Vier Todesfälle: Bornavirus-Infektionen beim Menschen sind Einzelfälle
In Deutschland sind vier Menschen an den Folgen einer Viruserkrankung gestorben, die laut Experten bisher nur bei Tieren beobachtet wurde. Die Betroffenen hatten eine Gehirnentzündung, die durch das klassische Bornavirus ausgelöst worden ist. Bei den Infektionen handelt es sich nach derzeitigen Erkenntnissen aber um Einzelfälle.
Sehr seltene Einzelfälle
In Deutschland wurden erstmals bei einzelnen Menschen Infektionen mit dem klassischen Bornavirus (Borna disease virus 1, BoDV-1) nachgewiesen. Die Infektion, die eine Entzündung des Gehirns auslösen kann, trat bei insgesamt fünf Personen auf, drei davon waren Empfänger von Spenderorganen desselben Spenders, berichtet die Gesellschaft für Virologie (GfV) in einer Mitteilung, die vom Informationsdienst Wissenschaft (idw) veröffentlicht wurde. Vier der Patienten sind verstorben. Laut GfV deuten alle bislang vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse darauf hin, dass es sich bei den menschlichen Erkrankungen um sehr seltene Einzelfälle handelt. Die wissenschaftliche Fachgesellschaft hat zu den aktuellen Fällen eine ausführliche Stellungnahme verfasst.
Schwere Entzündungen des Gehirns
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat bereits im „Epidemiologischen Bulletin“ (10/2018) von den Fällen berichtet.
Dort heißt es, dass Untersuchungen des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Zusammenarbeit unter anderem mit den Universitätskliniken in Regensburg, München und Leipzig erstmals das klassische Bornavirus (Borna disease virus 1, BoDV-1; Spezies Mammalian 1 Bornavirus) als wahrscheinlichen Auslöser von schweren Entzündungen des Gehirns (Enzephalitis) beim Menschen identifizierten.
„Die Erkrankungen traten bei drei Empfängern von Spenderorganen desselben postmortalen Organspenders auf und zwei der transplantierten Patienten verstarben im weiteren Verlauf“, schreiben die Experten.
Darüber hinaus wurde eine BoDV-1-Infektion in zwei weiteren voneinander unabhängigen Todesfällen mit Symptomen einer akuten Enzephalitis nachgewiesen.
Virus unterscheidet sich vom Erreger der 2015 festgestellt wurde
Ende 2016 wurden Forscher vom FLI, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, von den Universitätskliniken hinzugezogen, an denen die Patienten behandelt worden waren, weil die Ursache der Gehirnentzündungen mit der Standarddiagnostik nicht zu finden war.
Schon 2015 war das FLI bei der Aufklärung von drei unklaren Gehirnentzündungen beteiligt. Damals fanden sie bei verstorbenen Bunthörnchen-Züchtern in Sachsen-Anhalt ein neues Bornavirus (Bornavirus der Hörnchen, VSBV-1), das von den Tierchen übertragen wurde.
Diesmal entdeckten die Forscher dank spezieller Analysemethoden das klassische, etwa von Pferden und Schafen bekannte BoDV-1, das sich laut RKI von dem 2015 nachgewiesenen Virus unterscheidet.
Möglicherweise Übertragung durch Feldspitzmäuse
Bei einem Teil der aktuellen BoDV-1-Infektionen hatten sich Organempfänger durch die Transplantation der Organe des infizierten Spenders angesteckt.
„Unklar ist bislang, auf welche Weise sich der Spender selbst sowie die zwei weiteren Betroffenen mit dem Virus infiziert haben“, erläutert Professor Dr. med. Hartmut Hengel, Präsident der GfV.
Eine Übertragung durch Feldspitzmäuse, dem natürlichen Reservoir des Erregers, scheint derzeit die wahrscheinlichste Infektionsquelle und ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.
Eine Übertragung des Virus von erkrankten Pferden oder Schafen auf Menschen oder andere Säugetiere wurde bisher nicht nachgewiesen.
Auch eine Ausscheidung des Virus durch die infizierten Personen konnten Wissenschaftler nicht feststellen. Somit gibt es derzeit keinen Hinweis darauf, dass eine Übertragung von Mensch zu Mensch stattfindet.
Das Vorkommen des BoDV-1 in den Feldspitzmaus-Populationen ist nach heutigem Wissensstand regional begrenzt auf Teile Ost- und Süddeutschlands, Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins.
Eine Infektion mit BoDV-1 lässt sich derzeit nur bei akut erkrankten Personen sicher diagnostizieren.
Kontroverse um die Gefährlichkeit des Virus
In der Vergangenheit gab es um das Virus und seine Gefährlichkeit eine wissenschaftliche Kontroverse. Die Anfang der 1990er Jahre begonnene Forschung am RKI zu möglichen Bornavirus-Infektionen des Menschen wurde 2005 eingestellt.
Damals hieß es, dass man trotz jahrelanger Bemühungen keinen belastbaren Hinweis auf eine Gefährdung des Menschen gefunden habe.
Vermeintliche Bornavirus-Nachweise in menschlichen Proben waren später auf Verunreinigungen im Labor zurückgeführt worden.
Das Thema hatte auch deshalb viel Beachtung gefunden, weil einige der Wissenschaftler das Bornavirus als einen Faktor beim Entstehen von Krankheiten wie Depression und Schizophrenie darstellten.
Doch laut GfV gibt es „für die mitunter veröffentlichte These, wonach ein großer Teil der Bevölkerung mit dem Virus infiziert sei und ein Zusammenhang mit dem Auftreten verschiedener neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen bestehe“, nach wie vor keine wissenschaftlich fundierten Beweise.
Die Experten der GfV sehen hohen Bedarf an einer weiteren Erforschung des Virus, um offene Fragen hinsichtlich Verbreitung, Übertragungswege, Frühdiagnostik und Therapie des Virus zu klären.
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten, interdisziplinären Projektes „Zoonotic Bornavirus Consortium“ wurden bereits entsprechende Forschungsprojekte begonnen und werden nun weiter intensiviert. (ad)
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