Organisationen fordern Ausbau der Suizidprävention für ältere Menschen im Rahmen der Debatte um Sterbehilfe
12.03.2015
In Deutschland wurden im Jahr 2013 etwa 10.000 Suizide registriert. Die Altersgruppe der über 60-Jährigen verübt dabei rund 45 Prozent der Selbsttötungen. Dennoch wird dem Thema Selbstmord im Alter bisher wenig Beachtung geschenkt. Im Zuge der aktuellen Diskussion um Sterbehilfe fordern die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention und das Nationalen Suizidpräventionsprogramm, den Fokus auf eine verbesserte palliativmedizinische Versorgung Schwerkranker und Suizidprävention statt auf die assistierte Selbsttötung zu legen.
Vereinsamung und Abhängigkeit aufgrund körperlicher Einschränkungen können bei Älteren zum Suizid führen
Ab 55 Jahren steigt die Suizidrate deutlich an. In der Altersgruppe ab 90 Jahre nehmen sich 40 von 100.000 Menschen das Leben. Gut viermal häufiger sind es Männer als Frauen. Barbara Schneider von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention erläutert im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“, dass die Suizidrate generell bei Männern höher sei als bei Frauen in den Staaten der Europäischen Union. Männer seien gewohnt, Probleme zu lösen, und würden körperliche und psychische Belastungen im Alter wesentlich schlechter verkraften als Frauen. Das Gefühl zu scheitern und sich in Abhängigkeit begeben zu müssen, führe dann zu einer Verzweiflungstat. Darüber hinaus seien Frauen meist besser sozial vernetzt.
Reinhard Lindner vom Nationalen Suizidpräventionsprogramm stellte jedoch am Mittwoch bei der Vorstellung einer Stellungnahme zu dem Thema in Berlin gegenüber der Nachrichtenagentur klar, dass viele Selbstmorde verhindert werden könnten. „Entgegen vielen Vorurteilen kann eine Suizidgefährdung auch im hohen Alter noch erfolgreich behandelt werden."
Häufig handelt es sich um einen Hilferuf, wenn ein vereinsamter Mensch Sätze wie „Dann bringe ich mich um“ oder „Das Leben hat doch keinen Sinn mehr für mich“ äußert. Dann seien insbesondere Angehörige und Freunde gefordert, so Lindner, die häufig vereinsamten Senioren zu unterstützen. Das Inbetrachtziehen alternativer Wohnformen gehöre dann auch dazu. So könnten beispielsweise Demenzkranke in speziellen Wohngemeinschaften eine angenehme Umgebung finden.
Im Alter sind Depressionen keine Seltenheit
Häufig verkennen Angehörige jedoch den Erst der Lage. „Dabei versteckt sich hinter so manchem Granteln, Verstummen oder Rückzug eine Depression", berichtet der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, gegenüber der Nachrichtenagentur. „Hauptursache für Suizide ist die Depression."
Depressionen sind im Alter von Laien manchmal nur schwer von einer Demenz zu unterscheiden. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe nennt unter anderem folgende Anzeichen für eine Depression im Alter: Die depressive Stimmung ist kaum beeinflussbar, hält über einen längeren Zeitraum an und zeigt sich im Tagesverlauf durch ein Morgentief und eine Aufhellung am Abend. Zudem beklagt der Betroffene seinen Zustand. Sein Denken ist gehemmt und verlangsamt jedoch nicht verwirrt. Letzteres kann ein Anzeichen für Demenz sein.
Das Nationale Suizidpräventionsprogramm und die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention fordern wie Brysch von der Politik, die Suzidprävention für Senioren zu verbessern. So betont Lindner an Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gerichtet, dass der geplante Ausbau der Hospiz- und Palliativmedizin für die Begleitung sterbender Menschen nicht ausreiche. Es bedürfe eines Gesamtkonzepts, dass die psychotherapeutische Behandlung von älteren Menschen mit einbeziehe.
Zwar wolle man mit der Stellungnahme „keinen konkreten Vorschlag in die aktuelle Sterbehilfediskussion einbringen", so die beiden Organisationen, die palliativmedizinische Versorgung sowie suizidpräventive Maßnahmen müssten jedoch Vorrang vor einer assistierten Selbsttötung haben. So sei es nicht vorstellbar, schwerkranken Senioren assistierte Selbsttötung als ebenbürtige Option anzubieten.
>Bild: D. Braun / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.