Ärztereport der Barmer GEK: Ausgaben für bildgebende Diagnoseverfahren wie der Kernspintomographie lassen die Gesundheitskosten stetig steigen. Zudem hat der Report ergeben, dass die Deutschen immer häufiger zum Arzt gehen.
01.02.2011
Die Ausgaben im Gesundheitssystem steigen von Jahr zu Jahr an. Laut Ärztereports 2011 der Krankenkasse Barmer GEK geht jeder Zweite in Deutschland im Schnitt mindestens vier mal zu unterschiedlichen Ärzten. Medizinische Errungenschaften wie die Diagnoseverfahren der Kernspintomographie lassen die Ausgaben im Gesundheitssystem nach oben schnellen. Im weltweiten Vergleich gehen die Deutschen am häufigsten zur Kernspin.
Immer wieder mahnen die Krankenkassen, die Deutschen gehen zu häufig unnötig zum Arzt. Wie viele Arztbesuche tatsächlich von Nöten sind und wie viele eher in die Kategorie unnötig gehören, ist bislang kaum untersucht. Fest steht aber, dass die Arztbesuche in den letzten Jahren kontinuierlich zu nehmen. Mittlerweile geht jeder Zehnte Deutsche pro Jahr etwa zu sechs verschiedenen Ärzten. Ein Prozent der Patienten geht sogar zehn mal zu unterschiedlichen Ärzten. Die erhobenen Daten stammen aus einer Auswertung der Krankenkasse Barmer GEK, die mit 8,2 Millionen Versicherten immerhin zu den deutschen Branchenführern gehört. Anhand der Patientendaten kann für die Gesamtbevölkerung in Deutschland ein guter Durchschnittswert ermittelt werden. Etwa 10 Prozent der Menschen sind bei der Barmer GEK krankenversichert.
Jeder Zweite geht pro Jahr viermal zu unterschiedlichen Ärzten
41 Prozent der Patienten gingen laut Studiendaten zu mindestens vier unterschiedlichen Ärzten pro Jahr. Der Durchschnitt lag dabei bei 3,4 unterschiedlichen Untersuchungen bei verschiedenen Medizinern. Die genaue Anzahl der Patienten gaben die Studienautoren allerdings nicht bekannt. Das Abrechnungssystem der Krankenkassen wurde geändert, nach der Ärzte nicht mehr nach Patientenkontakten honoriert werden. Allerdings verrät ein Blick in den Vorjahresreport von 2008, dass jeder Krankenversicherte etwa 18,1 Arztbesuche pro Jahr unternimmt. Gesundheitsexperten gehen davon aus, dass allein durch die Schweinegrippe-Hysterie im Jahre 2009 die Anzahl der Arztbesuche im Folgejahr rasant gestiegen ist. Absoluter Spitzenreiter der Gründe für einen Arztbesuch waren Rückenschmerzen. Beinahe ein Viertel aller Erkrankten litt demnach an einem Rückenleiden. An Platz 2 rangierten die Atemwegsinfekte mit 18,5 Prozent. Etwa 7,8 Prozent der Patienten litten unter starkem Übergewicht (Adipositas) und 6,9 Prozent sind aufgrund einer Diabetes Typ II in Dauerbehandlung. Einen weiteren Anstieg konnte die Barmer GEK auch im Bereich der psychischen und seelischen Erkrankungen registrieren.
Technische Diagnoseverfahren als Kostentreiber
Die bildgebenden Diagnoseverfahren der Kernspintomographie (MRT) sowie der Computertomographie (CT) gehören zu den technischen Errungenschaften der konventionellen Schulmedizin. Während der Diagnostik können Ärzte Schnittbilder von inneren Körperregionen erstellen und auswerten. Das Verfahren dient beispielsweise dazu Zellveränderungen frühzeitig zu erkennen und krankhafte Symptomatiken oder Schäden zu bewerten. Wurden die neuen Diagnosearten noch als medizinische Errungenschaft gefeiert, so stellen sich heute immer mehr als Kostentreiber heraus. Es scheint, als verwenden vor allem Hausärzte die MRT als Ausschlussdiagnoseverfahren, um Patienten bei eigentlich harmlosen Beschwerden zu beruhigen. Seit 2004 stieg der Anteil derjenigen, die mindestens einmal in ihrem Leben eine Kernspin in Anspruch nahmen um 41 Prozent. Bei dem CT- Verfahren waren es immerhin 26 Prozent, wie es in dem Ärztereport 2011 hieß. Mindestens sechs Prozent aller Deutschen ließ im Jahr mindestens eine Computertomographie durchführen. Bei der MRT waren es schon 7,2 Prozent. Deutschland liegt dabei im weltweiten Vergleich im absoluten Spitzenbereich. Auf 1000 Menschen kommen derzeit 97 Kernspin-Untersuchungen. Auf häufigsten werden Kopf, Beine, Arme, Bauch und Wirbelsäule durchleuchtet. Am häufigsten wird das Verfahren zum Ausschluss oder Erkennen von Krebserkrankungen, Entzündungen und Knochenschäden eingesetzt.
CT und MRT Untersuchungen oftmals unnötig
Ob die bildgebende Verfahren tatsächlich so häufig genutzt werden sollten, ist zu bezweifeln. Beim CT handelt es sich um Röntgenstrahlen aus einer rotierenden Röhre, beim MRT (Magnet- Resonanz- Tompgraphie) um ein von außen mit Radiowellen angeregtes Magnetfeld. Im Falle der CT-Röntgenuntersuchung werden die Patienten einer teilweise hohen Strahlendosis ausgesetzt, deren möglichen Folgen bis heute nicht hinreichend untersucht sind. Fest steht, dass solche Verfahren die lebenslange Strahlenbelastung der Patienten erhöht. Sie kommen dann schnell 60 Prozent der Gesamtlast des Betroffenen zusammen, sagte Barmer GEK Vice-Chef Rolf-Ulrich Schlenker. Daher bezweifelt auch Friedrich Wilhelm Schwartz vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG), ob die Häufigkeit der Untersuchungen auch etwas über den tatsächlichen Nutzen aussagen. Zwar könne man nicht genau beziffern, in wie viel Fällen beispielsweise das MRT eine sinnvolle Behandlung nach sich ziehe, bei Knieuntersuchungen werden Mediziner allerdings in den meisten Fällen einen pathologischen Befund diagnostizieren.
Ausschlussdiagnoseverfahren durch MRT und CT?
Mediziner greifen bei allen möglichen Verdachtsmomenten auf MRT oder CT Untersuchungen zurück. Allerdings werden im Nachhinein die Ergebnisse oftmals falsch bewertet. In vielen Fällen standen keine adäquaten Therapien bereit oder die diagnostizierten Schädigungen wurden hinterher nicht behandelt. In einigen Fällen werden Schäden zwar therapiert, allerdings litten die Patienten zuvor unter keinerlei gesundheitlichen Beeinträchtigten. Die Autoren des Ärztereports halten es für möglich, dass die professionell erstellten bunten Körperbilder dazu beitragen, dass viele Patienten nach dieser verlangen und einwilligen. Im Gegensatz dazu werden oftmals Patienten im Vorfeld nur ungenügend durch ihren Hausarzt aufgeklärt. Der Report hatte nämlich auch ermittelt, dass Ärzte sich im Schnitt nur acht Minuten Zeit nehmen, um einen Patienten zu untersuchen.
Hohe Kostenentwicklung für das Gesundheitssystem
Jedes Jahr verursachen die CT- und MRT Verfahren nach Angaben der Krankenkassen rund 1,7 Milliarden Euro. Angesichts dieser hohen Ausgabeseite fordert der stellvertretende Kassenchef Rolf-Ulrich Schlenker, die teuren Diagnoseverfahren nur dann zu verwenden, wenn es aus medizinischer Sicht wirklich sinnvoll erscheint. Zudem machte Schlenker darauf aufmerksam, dass durch andauernde Anwendungen die Strahlenbelastungen bei den Patienten ansteigen. In der Schweiz hatte eine Auswertung ergeben, dass in weniger als 50 Prozent aller Untersuchungen eine Therapie erfolgte. Ein ähnliches Ergebnis könne auch für die Bundesrepublik gelten, so der Gesundheitsexperte. Etwa 700 Euro kostet im Schnitt ein bildgebendes Verfahren. (sb)
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Bild: by-sassi / pixelio.de
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.