Der Trainingseffekt kann zudem durch das sogenannte Biofeedback verstärkt werden. Dabei führt der Arzt eine Sonde durch den After ein, welche die Spannung in der Beckenbodenmuskulatur misst. Das Ergebnis kann der Patient auf einer Skala ablesen. „Patienten, bekommen so ein besseres Gespür für ihre Muskulatur“, so Prof. Layer. „Fast 80 Prozent der Behandelten lernen den Schließmuskel wieder zu kontrollieren.“
Chirurgische Verfahren
Auch wenn Experten zufolge rund zwei Drittel aller Fälle von Stuhlinkontinenz ohne Operationen geheilt werden können, stehen auch chirurgische Verfahren zur Verfügung, wenn die konservative Therapie nicht weiter hilft. „Wenn beispielsweise ein Dammriss vorliegt, kann ein Chirurg den defekten Schließmuskel operativ korrigieren“, erklärte Prof. Layer. Die sakrale Nervenstimulation bietet eine weiter Möglichkeit. Dabei baut der Chirurg Elektroden am Darmausgang ein, welche den Schließmuskel stimulieren. Der Patient kann diese Elektroden mit einer kleinen Fernbedienung selbst steuern, wenn ein Toilettengang ansteht.
Besonders Ältere sind die Leidtragenden
Auch wenn Stuhlinkontinenz Menschen in jedem Alter treffen kann, so sind besonders häufig Ältere die Leidtragenden. Eine Erhebung aus den USA kommt zu dem Ergebnis, dass über 15 Prozent der über 70-Jährigen unter Stuhlinkontinenz leiden. Entweder merken Betroffene den Stuhldrang gar nicht oder sie können den Stuhl nicht lange genug halten, um die Toilette zu erreichen. Frauen sind wesentlich öfter betroffen als Männer. Zusätzlich zu dem Hauptproblem kommt hinzu, dass Betroffene aus Scham nicht darüber reden und versuchen, allein mit der Situation zurechtzukommen, was zur Folge hat, dass sich sich immer mehr zurückziehen und vereinsamen. Zudem wird das Problem häufig als „Durchfall“ bezeichnet und daher fehlbehandelt. Deshalb rät die DGVS auch Angehörigen das Problem anzusprechen und die Betroffenen auf die Möglichkeit medizinischer Hilfe hinzuweisen. (ad)
Bild: Benjamin Klack / pixelio.de
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