Trendwende bei der Verschreibung von ADHS-Medikamenten
29.04.2011
Die Barmer GEK berichtet von einer Trendwende bei der Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Während die Verordnung von Arzneimitteln zur ADHS-Behandlung seit den 1990er Jahren insgesamt massiv gestiegen ist, sei in den letzten Jahren nur noch eine leichte Zunahme, teilweise sogar ein Rückgang, bei den Verschreibungen zu verzeichnen gewesen.
Bei den verschriebenen ADHS-Medikamenten war 2009 erstmals ein leichter Rückgang um rund ein Prozent zu verzeichnen, so die Mitteilung der Barmer GEK am Donnerstag. Obwohl die Verordnungsrate der Arzneimittel weiterhin auf hohem Niveau liegt, könne von einer Trendwende gesprochen werden. Für die Leiterin des medizinischen Kompetenzzentrums der BARMER GEK, Dr. Ursula Marschall, ist dies auch das Resultat der geänderten Verschreibungsvorgaben. „Wo vielfältige Therapiemethoden zum Einsatz kommen und die Eltern gezielt unterstützt werden, lässt sich auch der Einsatz von Arzneimitteln reduzieren“; betonte Dr. Marschall.
Verschreibung von ADHS-Medikamenten erstmals rückläufig
Die Auswertung der Versichertendaten der ehemaligen Barmer Krankenversicherung (heute: Barmer GEK) aus den Jahren 2004 bis 2009 hat ergeben, dass die Steigerungsraten bei der Verordnung von ADHS-Medikamenten im Untersuchungszeitraum immer geringer ausfielen und im Jahr 2009 erstmals ein Rückgang zu verzeichnen war. Allerdings lagen die Prozentzuwächse zuvor oft im zweistelligen Bereich und die Verschreibung der ADHS-Medikamente hat sich, gemessen an den Tagesdosierungen, in den untersuchten sechs Jahren nahezu verdoppelt – von 33 auf 64 Millionen Tagesdosen. Wie die Barmer GEK mitteilte, nahm die Verschreibung der Medikamente zur ADHS-Behandlung im Jahr 2005 um 43,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu, 2006 um 20,7 Prozent; 2007 noch um 10,8 Prozent und 2008 lediglich um 2,4 Prozent. 2009 konnte dann erstmals ein leichter Rückgang um 1,2 Prozent gemeldet werden. Für die Barmer GEK klares Zeichen einer Trendwende bei der Behandlung von ADHS. Dr. Ursula Marschall führt die erstmalige Reduzierung des Arzneimitteleinsatzes dabei auch auf geänderte Verschreibungsvorgaben zurück, denn heute würden „Ritalin & Co nur dann verabreicht, wenn zuvor andere Therapiemaßnahmen nicht gegriffen haben“.
Insbesondere bei Kindern werden weniger ADHS-Medikamente verschrieben
Die Trendwende in der ADHS-Behandlung sei vor allem bei den Kindern zu erkennen, berichten die Experten der Barmer GEK. So wurde 2009 bei den Kindern im Alter bis vier Jahre ein Rückgang der Verschreibung von Ritalin & Co. um minus 8,5 Prozent festgestellt, bei den Fünf- bis Neunjährigen lag der Rückgang 2009 bei minus 5,4 Prozent. Eine durchaus positive Entwicklung, wie auch die Experten der Barmer GEK bestätigten. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Trend steht jedoch eine Zunahme der Verschreibungen von ADHS-Medikamenten bei den 20- bis 29-Jährigen um fünf Prozent im Jahr 2009. Dabei sind die Präparate laut Aussage von Dr. Marschall bisher gar nicht für die Behandlung bei Erwachsenen zugelassen. Um diese rechtliche Grauzone zu beheben, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) seit April die Verordnung des Wirkstoffs Methylphenidat auch für Erwachsene zugelassen. „Die Zulassungserweiterung gilt allerdings nur für ein einziges Präparat, das im Sommer verfügbar sein wird“, erklärte Dr. Marschall.
Trendwende oder statistische Normalität?
ADHS tritt meist schon im Kindesalter auf und ist gekennzeichnet durch Aufmerksamkeitsprobleme, Impulsivität oft begleitet von Hyperaktivität. In Deutschland leiden nach Expertenschätzungen rund drei bis zehn Prozent aller Kinder unter ADHS-Symptomen. Die auch als Zappel-Philipp-Syndrom bekannte Krankheit wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer häufiger diagnostiziert und entsprechend ist der Einsatz von Medikamenten zu Behandlung gestiegen. Dass nun erstmalig ein Rückgang bei der Verordnung von ADHS-Medikamenten festzustellen war, könnte demnach zumindest teilweise darauf zurückzuführen sein, dass auch die Anzahl der Betroffenen rückläufig war. Diesem Aspekt wird bei der Auswertung der Barmer GEK jedoch keine Rechnung getragen und es bleibt ebenfalls unerwähnt, dass eine Abnahme der Steigerungsraten bei insgesamt zunehmendem Niveau nicht zwangsweise auf eine Trendwende hinweisen muss. Denn generell werden weitere Steigerung – bei dem bereits erreichten hohem Niveau von 64 Millionen verordneten Tagesdosen – in Zukunft nur noch geringe Prozentzuwächse ausmachen. (fp)
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Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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