Krankenkassen müssen Brustvergrößerung bei Transsexuellen bezahlen
12.09.2012
Das Bundessozialgericht in Kassel hat einer Klage zweier Transsexuellen stattgegeben. Menschen, die transsexuell sind, haben einen Erstattungsanspruch gegenüber ihrer Krankenkasse für die Übernahme der Kosten einer klinischen Brustvergrößerung, so die Richter. Schließlich mache der Gesetzgeber bei Transsexualität unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme. Entscheidend sei, ob eine zuvor stattgefundene Hormonbehandlung keine bis wenig Effekte erzielte.
„Kommt bei Mann-zu-Frau Transsexualität eine Brustvergrößerung nur dann konkret in Betracht, wenn entweder die geschlechtsangleichende Operation mit der Entfernung der männlichen Keimdrüsen nicht zu einem akzeptablen Wachstum der Brüste geführt hat oder eine geschlechtsangleichende Operation gar nicht durchgeführt werden soll?“ Dieser Frage ging heute das Bundessozialgericht in Kassel nach und entschied zugunsten der Klägerinnen.
Mann-zu-Frau Transsexualität mit Anspruch auf Brustvergrößerung
Wollen Frauen eine Brustvergrößerung aus ästhetischen Gründen unternehmen lassen, müssen sie die Kosten aus eigener Tasche bezahlen. Ein Brust-Op mit Implantaten gehört nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, so die gängige Rechtsprechung. Wie das Bundessozialgericht in Kassel heute urteilte, haben Transsexuelle (Mann zu Frau) im Grundsatz einen Anspruch auf die Finanzierung einer medizinischen Brustvergrößerung, wenn die minimale anvisierte Körpchengröße durch eine hormonelle Behandlung nicht erreicht wurde. Allerdings sei hierfür die Voraussetzung, dass die Hormontherapie bislang nicht anschlug und zudem nicht mindestens die Körpchengröße A erreicht wurde, wie die obersten Sozialrichter urteilten.
Die Richter begründeten ihre Auffassung damit, dass der Gesetzgeber bei Transsexualität eine absolute Ausnahme anerkannt hat. Zur „Minderung des psychischen Leiden“ des Betroffenen gestatte dieser ein Behandlungsanspruch ausnahmsweise auch bei einem „Eingriff in gesunde Organe“. Zudem betonten die Richter, dass eine vorangegangene Umwandlung der Geschlechtsorgane für den Anspruch nicht erforderlich sei (Aktenzeichen: B 1 KR 9/12 R sowie B 1 KR 3/12 R).
Kasse weigerte sich die Kosten für die Operation zu tragen
Das Gericht verhandelte gleich zwei Fälle. In dem ersten hatte die Krankenkasse die Therapiekosten einer 62-Jährigen Klägerin für eine Hormonbehandlung sowie der Umwandlung der Genitalen übernommen. Weil sich jedoch trotz der Gabe von Hormonen nur sehr kleine Brustansätze gebildet hatten, beantragte die Frau die Kostenübernahme für Implantat Operation zur plastischen Herstellung einer weiblichen Brust. Die operative Brustvergrößerung wurde allerdings von Seiten der Kasse abgelehnt. Die Krankenversicherung argumentierte, eine „Operation an gesunden Organen“ finde sich nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen wieder. Daher werden derlei „Schönheitsoperationen“ grundsätzlich nicht finanziert.
In zweiten verhandelten Fall hatte die Kasse bereits eine Hormontherapie, eine chirurgische Feminisierung des Gesichts sowie zwei Eingriffe zur Höhenveränderung der Stimmlage bezahlt. Auch die Kostenübernahme für eine Entfernung und Umwandlung der Geschlechtsorgane war bereits bewilligt, allerdings von der Klägerin noch nicht in Anspruch genommen. Auch hier weigerte sich die Kasse, einen Brustvergrößerung zu bezahlen. Allerdings argumentierte die Kasse, dass durch die Genitaloperation auch eine hormonelle Umwandlung geschehen könne, die zu einer Vergrößerung der Brust führe. Daher solle diese Operation zunächst vorausgegangen sein, bevor über eine Brust-OP entschieden werde.
Brust-OP wenn Körpchengröße A durch Hormongabe nicht erreicht wurde
Beide Argumentationsmuster wurden seitens der obersten Sozialrichter abgewiesen. Weil der Gesetzgeber bei Transsexualität eine Ausnahmestellung sieht, müssen die Krankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Umwandlung der Brust finanzieren, auch wenn es sich um ein eigentlich gesundes Organ handelt. Dieser Richterspruch gilt jedoch nur, wenn die Körpchengröße A beispielsweise durch die Gabe von Hormonen noch nicht erreicht wurde.
Wurde die Brustgröße bereits erreicht, handelt es sich um ein “unzweifelhaft geschlechtstypischer Bereich”. Dann bestehe ein Anspruch zur Finanzierung seitens der Kasse nicht mehr. Daher wurde die erste Klage wieder zur erneuten Überprüfung an das Landessozialgericht Hessen verwiesen.
Genitaloperation keine Voraussetzung
In dem zweiten Fall entschieden die Bundessozialrichter, dass die Krankenkasse ein zuvor unternommene Umwandlung der Geschlechtsorgane nicht verlangen darf. Das Bundessozialgericht verwies in seiner Urteilsbegründung auf ein zuvor gefälltes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Demnach sei es nicht mehr notwendig für eine Namensänderung, eine solccurioshe Operation durchführen zu lassen. (sb)
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