Giftige Substanzen in der Kabinenluft könnten Ursache für Tod eines britischen Piloten sein
31.07.2014
Viele Menschen haben auf Flugreisen ein mulmiges Gefühl im Bauch, aus Angst vor einen Unglück, das sie als Passagier im Flugzeug nicht beeinflussen können. Dass diese Angst nicht völlig unbegründet ist, zeigt sich immer wieder durch Ereignisse wie das spurlose Verschwinden einer Passagiermaschine von Malaysia Airlines auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking. Doch neben Abstürzen, Entführungen und Terroranschlägen scheint es noch einen weiteren Grund zur Sorge zu geben: Denn offenbar könnten giftige Substanzen in der Kabinenluft zum Tod eines britischen Piloten geführt haben.
Pilot Richard Westgate stirbt im Alter von 43 Jahren
Ob Malaysia-Airlines-Flug 17, TransAsia-Airways-Flug 222 oder Air-Algérie-Flug 5017: Allein im Juli dieses Jahres häufen sich die Meldungen über sonderbare Abstürze und plötzliche Verschwinden von Flugzeugen, teilweise mit hunderten von Todesopfern. Kein Wunder also, dass viele Reisende beim Betreten eines Flugzeugs ein mulmiges Gefühl beschleicht. Nun scheint es jedoch laut einem Bericht der „Welt“ offenbar neben Unfällen und Katastrophen noch einen weiteren Grund zur Sorge zu geben: Giftstoffe in der Kabinenluft. Wie die Zeitung berichtet, war der jederzeit kerngesunde britische Pilot Richard Westgate im Alter von 43 Jahren durch eine bislang ungeklärte Ursache gestorben – nach dem er jedoch im Vorfeld von kognitiven Ausfällen und Gleichgewichtsstörungen berichtet hatte.
Litt der Mann am „aerotoxischen Syndrom“?
Aufgrund der Hintergründe des Todesfalls Westgate kam schnell ein bestimmter Verdacht auf: War der Mann, der 16 Jahre lang als Pilot gearbeitet hatte, am so genannten „aerotoxischen Syndrom“ erkrankt? Unter diesem Begriff werden gesundheitliche Beschwerden zusammengefasst, die auf das Einatmen kontaminierter Kabinenluft in Flugzeugen zurückzuführen sind, wobei in erster Linie Probleme in der Zapfluft-Anlage als mögliche Ursache der Verunreinigungen vermutet werden, wodurch die Luft aus den Treibwerken ungefiltert in den Innenraum gelangt. Eine offenbar nicht zu unterschätzende Gefahr, denn besteht ein Leck im Triebwerk, können im Prinzip jederzeit Öl, Enteisungsmittel oder andere giftige Stoffe die Luft verunreinigen. Doch wie Jörg Handwerg, Sprecher des Pilotenverbands Vereinigung Cockpit, der Zeitschrift „FOCUS“ gegenüber klar stellt, würden anscheinend auch unbeschädigte Systeme keine 100%ige Sicherheit bieten können: „Triebwerkshersteller haben uns gesagt, es sei unmöglich, das Austreten von Öldämpfen aus den Motoren vollständig zu verhindern.“
Plötzliches Auftreten von Schwindel und Taubheitsgefühlen
Wie das ARD-Magazin „Monitor“ (Sendung Nr. 661 vom 22.05.2014) berichtet, hatte auch der verstorbene Pilot Richard Westgate den Verdacht, dass ihn Öldämpfe an Bord krank gemacht hätten. Der Mann, der stets bei bester Gesundheit und mehrfacher Weltmeister im Paragliding war, litt seit 2011 plötzlich unter Schwindel, Taubheitsgefühle und weiteren Symptomen, die ihn so stark einschränkten, dass er die Untersuchung zur Flugtauglichkeit nicht mehr bestand. „Vor mir stand ein Mann, der große Schmerzen hatte. Sein Koordinationsvermögen war gering und seine mentalen Funktionen waren sehr eingeschränkt“, berichtet der Mediziner Michel Mulder in „Monitor“. Am 12. Dezember 2012 verstarb der Pilot schließlich in einem Hotel – zunächst ohne erkennbare Ursache.
Aerotoxisches Syndrom könne als Ursache des Todes nicht ausgeschlossen werden
Doch nun scheint sich das Rätsel um den Tod des Piloten zu lüften, denn wie die „Welt“ weiter berichtet, hätten die monatelangen pathologischen Untersuchungen offenbar zu einem klaren Ergebnis geführt. Demnach habe der niederländische Gerichtsmediziner Frank van de Goot erklärt, er habe Teile vom Gehirn, Rückenmark und den größeren Nerven des Opfers untersucht und könne aufgrund der erkennbaren Nervenschädigungen schlussfolgern: Das aerotoxische Syndrom sei als Ursache des Todes von Richard Westgate nicht ausschließen. Damit sei der Zeitung nach das erste Mal ein Zusammenhang zwischen einer ernsten Erkrankung und dem Einatmen verunreinigter Kabinenluft hergestellt worden – denn bislang gilt das aerotoxische Syndrom als relativ unerforschtes Krankheitsbild, obwohl es bereits seit Ende der 1950er Jahre bekannt ist.
Zwischen 2006 bis 2013 663 Meldungen über sogenannte „Fume Events“
Dabei scheinen Auffälligkeiten in Hinblick auf die Kabinenluft tatsächlich kein seltenes Phänomen zu sein. Wie die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) berichtet, seien allein im Zeitraum von 2006 bis 2013 663 Meldungen über sogenannte „Fume Events“ eingegangen, womit Ereignisse jeglicher Art in Bezug auf Gerüche, Rauch oder Nebel im Flugzeuginnenraum und/oder gesundheitliche Beeinträchtigungen von Flugzeuginsassen gemeint sind. „Bei diesen gemeldeten „Fume Events“ wurden in 460 Fällen das Auftreten von Geruch und in 188 Fällen eine Rauchentwicklung mitgeteilt“, so die BFU. Demnach habe es durch die „Fume Events“ zwar keine relevante Einschränkung der Flugsicherheit gegeben, dennoch seien „einzelne Piloten in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt“ gewesen, außerdem habe es laut der Bundesstelle „deutliche Anzeichen auf Auswirkungen auf die Arbeitssicherheit“ gegeben.
Schadstoff TCP möglicherweise das gefährlichste Gift in der Kabinenluft
Nach Einschätzung des Magazins „FOCUS“ könne dabei der Schadstoff TCP (Trikresylphosphat) als das gefährlichste Gift in der Kabinenluft angenommen werden, welches US-amerikanische Forscher erstmals 2011 in geringen Mengen im Blut von Passagieren nachgewiesen hatten. Das Nervengift, welches hochdosiert zu Lähmungen führen kann, wird unter anderem als Flammschutzmittel und Weichmacher für PVC eingesetzt, aber auch als Zusatz für Schmierstoffe und andere Öle – und kann dadurch ohne Weiteres aus den Triebwerken in den Innenraum gelangen. Bleibt es jedoch bei kleinen Mengen, sei dies gesundheitlich unproblematisch, so der Arbeitsmediziner Jürgen Bünger von der Ruhr-Universität Bochum in dem Magazin: „Als Ursache für die Krankheitssymptome kommt er nicht in Frage.“
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.