Nachweis von gefährlichem Hypoglycin A in Kuhmilch
Kuhmilch gilt gemeinhin als gesunde Ernährungsbereicherung, auch wenn dies nicht gänzliche unumstritten ist. In einer aktuellen Studie wurde nun allerdings erstmals ein Gift aus Ahornbäumen in Rohmilch nachgewiesen, das schlimmstenfalls sogar zum Gesundheitsrisiko werden könnte.
Ein Forschungsteam der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) hat nachgewiesen, dass Kühe das Gift Hypoglycin A über ihre Milch weitergeben können. Die Forschenden haben das Gift in geringen Mengen in der Rohmilch von Kühen gefunden, die auf einer Weide mit Bergahorn grasten. Inwiefern sich hieraus mögliche Gesundheitsrisiken für Verbraucherinnen und Verbraucher ergeben könnten, bleibt unklar. Veröffentlicht wurden die Studienergebnisse in dem Fachjournal „Toxins“.
Schwere Vergiftungen durch Hypoglycin A
Hypoglycin A kann bei Menschen und bei Tieren zu schweren Vergiftungen führen. In hohen Konzentrationen ist das Gift vor allem in unreifen Akee- und Litschi-Früchten sowie in den Samen und Keimlingen verschiedener Ahornbäume zu finden, berichten die Forschenden. Zu Letzteren gehöre beispielsweise der in Europa weit verbreitete Bergahorn.
Die fatale Wirkung des Gifts zeigte sich unter anderem in den Untersuchungen eines indischen Forschungsteams. Der plötzliche Tod mehrerer Hundert Kinder, die zuvor viele Litschis gegessen hatten, wurde mit Hypoglycin A in Zusammenhang gebracht, berichtet die MLU. „Die Substanz stört den Energiestoffwechsel im Körper“ und „ein typisches Symptom beim Menschen ist ein sehr niedriger Blutzuckerspiegel”, erläutert Prof. Dr. Annette Zeyner vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU.
In früheren Studie sei zudem nachgewiesen worden, dass Hypoglycin A aus Ahornbäumen bei Pferden „für die sogenannte Atypische Weidemyopathie verantwortlich ist – eine bis dahin rätselhafte, häufig tödlich verlaufende Erkrankung von einigen Tieren in Weidehaltung.“ So lag für die Forschenden der Verdacht nahe, dass auch Kühe bei der Weidehaltung Keimlinge oder Samen von Ahornbäumen fressen und die Toxine des Ahornbaums aufnehmen.
Rohmilch von Kühen untersucht
In der aktuellen Studie untersuchten sie daher mit Hilfe eines speziellen Massenspektrometrie-Verfahrens, ob sich Hypoglycin A auch in der Rohmilch von Kühen finden lässt. Verschiedene Proben von Milchbauern aus Norddeutschland wurden hierfür analysiert, wobei die Proben aus Milchtanks oder Abfüllstationen stammten. „Wir haben keine Proben von individuellen Kühen untersucht, sondern die Milch mehrerer Kühe aus Sammeltanks verwendet”, erläutert Zeyner.
Ergebnisse der Untersuchung
„Wir haben Hypoglycin A nur in den Rohmilchproben des Betriebs gefunden, auf dessen Weide ein Ahornbaum stand”, berichtet die Studienautorin von den Untersuchungsergebnissen. Die Konzentration der Substanz habe in den Proben bei 17 und 69 Mikrogramm pro Liter Milch gelegen, was geringe und sehr unterschiedliche Konzentrationen seien. „Wenn man aber bedenkt, dass auf der Weide nur ein einziger Baum stand und die Proben aus einem Sammeltank stammten, war es für uns überraschend, überhaupt etwas nachweisen zu können”, betont die Expertin.
Viele offene Fragen
Die aktuelle Studie zeige zum ersten Mal, dass Kühe das Gift offenbar aus Pflanzenteilen des Bergahorns aufnehmen und in ihre Milch übertragen, fassen die Forschenden zusammen. Doch „an diesen Befund schließen sich viele weitere Fragen an”, so Zeyner. Unklar bleibe zum Beispiel, ob die Substanz bei der standardmäßigen Behandlung von Milch und der weiteren Verarbeitung zu Lebensmitteln zerstört wird.
Weitere Studien erforderlich
Auch sei nicht klar, wie viel von dem Gift die Kühe aufnehmen müssen, damit nachweisbare Konzentrationen in die Milch gelangen. Ebenso bleibe unsicher, ob die geringe festgestellte Konzentration überhaupt ein Grund zur Besorgnis ist und wie sich diese ggf. verhindern ließe. Nun seien weitere Untersuchungen erforderlich, um eine potenzielle Gefahr realistisch einschätzen zu können. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Mandy Bochnia, Jörg Ziegler, Maren Glatter, Annette Zeyner: Hypoglycin A in Cow’s Milk—A Pilot Study; in: Toxins (veröffentlicht 26.05.2021), mdpi.com
- Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU): Forschende finden Gift aus Ahornbaum in Kuhmilch (veröffentlicht 07.06.2021), uni-halle.de
Wichtiger Hinweis:
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