Tageszeit von Ansteckung beeinflusst Schwere einer Vireninfektion
Einer neuen Studie zufolge spielt die Tageszeit eine wichtige Rolle für die Schwere von Vireninfektionen. Die Untersuchung britischer Wissenschaftler zeigt, dass sich Herpesviren bei Mäusen wesentlich schneller vermehren, wenn sich die Tiere zu Beginn ihrer Ruhephase anstecken.
Zeitpunkt der Ansteckung beeinflusst Schwere einer Infektionskrankheit
Obwohl sich jeder Mensch mit unzähligen Erregern infizieren kann, werden manche eher krank, andere hingegen fast nie. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass einige Menschen eine stärkere Anfälligkeit für Infekte haben. Etwa, weil ihr Immunsystem aufgrund von viel Stress oder ungesunder Ernährung geschwächt ist. Auch die Schwere einer Infektionskrankheit ist nicht bei allen Patienten gleich. Warum das so ist, könnte möglicherweise mit dem Zeitpunkt der Ansteckung zusammenhängen, wie britische Forscher herausgefunden haben.
Herzinfarkt-Risiko von der Tageszeit abhängig
Dass die Tageszeit einen Einfluss auf die menschliche Gesundheit hat, haben schon verschiedene Untersuchungen gezeigt. So berichteten US-amerikanische Forscher, dass das Herzinfarkt-Risiko von der Tageszeit abhängig ist. Und spanischen Wissenschaftlern zufolge ist ein Herzinfarkt am Morgen schlimmer als am Abend. Ein britisches Forscherteam fand nun heraus, dass die Tageszeit für die Schwere einer Vireninfektion eine wichtige Rolle spielt. Ihre Untersuchung zeigt, dass sich Herpesviren bei Mäusen drastisch schneller vermehren, wenn sich die Tiere zu Beginn ihrer Ruhephase infizieren.
Schichtarbeiter anfälliger für Krankheiten
Wie das Team um Professor Akhilesh Reddy von der britischen Universität Cambridge in einer Mitteilung der Hochschule schreibt, könnte die Entdeckung teilweise erklären, warum bei Impfungen auch die Tageszeit eine Rolle spiele, warum Schichtarbeiter anfällig für Erkrankungen sind oder warum Infektionskrankheiten eher im Winter auftreten. „Eine Ansteckung zur falschen Tageszeit könnte eine viel schwerere akute Infektion verursachen“, so die Studienautoren.
Erreger vermehren sich zu Beginn der Ruhephase deutlich stärker
Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“) veröffentlicht. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, infizierten die Wissenschaftler Mäuse zunächst zu verschiedenen Tageszeiten durch die Nase mit dem Herpesvirus MuHV-4. Es zeigte sich, dass sich die Erreger zu Beginn der Ruhephase – bei den nachtaktiven Nagern also morgens – etwa um das Zehnfache stärker vermehrten als bei einer Infektion zur aktiven Phase.
Bei genetisch veränderten Mäusen, denen Bmal1 – ein Schlüsselgen für die innere Uhr – fehlte, beeinflusste die Tageszeit das Infektionsgeschehen hingegen nicht. „Wenn wir die Körperuhr in Mäusen störten, spielte der Zeitpunkt der Ansteckung keine Rolle mehr“, erläuterte Erstautorin Rachel Edgar. „Die Viren vermehrten sich ständig stark.“
Viren beeinflussen womöglich die Zelluhr
Die Schwere einer Infektion in Zellkulturen hing auch von der jeweilige Tagesphase ab. Doch bei Zellen ohne das Uhrgen Bmal1 vermehrten sich die Herpes-Viren zu jeder Zeit ähnlich stark. Wie es heißt, deuteten weitere Versuche sogar darauf hin, dass die Viren die Zelluhr aktiv beeinflussten, um sich optimal entwickeln zu können.
Als die Forscher anschließend die Vermehrung von Grippeviren an Zellen prüften, kamen sie zu einem ähnlichen Resultat. „Der ähnliche Effekt der zellulären Rhythmusstörung auf zwei unterschiedliche, klinisch bedeutende Virusfamilien zeigt, dass die innere Uhr und ihre speziellen Komponenten wie Bmal1 auf Virusinfektionen einen breiten Einfluss haben“, erklärten die Autoren.
Öfter Krankheiten im Winter
Womöglich könnte dieser Effekt sogar zu Epidemien beitragen. So sei zum Beispiel das Uhrgen Bmal1 beim Menschen in den Wintermonaten weniger aktiv. „Wir spekulieren, dass dies zu Ausbreitung von Viren auf Bevölkerungsebene beitragen kann, denn viele Viren wie etwa Influenza verursachen Infektionen eher im Winter“, so die Forscher. Dafür könnte es allerdings auch andere Erklärungen geben.
So berichteten Wissenschaftler der Cambridge Universität im vergangenen Jahr im Fachmagazin „Nature Communications“, dass sich unser Immunsystem mit den Jahreszeiten verändert. Ihre Entdeckung biete laut den Experten eine mögliche Erklärung dafür, dass bestimmte Krankheiten im Winter öfter oder schlimmer auftreten und Menschen in den Sommermonaten eher gesund bleiben.
Grippeimpfung am Morgen effektiver
Die Resultate der aktuellen Untersuchung könnten laut den Studienautoren auch erklären, warum Schichtarbeiter, deren Körperuhr gestört ist, anfällig für chronische Erkrankungen seien, möglicherweise auch für Viruserkrankungen. Zudem könnte die Effektivität von Impfungen von der Tageszeit abhängen. Darauf hatte erst kürzlich eine Studie an Menschen ab 65 Jahren hingewiesen.
Das Team um Anna Phillips von der britischen Universität Birmingham hatte im Fachblatt „Vaccine“ berichtet, dass Grippeimpfungen am Morgen im Vergleich zu solchen am Nachmittag die Produktion von Antikörpern innerhalb eines Monats stärker ankurbelten. (ad)
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