Wie durch falsche Immunreaktion Thrombose entstehen kann
Infolge bestimmter Impfungen mit Adenovirus-basierten Impfstoffen besteht ein minimales Risiko für die Entwicklung einer Thrombose. Nach Angaben der Deutschen Herzstiftung treten solche Komplikationen bei ein bis zwei Personen unter 100.000 Geimpften auf. Ein deutsches Forschungsteam untersucht derzeit, wie Thrombosen nach Impfungen entstehen können.
Eine Arbeitsgruppe der Medizinischen Klinik und Poliklinik I: Kardiologie am LMU-Klinikum München um Dr. Leo Nicolai untersucht im Rahmen einer Studie, wie Thrombosen in seltenen Fällen nach Impfungen mit Adenovirus-basierten Impfstoffen entstehen können. Nun berichtet das Team in dem Fachjournal „Blood“ über die bisherigen Erkenntnisse.
Thrombosen bei COVID-19-Impfungen
Bei den COVID-19-Impfungen mit dem Impfstoff Vaxzevria von AstraZeneca und dem Impfstoff von Johnson&Johnson kam es in sehr selten Fällen zu Impfkomplikationen in Form von Thrombosen nach der Impfung, oftmals waren die Hirnvenen betroffen. Unter anderem aus diesem Grund werden diese Impfstoffe in Deutschland seit Dezember 2021 nicht mehr verwendet.
„Für die Entwicklung zukünftiger Impfstoffe und die Sicherheit von Personen mit einer Neigung zu Thrombosen, darunter Patienten mit Herz- und Gefäßkrankheiten, ist es wichtig, Ursachen und Mechanismen dieser seltenen Thrombosen als eine fehlgeleitete Immunreaktion – hier im Zusammenhang einer Impfung – zu verstehen“, erläutert Professor Dr. Thomas Voigtländer. Er ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
„Wichtig zu betonen ist, dass beim Schutz vor den Folgen einer Covid-19-Infektion der Vorteil weiterhin klar auf der Seite der Covid-Impfung liegt – auch, wenn es in seltenen Fällen zu teils auch schweren Nebenwirkungen bei mRNA- oder vektorbasierten Covid-Impfstoffen kommen kann“, hebt Kardiologe Voigtländer hervor.
Was bedeutet VITT?
Durch Impfung ausgelöste Blutgerinnsel an untypischen Stellen wie den Hirnvenen werden in medizinischer Fachsprache mit der Abkürzung VITT bezeichnet, was für „Vakzin-induzierte immunthrombotische Thrombozytopenie“ steht. Gemeint ist damit eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems.
Blutplättchen (Thrombozyten) spielen eine entscheidende Rolle in diesem Prozess. Im Normalfall dienen sie dazu, Verletzungen an Blutgefäßen schnell zu verschließen, um Blutungen zu unterbinden. Eine weitere Aufgabe der Thrombozyten ist, auf Eindringlinge zu reagieren. Dazu zählen beispielsweise Krankheitserreger wie Viren und Bakterien, aber auch Wirkstoffe aus Arzneimitteln.
Thrombozyten reagieren auf Bestandteile des Impfstoffs
Wie die Forschenden berichten, reagieren die Thrombozyten auf Bestandteile des Impfstoffs. Ein bestimmtes Eiweiß der Blutplättchen mit der Bezeichnung Plättchenfaktor 4 (PF4) wird durch den Impfstoff aktiviert.
Das Immunsystem reagiert wiederum darauf, indem es Antikörper gegen PF4 bildet und sich in Folge selbst angreift. Dabei kann eine Verklumpung der Blutplättchen entstehen und es bildet sich eine Thrombose.
Abfall der Blutplättchenzahl nach Adenovirus-basierten Wirkstoffen
Nach der Impfung mit Adenovirus-basierten Stoffen kommt es nach Angaben der Forschungsgruppe zu einem zeitversetzten Abfall der Blutplättchenzahl (Thrombozytopenie). „Eine Fehl-Ausrichtung des eigenen Immunsystems gegen die körpereigenen Blutplättchen“, bestätigt Nicolai.
Die genauen Mechanismen, die zu VITT führen, werden derzeit im Detail von der Arbeitsgruppe um Dr. Nicolai aufgeklärt. „Anhand weiterer Untersuchungen zu den genauen Reaktionsmechanismen wollen wir dazu beizutragen, Impfungen mit Adenovirus-basierten Techniken in Zukunft generell noch sicherer zu machen“, erklärt Nicolai.
Nicht nur für Impfstoffe relevant
Dabei stehen nicht nur die COVID-19-Impfstoffe von AstraZeneca oder Johnson&Johnson im Fokus. Eine ähnliche Reaktion sei beispielsweise auch nach der Verabreichen des Gerinnungshemmers Heparin bekannt.
Ausführung der Injektion beeinflusst Risiko für Thrombosen
Zudem konnte das Team bereits bei In-vivo-Vorversuchen zur Studie zeigen, dass das Risiko für Überreaktionen des Immunsystems nach einer Impfung mit Adenovirus-basierten Impfstoffen erhöht ist, wenn bei der Injektion versehentlich ein Blutgefäß getroffen wird. Bei einer richtigen Applikation in den Muskel sei das nicht der Fall.
„Wir sind überzeugt, dass dieses Projekt hilft, das Zusammenspiel von Thrombozyten und Immunsystem auch in anderen kardiovaskulären Erkrankungen besser zu verstehen und damit einen zukunftsweisenden Beitrag zur Grundlagenforschung und Herzgesundheit leistet“, resümiert Professor Voigtländer. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Herzstiftung e.V./Deutsche Stiftung für Herzforschung: Vom „Helfer“ zum „Feind“: Blutplättchen können durch falsche Immunreaktion Thrombosen verursachen (veröffentlicht: 23.06.2022), idw-online.de
- Leo Nicolai, Alexander Leunig, Kami Pekayvaz, et al.: Thrombocytopenia and splenic platelet directed immune responses after intravenous ChAdOx1 nCov-19 administration; in: Blood (2022), ashpublications.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.