Milchsäure spielt beim Tumorwachstum eine entscheidende Rolle
Milchsäure (Laktat) ist in zahlreichen biochemischen und zellulären Prozessen involviert. Steht dem Körper beispielsweise zu wenig Sauerstoff zur Verfügung, wird durch eine anaerobe Energieerzeugung Milchsäure produziert, die den Muskel ansäuert. Bereits im Jahr 1913 entdeckte der Forscher Otto Warburg, dass verschiedene Krebszellen auch bei ausreichender Sauerstoffversorgung grosse Mengen Laktat produzieren. Diese als „Warburg-Effekt“ bekannte Entdeckung wurde mit einem Nobelpreis ausgezeichnet. Über 100 Jahre später entschlüsselte nun ein Forschungsteam den genauen Funktionsmechanismus, der hinter den Warburg-Effekt steht und eröffnet damit neue Ansätze zur Krebsbekämpfung.
Forschende der Universität Bern beschreiben erstmals einen Transportkreislauf von Krebszellen, der das Überleben des Tumors sichert und dessen Wachstum fördert. Dabei spielt Milchsäure eine entscheidende Rolle. Offenbar nutzen bestimmte Tumorzellen die anaerobe Energieerzeugung, um ihren hohen Energiebedarf zu decken. Dabei entsteht eine große Menge an Laktat. Wie das Berner Forschungsteam nun entdeckte, nutzen die Tumorzellen spezielle Transport-Proteine, um das Laktat auszuschleusen. Der Abtransport sichert nicht nur das Überleben der Krebszellen, sondern säuert auch noch die Umgebung des Tumors an, wodurch seine Wachstum gefördert wird. Die Studienergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellt.
Laktat-Kreislauf versorgt Krebszellen mit Energie
Laut dem Berner Forschungsteam sind bestimmte Krebszellen darauf angewiesen, große Mengen an Laktat abzutransportieren, um das Überleben der Zellen zu sichern. Hierfür nutzen sie ein Transport-Protein namens „Monocarboxylat-Transporter 4“ (MCT4). Das Protein ist in die Zellmembran eingebettet und befördert das Laktat von „drinnen“ nach „draußen“. Nach Angaben der Forschenden wird hierdurch die Umgebung der Krebszelle angesäuert, wodurch das Wachstum und die Metastasierung des Tumors angeregt wird. Das abtransportierte Laktat wird dann von einem weiteren Transport-Protein namens MCT1 aufgenommen und in andere Krebszellen erneut eingeschleust, wo es den Zellen als Nahrung dient.
Transportwege der Krebszellen blockieren
Als erfolgversprechender Ansatz gilt deshalb, die Transportwege des Laktats zu blockieren, indem die Proteine MCT1 und MCT4 gehemmt werden. Bislang sind jedoch keine solchen Hemmstoffe auf dem Markt zugelassen. „Um solche wirksamen und hochspezifischen Hemmstoffe zu entwickeln, braucht es detaillierte Kenntnisse über die Struktur von MCT1 und MCT4“, erklärt Forschungsleiter Dimitrios Fotiadis vom Institut für Biochemie und Molekulare Medizin (IBMM). Die genaue Struktur dieser Transport-Proteine war bislang unbekannt. Dem Berner Team ist es nun gelungen, den genauen Aufbau zu entschlüsseln und zu dokumentieren. Hierdurch sei der Grundstein für die Entwicklung von gezielten Hemmstoffen zur Blockierung der Krebs-Transportwege gelegt.
Mögliche Angriffspunkte identifiziert
„Die entschlüsselte Struktur zusammen mit unserer ausführlichen Transportstudie können nun dazu beitragen, Arzneistoffe basierend auf Modell-Strukturen von MCT1 und MCT4 zu entwickeln“, resümiert der Studienleiter. Darüber hinaus entdeckte das Team auch eine mögliche Andockstelle auf der Aussenseite des Proteins, die als Angriffsstelle für Wirkstoffe dienen könnte. Dies sei aus pharmakologischer Sicht von großer Bedeutung, da hierdurch zukünftige Hemmstoffe viel schneller erprobt werden können. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Bern: Krebsbekämpfung: Struktur von wichtigem Transport-Protein entschlüsselt, (Abruf: 22.06.2019), unibe.ch
- Bosshart, Patrick D. / Kalbermatter, David / Bonetti, Sara / Fotiadis, Dimitrios: Mechanistic basis of L-lactate transport in the SLC16 solute carrier family, Naure Communications, (Abruf: 22.06.2019), nature.com
Wichtiger Hinweis:
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