Wir Deutschen werden immer dicker
Die deutlich steigende Verbreitung von Übergewicht und Fettleibigkeit ist eine erhebliche Herausforderung für unser Gesundheitssystem. „ Deutschland hat ein dickes Problem“, betont die Techniker Krankenkasse (TK) angesichts der Ergebnisse ihrer aktuellen Ernährungsstudie „Iss was, Deutschland“. Infolge der wachsenden Verbreitung von Übergewicht und Fettleibigkeit hätten ernährungsbedingte Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Beschwerden und Stoffwechselstörungen dramatisch zugenommen.
Die Gewichtsprobleme vieler Deutscher stellen nicht nur eine Belastung für ihre eigene Gesundheit, sondern auch eine enorme Herausforderung für das Gesundheitssystem insgesamt dar. Der aktuellen TK-Ernährungsstudie zufolge sind die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland nach eigenen Angaben übergewichtig (47 Prozent) und acht Prozent von ihnen sind stark übergewichtig. Andere Studien gehen sogar von einer noch höheren Verbreitung aus.
Vermehrt Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen
Die TK erfasste in ihrer Ernährungsstudie die Selbsteinschätzung der Befragten und kam dabei bereits auf bedenklich hohe Zahlen. In anderen Studien wie der DEGS (Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland) des Robert Koch-Instituts (RKI) werde der Anteil Übergewichtiger sogar auf zwei Drittel bei den Männern und auf rund 50 Prozent bei den Frauen geschätzt, berichtet die TK. Infolge der Gewichtsprobleme sei bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen eine massive Zunahme festzustellen, so die Krankenkasse weiter.
Dokumentieren und Aufklären ist nicht genug
Allein bei der Techniker Krankenkasse waren im Jahr 2016 fast 700.000 Arztbesuche sowie knapp 130.000 Klinikaufenthalte mit der Diagnose Adipositas zu verzeichnen. „Allen ist klar, dass wir hier ein schwerwiegendes Problem haben, aber jeder sieht den anderen in der Pflicht“, betont der TK-Vorstandsvorsitzende Dr. Jens Baas. Die Krankenkassen würden immer mehr ernährungsbedingte Krankheiten dokumentieren, doch mit dem Dokumentieren und immer neuen Aufklärungskampagnen sei es nicht getan. „Gerade bei diesem Thema müssen wir alle über unseren Tellerrand hinaus sehen“, so Baas.
Meist erfolgt eine medikamentöse Behandlung
Den meisten Menschen erscheine es offenbar immer noch als leichterer Weg, lebensstilbedingte Erkrankungen medikamentös zu behandeln, statt auf Ernährungsumstellung zu setzen und Bewegung zu verschreiben, betont der TK-Chef. So sei nicht nur die Anzahl der Patienten mit Herz-Kreislauf-Beschwerden gestiegen, sondern auch die Verordnungsmenge der Herz-Kreislauf-Medikamente habe deutlich zugenommen. Den Angaben der TK zufolge „erhielt jede Erwerbsperson 2016 Herz-Kreislaufpräparate für drei Monate“ und insgesamt sei „das Volumen seit 2000 um 80 Prozent gestiegen.“
Fehlanreize im Gesundheitswesen abbauen
Die aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als jeder vierte Versicherte an Herz-Kreislauf-Beschwerden wie Bluthochdruck leidet und rund 15 Prozent eine Stoffwechsel-Störungen wie Diabetes entwickeln. Die Behandlung setzt nach entsprechender Diagnose oft auf eine Medikation, obwohl durchaus auch andere Möglichkeiten bestehen. Hier kritisierte Baas, dass im Gesundheitswesen in seiner jetzigen Form nahezu alle von der hohen Medikation profitieren und es kaum Anreize gebe, sich um die Gesundheit der Menschen zu kümmern. Daher fordert Baas vom Gesetzgeber zum Beispiel „die schwerwiegenden Fehlanreize zum Beispiel beim Finanzausgleich der Krankenkassen, dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), zu korrigieren.“
Lebensmittelindustrie ebenfalls in der Pflicht
Die Techniker Krankenkasse sieht allerdings auch die Lebensmittelindustrie in der Pflicht: Denn eine gesunde Ernährung werde den Menschen unnötig schwer gemacht. „Viele Produkte enthalten zu viel Fett und zu viel Zucker, und es wird auf den Verpackungen nicht einmal verständlich ausgewiesen. Auch hier ist die Politik gefordert, dafür zu sorgen, dass die Verbraucher sich vernünftig informieren können“, so Baas.
Bundesweiter Aktionsplan gefordert
Am Ende spielt jedoch die Eigenverantwortung der Verbraucher ebenfalls eine maßgebliche Rolle und hier sollten sowohl Versicherte als auch die Krankenkassen investieren, berichtet die TK. Beispielsweise könnten moderne, auch digitale Angebote, die in den Lebensalltag der Menschen passen, die Eigenmotivation für einen gesunden Lebensstil erhöhen. Dabei gehe es nicht nur darum, ob man ein paar Pfunde mehr oder weniger auf die Waage bringt. Sondern mit einem aktiveren Lebensstil kann man auch „sehr viel tun, um das Risiko für Diabetes, Herzinfarkt und Rückenbeschwerden zu verringern“, so Baas. Die TK fordert angesichts der bedenklichen Entwicklung einen bundesweiten Aktionsplan gegen Adipositas, für den Politik, Gesundheitswesen, Industrie und Verbraucher sich gleichermaßen einsetzen sollten. (fp)
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