Ärzte verlieren nach Transplantationsskandalen Vertrauen in Organspende
26.05.2014
Die Transplantationsskandale haben nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung und mit ihr das von potentiellen Spendern, sondern auch die Meinung von Ärzten und Pflegepersonal nachhaltig geschädigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie.
Ärzte und Pflegende haben ihre Einstellung zur Organspende verändert
Die Manipulationen bei der Organvergabe haben die Meinung der Bürger und somit die von potentiellen Spendern, über das Organspendesystem negativ beeinflusst, wie die stetig sinkenden Transplantationszahlen zeigen. Doch auch Ärzte und Pflegende in Kliniken haben ihre Einstellung zur Organspende zum negativen hin verändert. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam um Thomas Breidenbach, Geschäftsführender Arzt der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) inBayern, wie das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet.
Grundsätzlich positive Einstellung zur Organspende
Die Wissenschaftler hatten im Rahmen einer Studie knapp 3.000 Fragebögen aus 50 bayerischen Kliniken ausgewertet. Die Adressaten waren dabei Ärzte und Pflegende, die auf Intensivstationen, in Operationssälen und im Bereich der Hirntod-Diagnostik arbeiten. 81 Prozent der Teilnehmenden gaben zwar an, eine grundsätzlich positive Einstellung zur Organspende zu haben, doch zugleich vermerkten 28 Prozent, die jüngsten Entwicklungen hätten diese Einstellung negativ beeinflusst. Lediglich 57 Prozent der Befragten würden sich im Notfall selbst eine Transplantation wünschen. Dies sind deutlich weniger als in der gesamten Bevölkerung, in der 85 Prozent diesen Wunsch haben.
Ärzte und Pflegepersonal unzureichend informiert
Begünstigt wurden die Manipulationen aus Sicht der befragten Ärzte durch den Konkurrenzdruck unter den Transplantationszentren. Viele Pflegende hingegen sehen Korrumpierbarkeit beziehungsweise Geldgier einzelner Mediziner als Hauptursache. Zudem glaubt der Großteil aller Befragten nicht, dass die von der Politik getroffenen Maßnahmen Manipulationen künftig verhindern. Aus Sicht der Forscher ein erschreckendes Fazit: 90 Prozent der Ärzte und des Pflegepersonals gaben an, unzureichend über das Thema Organspende informiert zu sein, besonders in Bezug auf die Angehörigenbetreuung. DSO-Arzt Breidenbach alarmiert dieser Fortbildungsbedarf: „Das Engagement von Klinikmitarbeitern hat entscheidenden Einfluss auf die Realisierung von Organspenden.“
Fehler bei der Hirntod-Diagnostik
Die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) hatte im Februar über Fehler bei der Hirntod-Diagnostik berichtet. Demnach mussten sogar Totenscheine aufgrund fehlerhafter Diagnosen nachträglich korrigiert werden. Ärzte hatten in den vergangenen drei Jahren insgesamt bei zehn Patienten Hirntod-Diagnosen ohne Einhaltung der Richtlinien gestellt. Es sei dabei aber in keinem Fall dazu gekommen, dass einem Lebenden Organe entnommen worden seien, berichtete damals Rainer Hess, Vorstand der DOS, gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Wie die SZ schrieb, liege die Ursache in einer unzureichenden Ausbildung der Ärzte im Bereich der Hirntod-Diagnostik.
Zahl der Organspender hat neuen Tiefpunkt erreicht
Auch Breidenbach hatte in einem Interview mit „Spiegel Online“ eingeräumt, dass Ärzte in kleineren Krankenhäusern, die nicht so oft mit dem Thema Hirntod in Berührung kommen, möglicherweise nicht immer ganz genau die Richtlinien kennen würden. „Die Frage, ob man wirklich tot ist, berührt alle Menschen in ihren Sorgen“, so Breidenbach. „Deshalb ist es so wichtig, dass unser Kontrollsystem funktioniert und wir die Fehler richtig einordnen.“ Der DSO zufolge warten derzeit bundesweit 10.778 Menschen auf ein Spenderorgan. 8.000 von ihnen benötigen eine neue Niere. Wie die DSO in ihrem Jahresbericht mitteilte, seien dies etwa dreimal so viel Menschen wie Nierentransplantate vermittelt werden könnten. Laut der DSO hat die Zahl der Organspender im vergangenen Jahr einen neuen Tiefpunkt erreicht. (sb)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.