Kontrollierte Bewegung wie Tanzen oder Eurythmie helfen Demenz-Patienten
19.08.2014
Der Gang kann wichtige Hinweise auf eine entstehende Demenz liefern, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in ihrer aktuellen Pressemitteilung. Bislang seien Veränderungen im Gangbild, eine sinkende Fitness, Stürze und andere Motorikprobleme meist „schlicht als Zeichen von Gebrechlichkeit gewertet“ worden. Hier würden neue Forschungen jedoch überraschende Zusammenhänge mit aufkommenden Demenzerkrankungen aufzeigen. Durch Bewegungsübungen wie „Tai Chi, Tanzen und die klavierbegleitete Dalcroze-Rhythmik – auch bekannt als Eurythmie“ lasse sich den motorischen Einschränkungen entgegenwirken.
„Bei Ganganalysen mit Hilfe eines Teppichs, der über Sensoren kleinste Abweichungen zwischen den Schritten festhält, stellte sich heraus: Je stärker die Abweichungen, desto höher das Sturzrisiko des Patienten in den kommenden Monaten“, so die Mitteilung der DGG. „Stieg die Gangvariabilität, wenn die Patienten bei der Untersuchung gleichzeitig kognitive Aufgaben lösen mussten, war zusätzlich die Wahrscheinlichkeit, dass die Person an Demenz erkrankte höher“, berichtet die Fachgesellschaft weiter.
Motorische Veränderungen zur Diagnose nutzen?
„Das Gehirn vollbringt nicht nur intellektuelle Leistungen, sondern steuert auch motorische Prozesse“, erläutert Professor Dr. Reto Werner Kressig, Chefarzt für Geriatrie an der Medizinischen Fakultät der Universität Basel, in der DGG-Pressemitteilung. Daher habe die neurodegenerative Erkrankung auch Auswirkungen auf die Motorik der Betroffenen. Professor Kressig ist der Ansicht, dass dieser Effekt zur Verbesserung der Diagnostik genutzt werden kann. „Ich bin der Meinung, dass zur Demenzfrüherkennung nicht nur die Hirnleistung gemessen, sondern auch motorische Veränderungen untersucht werden sollten“, zitiert die DGG den Experten. „Ein Blick auf den Gang des Patienten liefert vielleicht sogar früher Hinweise als die üblichen Verfahren. Dadurch lässt sich eine Demenz zwar nicht verhindern, aber ihr Verlauf verlangsamen“, so Kressig.
Tai Chi, Tanzen und Eurythmie
Den Ausführungen von Professor Kressig zufolge eignet sich zur positiven Beeinflussung des Verlaufs einer Demenz insbesondere Bewegung. Der Leiter des Universitären Zentrums für Altersmedizin am Universitätsspital und am Felix-Platter-Spital in Basel erklärt, dass hier vor allem Tai Chi, Tanzen und Eurythmie gut geeignet seien. „Es geht dabei um spontane Reaktionen und gute Körperbeherrschung“, so Kressig weiter. Die Patienten nehmen dem Experten zufolge an den Bewegungsübungen vielfach mit Begeisterung teil. Sogar liegende Patienten würden sich für die Kurse anmelden, welche laut Kressig in Basel mittlerweile in allen Seniorenheimen angeboten werden.„Es ist erstaunlich, wie selbst schwerstkranke Patienten es genießen, sich zur Musik zu bewegen“, zitiert die DGG den Facharzt.
50 Prozent weniger Stürze
Der Effekt von Bewegungsübungen auf die motorischen Einschränkungen bei Demenz-Patienten ist laut Aussage des Experten durchaus beachtlich. Eine aktuelle Studie habe gezeigt, dass das Sturzrisiko um 50 Prozent sank, wenn die Patienten sechs Monate lang einmal pro Woche am Kurs teilnahmen, berichtet der Facharzt. Hier sieht Kressig vielversprechende Ansätze für die Behandlung der Demenz-Patienten. „Wir müssen bei der Therapie umdenken“, betont Kressig in der DGG-Mitteilung und ergänzt: „Es geht nicht um die magische Pille, sondern darum, mit spezieller Bewegungskontrolle den Menschen zu helfen.“ Auf dem Geriatrie-Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie- und Geriatrie (DGGG) im September wird Professor Kressig als Referent unter dem Titel „Sturzfrei mit Kopf und Fuß – Neue Ansätze zur Sturzprävention“ über die Erfolge mit den verschiedenen Bewegungsübungen bei Demenz-Patienten berichten. (fp)
Bild: Helene Souza / pixelio.de
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