Der Darm ist bis heute das am Wenigsten erforschte Organ des Menschen. Und trotzdem beherbergt er eine überaus wichtige Darmflora, ohne die nichts mehr funktionieren würde. Siedeln sich jedoch gefährliche Bakterien an, kann es zu massiven Durchfällen kommen. Ein Beispiel dafür ist der Keim Clostridium difficile. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine sogenannte Stuhltransplantation helfen kann, die Darmflora wieder ins Gleichgewicht zu führen. Der Stuhl stammt dabei von gesunden Spendern.
An der Uniklinik Köln ist Infektiologen der Klinik I für Innere Medizin nun die erste erfolgreiche Darmfloraübertragung mit Hilfe von Kapseln gelungen. Zwei Patienten, die infolge einer Clostridium difficile Infektion unter schwerem Durchfall litten, wurden an der Uniklinik Köln „mit Hilfe von verkapselten Bakterien einer gesunden Darmflora“ erfolgreich behandelt, so die Mitteilung der Uniklinik. Das Verfahren eröffne in der Behandlung entsprechender Infektionen gänzlich neue Optionen. Bislang sei für die Stuhltransplantation stets eine Darmspiegelung erforderlich gewesen, auf die nun dank der Kapseln verzichtet werden kann.
Stuhltransplantation ohne Darmspiegelung
Seit über einem Jahr bietet die Uniklinik Köln nach eigenen Angaben bereits Stuhltransplantationen an. „Um die intakte Darmflora zu übertragen, war bisher allerdings immer eine Darmspiegelung notwendig“, so die Mitteilung des Klinikums. Hierfür musste am Vortag der Transplantation zunächst per Endoskop eine Sonde in den oberen Dünndarm gelegt werden und am Folgetag wurde dann die Flora eines geeigneten Spenders möglichst rasch verarbeitet und verabreicht. „Die genaue zeitliche Abstimmung dieser Abläufe ist nicht immer einfach, zumal sich gerade das Timing der Darmfloraspende natürlich nur schwer beeinflussen lässt“, erläutert die Privatdozentin Dr. Maria Vehreschild. Zudem seien manche Patienten „in einem so schlechten Zustand, dass das Legen der Sonde in Kurznarkose für sie ein gewisses Behandlungsrisiko darstellt.“
Spender für Stuhltransplantationen werden umfassend untersucht
Dank der neuen Verabreichung in Kapselform lasen sich die herkömmlichen Probleme bei der Stuhltransplantation laut Mitteilung der Uniklinik Köln nun umgehen. Mit Hilfe der einfrierbaren Kapseln kann die Behandlung deutlich einfacher und sicherer geplant durchgeführt werden, berichtet die Uniklinik. Zur Herstellung der Kapseln müsse allerdings zunächst ein passender Darmfloraspender gefunden werden, wobei sowohl verwandte Spender als auch Fremde in Frage kommen. Vorab werden die Spender auf ein breites Spektrum an Infektionen getestet – ähnlich wie bei einer Blutspende, berichtet Dr. Maria Vehreschild. „So beugen wir einer eventuellen Ansteckung im Rahmen der Transplantation vor“, erläutert die Expertin weiter.
Ambulante Stuhltransplantationen möglich?
Im Rahmen der Verarbeitung wird die gespendete Darmflora mit Kochsalzlösung verdünnt und anschließend werden die Bakterien der Flora über ein mehrstufiges Filterverfahren isoliert. Es folgen verschiedene Zentrifugationsschritte, bevor die Bakterien in Kapseln abgefüllt werden, so die Mitteilung der Uniklinik. Die Kapseln können im Zweifelsfall auch eingefroren werden, wobei die Zugabe von Glycerol das Absterben der Bakterien während des Gefrierprozesses verhindern und ein rasches Auftauen innerhalb weniger Minuten vor der Einnahme ermöglichen soll. So können die Kapseln über mehrere Monate gelagert werden. Letztlich seien mit Hilfe der Kapseln sogar ambulante Behandlungen denkbar, erklärt Dr. Maria Vehreschild. „Die Möglichkeit der Darmfloraübertragung auf Basis gefrorener Kapseln bietet uns und unseren Patienten eine ganz neue zeitliche Flexibilität und Sicherheit in der Planung und Umsetzung von Darmfloraübertragungen“, so das Fazit der Medizinerin.
Eine amerikanische Forschergruppe hatte vergangenes Jahr bereits das Verfahren der Stuhltransplantation auf Basis von Kapseln beschrieben, doch konnten Patienten in Deutschland bisher nicht von dieser Behandlungsoption profitieren, da sie von deutschen Kliniken nicht angeboten wurde, berichtet die Uniklinik Köln.
Übergewicht nach Fäkalientransplantation
Eine Patientin in den USA, die immer wieder unter Durchfall litt, bekommt nach zahlreichen anderen Therapieversuchen schließlich eine Fäkalientransplantation. Schon seit längerem werden solche Stuhltransplantationen bei schwerem Durchfall eingesetzt. Auch bei der 32-Jährigen gelingt die Therapie. Doch rätselhafter Weise kommt es danach zu einer starken Gewichtszunahme.
Beschwerden nach Antibiotika-Therapie
Die Patientin, eine 32-jährige US-Amerikanerin, wendet sich danach zunächst mit einer bakteriellen Scheideninfektion an ihren Arzt. Dieser gibt ihr ein Antibiotikum, womit die Beschwerden schnell verschwinden. Allerdings bekommt die Frau nach einiger Zeit Durchfall und Bauchschmerzen. Als die Beschwerden auch drei Wochen später noch anhalten, vermutet der Mediziner, dass die Antibiotika-Therapie den Darm der Frau möglicherweise für ein bestimmtes Bakterium, das sogenannte Clostridium difficile (C. Difficile), anfällig gemacht hat. Das Stäbchenbakterium ist für gesunde Menschen in der Regel harmlos, kann aber vor allem geschwächten und älteren Menschen gefährlich werden. Allein in Europa gibt es jedes Jahr über 39.000 unentdeckte Clostridium-difficile-Infektionen. Wenn die Behandlung mit Antibiotika Bakterien der normalen Darmflora verdrängt, kann es infolge davon bei Patienten zu schwerem Durchfall kommen.
Patientin erhält monatelang unterschiedliche Medikamente
Die Patientin ist mit ihren 68 Kilogramm sowie mit einem Body-Mass-Index von 26 nur leicht übergewichtig und auch die körperliche Untersuchung ist unauffällig. Zehn Tage lang nimmt sie ein Antibiotikum gegen die Infektion, danach geht es ihr noch schlechter und die Beschwerden kehren zurück. Daraufhin weist der Arzt in ihrem Stuhl C. difficile nach und findet auch das Magen-Bakterium Helicobacter pylori. Er verschreibt eine 14-tägige Therapie mit anderen Antibiotika, doch wenige Wochen später verstärken sich die Beschwerden erneut und wieder kann C. difficile nachgewiesen werden. Darauf folgt eine 12-wöchige Antibiotika-Therapie, aber auch diese kann nicht verhindern, dass die Erreger zurückkehren, ebenso wenig wie der Wechsel des Medikaments.
Stuhltransplantation erfolgreich durchgeführt
Schließlich bieten ihr die Ärzte im Miriam Hospital in Providence (US-Bundesstaat Rhode Island) eine sogenannte Fäkaltransplantation an, wie sie im „Open Forum Infectious Diseases“ berichten. Allerdings meldet sich die Frau 16 Monate später wieder beim Arzt. Diesmal wegen starkem Übergewicht (Adipositas). Trotz verschiedener Diätversuche, Bewegungsprogrammen und medizinisch überwachter, flüssiger Protein-Nahrung hat sie 17 Kilogramm zugenommen. Mit einem Gewicht von 85 Kilogramm und mit einem BMI von 33 ist sie nun adipös. Die Mediziner können eine hormonelle Störung der Cortisolproduktion oder der Schilddrüse ausschließen. Die Patientin leidet jetzt unter Völlegefühl, Übelkeit und Verstopfung. Wie mitgeteilt wird, halten es die Internisten um Neha Alang, die die Patientin behandelt haben, es für möglich, dass die Stuhltransplantation die Verdauung und die Darmflora der Frau so durcheinander gebracht haben, dass sie unweigerlich zunimmt. Die Tochter war zwar zum Zeitpunkt der Transplantation mit 63 Kilo und einem BMI von 26,4 nur leicht übergewichtig, nahm jedoch in der Folgezeit 13 Kilo zu, womit sie dann eindeutig adipös war.
Künftig nur noch Stuhlspenden von Normalgewichtigen
Den Autoren zufolge habe man in Tierversuchen schon beobachtet, dass Stuhltransplantationen zu Übergewicht beitragen können. Die Ärzte diskutieren in der Fachzeitschrift, ob möglicherweise die erfolgreiche Therapie gegen die Clostridien den Appetit der Frau stark angeregt haben oder ob die Helicobacter pylori-Behandlung Schuld sein könnte. Sie schreiben: „Es ist bekannt, dass es eine Verbindung gibt zwischen einer Helicobacter-pylori-Therapie und Gewichtszunahme.“ Man führe diese auf die steigenden Konzentrationen von Ghrelin, einem appetitanregenden Hormon, zurück. Doch auch genetische Faktoren sowie das Alter kommen als Auslöser in Frage. Die Mediziner machen sich für die Zukunft zum Ziel, bei Stuhltransplantationen nur noch Material von normalgewichtigen Spendern zu verwenden. Für ihre rätselhafte Patientin konnten sie aber weder den Auslöser festmachen noch ihr helfen: Die Frau hat 20 Monate später weitere 3,5 Kilogramm zugenommen. (sb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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