Revolutionäre Entdeckung zur Blutgerinnung
Die Blutgerinnung ist lebenswichtig und sorgt unter anderem dafür, dass wir bei Verletzungen nicht verbluten. Andererseits ist eine überschießende Reaktion oder eine unkontrollierte Gerinnung auch Ursache für Krankheiten wie Thrombose. Ein Forschungsteam machte nun eine revolutionäre Entdeckung zu der Blutgerinnung und öffnet so die Tür für völlig neuartige Therapien.
Forschende des Universitätsklinikum Würzburg konnten neue Erkenntnisse über den Regulationsmechanismus der Blutgerinnung erlangen, die nach Angaben des Team das bisherige Lehrbuchwissen zur Gerinnung verändern werden. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachmagazin „Nature Cardiovascular Research“ präsentiert.
Was passiert bei der Blutgerinnung?
Die Blutgerinnung, in der Fachsprache als Hämostase bezeichnet, besteht im Wesentlichen aus zwei Phasen: der Blutstillung und der Blutgerinnung. Bei der Blutstillung heften sich Blutplättchen (Thrombozyten) an die Wundränder und bilden einen Pfropf, um die Verletzung provisorisch abzudichten.
Während der Blutgerinnung, die auch als Gerinnungskaskade bezeichnet wird, bilden sich lange Fasern aus, die gemeinsam mit den Blutplättchen die Wunde fest abdichten. Diese Fasern bestehen aus Fibrin, ein wasserunslösliches Eiweiß im Blut.
Fibrin-Überschuss erhöht das Thrombose-Risiko
Kommt es zu einem Überschuss an Fibrin, was beispielsweise bei chronischen Wunden passieren kann, ist das Risiko für Blutgerinnsel erhöht. Diese können wiederum zu Gefäßverschlüssen beziehungsweise zu Thrombosen führen.
Fibrin-Regulationsmechanismus erstmals entschlüsselt
Als nicht ausreichend verstanden galt bislang jedoch, durch welche Mechanismen die Fibrinbildung reguliert wird. Im Rahmen eines internationalen Projektes konnte die Arbeitsgruppe um Studienleiter Professor Dr. Bernhard Nieswandt von der der Universitätsklinikum Würzburg den zentralen Regulationsmechanismus der Fibrinbildung nun entschlüsseln.
„Wir konnten erstmals eine neue Schaltstelle aufdecken, die sowohl die Blutstillung als auch die Bildung von Thrombosen reguliert“, bestätigt Professor Nieswandt. Bei dieser Schaltstelle handele es sich um das Glykoprotein V, kurz GPV, das sich auf der Oberfläche von Blutplättchen befindet.
Der Studie zufolge kontrolliert das Protein die Aktivität eines Enzyms namens Thrombin. Dieses Enzym ist wiederum für die Bildung von Fibrin verantwortlich. Thrombin ist daher von entscheidender Bedeutung für die Blutgerinnung. Die Aktivität des Enzyms muss sowohl räumlich als auch zeitlich sehr genau abgestimmt sein.
Bereits bekannt war, dass Thrombin in der Lage ist, GPV von den Blutplättchen abzutrennen, wodurch das Glykoprotein als lösliche Rezeptorform freigesetzt wird. Die Funktion dieses Prozesses galt bislang jedoch als unverstanden.
Die Forschenden fanden nun heraus, dass eine Thrombin-vermittelte Abspaltung von GPV die Bildung von Fibrin begrenzt. Das abgelöste GPV bindet sich an das Thrombin, wodurch dieses weniger Fibrin bilden kann. Auf diese Weise wird die Blutgerinnung abgeschwächt.
Vielversprechender Ansatz zur Verhinderung von Thrombosen
Bei Experimenten mit Thrombosemodellen konnte das Team bereits zeigen, dass durch die Gabe von löslichem GPV die Bildung von gefäßverschließenden Thromben verhindert werden konnte. Das Verfahren könnte zukünftig einen großen Beitrag zum Schutz vor Schlaganfall und Hirnschädigungen leisten.
Lehrbuchwissen erweitert
Nach Angaben des Forschungsleiters sind die Erkenntnisse so grundlegend, dass sie das bisherige Lehrbuchwissen über die Blutgerinnung erweitern werden. Gleichzeitig öffnen die Ergebnisse die Tür zu zahlreichen neuen Ansätzen bei Thrombose und Gerinnungsstörungen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Würzburg: Revolutionären Regulationsmechanismus der Blutgerinnung entdeckt (veröffentlicht: 23.03.2023), ukw.de
- Beck, S., Öftering, P., Li, R. et al. Platelet glycoprotein V spatio-temporally controls fibrin formation. Nat Cardiovasc Res (2023). https://doi.org/10.1038/s44161-023-00254-6, nature.com
Wichtiger Hinweis:
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