Neue Studie zeigt: Tiefschlaf hilft dem Gehirn beim Lernen
Rund jeder vierte Bundesbürger leidet an Schlafstörungen. Das hat nicht nur zur Folge, dass Betroffene häufig müde sind, sondern erhöht auch das Risiko für verschiedene Krankheiten. Außerdem werden auch die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt. Denn Tiefschlaf ist wichtig für die Lernfähigkeit des Gehirns.
Schlafstörungen gefährden die Gesundheit
Laut dem Robert-Koch-Institut leiden etwa 25 Prozent der Bundesbürger unter Schlafstörungen, für weitere elf Prozent ist der Schlaf häufig nicht erholsam. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit. Wer dauerhaft schlecht schläft, leidet nicht nur an Müdigkeit, sondern hat ein höheres Risiko für Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Diabetes und auch Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Herzinfarkt. Und erst kürzlich zeigte sich in einer Studie, dass Schlafstörungen das Risiko für Schlaganfälle erhöhen können. Guter Schlaf ist aber nicht nur wichtig für die Gesundheit, sondern auch für die Lernfähigkeit des Gehirns, wie Schweizer Wissenschaftler nun berichten.
Nach Schlaflosigkeit können mentale Aufgaben schlechter bewältigt werden
Die meisten Menschen wissen aus eigener Erfahrung, dass schon eine einzelne schlaflose Nacht dazu führen kann, dass mentale Aufgaben tags darauf nur mit Mühe bewältigt werden können.
Denn das Gehirn braucht ausreichend Schlaf, um lernen zu können. Forscher der Universität Zürich und Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich haben nun erstmals einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Tiefschlaf und der Lernfähigkeit nachgewiesen.
Im Fachblatt „Nature Communications“ berichten sie über ihre Ergebnisse.
Kausaler Zusammenhang zwischen Tiefschlaf und Lernfähigkeit
Experten gehen davon aus, dass der Tiefschlaf essenziell ist um die Lernfähigkeit des Gehirns langfristig zu erhalten. Während wir wach sind, erhalten wir ständig Eindrücke aus unserer Umwelt, wodurch zahlreiche Verbindungen zwischen den Nervenzellen – sogenannte Synapsen – erregt und zeitweise verstärkt werden.
Erst im Schlaf wird die Erregbarkeit von Synapsen wieder normalisiert. Ohne Erholungsphase bleiben viele Synapsen maximal erregt, so dass keine Veränderung im System mehr möglich ist: Die Lernfähigkeit ist blockiert.
Der Zusammenhang zwischen Tiefschlaf und Lernfähigkeit ist zwar schon lange bekannt und belegt. Nun konnten die Schweizer Forscher aber erstmals eine kausale Verbindung im menschlichen Gehirn zeigen.
Reto Huber, UZH-Professor am Kinderspital und der Kinder- und Jugendpsychiatrie Zürich und Nicole Wenderoth, ETH-Professorin am Department für Gesundheitswissenschaften und Technologie ist es gelungen, den Tiefschlaf von Versuchspersonen gezielt zu manipulieren.
„Wir haben eine Methode entwickelt, die es uns erlaubt, die Schlaftiefe einer bestimmten Hirnregion zu reduzieren und damit den Kausalzusammenhang zwischen Tiefschlaf und Lernfähigkeit nachzuweisen“, erklärte Reto Huber in einer Mitteilung.
Subjektive Schlafqualität nicht beeinträchtigt
Im Rahmen der Studie mussten die Probanden tagsüber verschiedene Abfolgen von Fingerbewegungen erlernen. In der Nacht wurden die Hirnaktivitäten der Versuchsteilnehmer während des Schlafs mittels EEG überwacht.
Während die Studienteilnehmer am ersten Tag nach der Lernphase ungestört schlafen konnten, wurde ihr Schlaf am zweiten Versuchstag gezielt beeinflusst – mittels akustischer Stimulation während der Tiefschlafphase.
Die Forscher lokalisierten hierzu genau jene Hirnregion, die für das Erlernen der erwähnten Fingerbewegungen, also die Steuerung der motorischen Fähigkeiten, zuständig ist (Motorcortex). Die Probanden waren sich dieser Manipulation nicht bewusst.
Gestörter Tiefschlaf beeinträchtigt Leistungsfähigkeit
In einem zweiten Schritt wurde untersucht, wie sich die Beeinflussung des Tiefschlafs auf die motorischen Lernaufgaben am Folgetag auswirkt. Dazu beobachteten die Wissenschaftler, wie sich die Lern- und Leistungskurven der Versuchsteilnehmer im Verlauf des Experiments veränderten.
Erwartungsgemäß konnten die Teilnehmer die motorische Aufgabe vor allem morgens gut erlernen. Je später die Stunde, desto höher war die Fehlerquote. Nach dem Schlaf verbesserte sich die Lernfähigkeit wieder deutlich. Nicht so aber nach der Nacht mit der manipulierten Schlafphase.
Hier zeigten sich deutliche Leistungseinbussen und deutliche Schwierigkeiten beim Erlernen der Fingerbewegungen. Die Lernfähigkeit war ähnlich schwach wie am Abend des ersten Versuchstags. Durch die Manipulation des Motorcortex wurde die Erregbarkeit der entsprechenden Synapsen im Schlaf nicht herabgesetzt.
„In der noch immer stark erregten Hirnregion war die Lernfähigkeit gesättigt und ließ keine Veränderungen mehr zu, so dass das Erlernen motorischer Fähigkeiten gehemmt war“, erläuterte Nicole Wenderoth.
In einem Kontrollexperiment manipulierten die Forscher bei gleicher Aufgabenstellung eine andere Hirnregion während des Tiefschlafs. Hier zeigten sich jedoch keinerlei Effekte auf die Leistungsfähigkeit der Versuchsteilnehmer.
Den Wissenschaftlern zufolge sind die neuen Erkenntnisse ein wichtiger Schritt in der Erforschung des menschlichen Schlafs. Ihr Ziel ist es, dass die Erkenntnisse auch in klinische Studien einfließen.
„Es gibt viele Krankheiten, die sich auch im Schlaf manifestieren, zum Beispiel Epilepsie. Wir erhoffen uns dank der neuen Methode gezielt jene Hirnregionen beeinflussen zu können, die direkt mit der Krankheit in Verbindung stehen“, so Reto Huber. Dies könnte helfen, den Zustand von betroffenen Patienten zu verbessern. (ad)
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