Wie Hersteller von Lebensmitteln die Verbraucher austricksen und täuschen
19.07.2013
Viele Lebensmittelhersteller bewerben ihre Produkte mit Hinweisen auf den Verpackungen wie „Frei von Konservierungsstoffen“ oder „Ohne künstliche Aromen“. Verbraucherschützer warnen jedoch vor derartigen Verklausulierungen. Denn dem Kunden ist meist nicht klar, dass „Frei von“ in der Regel ein „aber stattdessen“ bedeutet. Häufig werden die Inhaltsstoffe nur gegen andere ausgetauscht und der Verbraucher damit in die Irre geführt. Anlässlich des zweijährigen Bestehens des Internetportals Lebensmittelklarheit.de nehmen Verbraucherschützer die „Frei von“-Hinweise genauer unter die Lupe.
Verbraucher werden bei Lebensmittel häufig mit Hinweisen wie „Frei von“ in die Irre geführt
Wenn ein Produkt den Hinweis „Frei von“ enthält bedeute das zwar, dass ein bestimmter Inhaltsstoff gemieden werde, jedoch in der Regel durch einen anderen ersetzt werde. Dieser ist aber meist nicht ungesund. Dabei gehe es „eher um mangelnde Transparenz“, erklärt Martin Rücker von der Verbraucherorganisation Foodwatch gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
So bedeute „Frei von künstlichen Aromen“ meist nicht, dass keine Aromen in Produkten wie beispielsweise Erdbeerjoghurt enthalten seien. Statt der künstlichen würden häufig natürliche Aromastoffe eingesetzt, erläutert Rücker. „Die kommen zwar geschmacklich dem Geschmack von Erdbeeren gleich, haben aber mit Erdbeeren nicht zwingend etwas zu tun.“ Dabei spiele es keine Rolle, aus welchem Ausgangsstoff das Aroma hergestellt werde, solange es nicht künstlich sei. Sogar Holz oder Papier könnten beispielsweise eingesetzt werden. „Sie können aus den wildesten Sachen Aromen herausziehen“, berichtet der Foodwatch-Experte.
Auch der Hinweis „Frei von Geschmacksverstärkern“ hält nicht wirklich, was er verspricht. Denn wie Rücker erläutert, enthielten Produkte statt der Geschmacksverstärker manchmal Hefeextrakt. „Das ist vor dem Lebensmittelrecht kein Geschmacksverstärker, aber es hat eine geschmacksverstärkende Wirkung.“ Offiziell verwenden die Hersteller dann nur eine weitere Zutat, obwohl tatsächlich ein Stoff mit genau dieser Wirkung zugefügt wird.
Viele Inhaltsstoffe von Lebensmitteln sind nicht gesundheitsschädlich aber eine Täuschung am Verbraucher
Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg berichtet gegenüber der Nachrichtenagentur, dass auch beim Hinweis „Frei von künstlichen Farbstoffen“ tief in die Trickkiste gegriffen wird. Denn ähnlich wie bei den Aromen würden die künstlichen Farbstoffe einfach durch natürliche ersetzt werden. Beim Erdbeerjoghurt sei beispielsweise häufig Rote-Beete-Saft als Färbemittel enthalten. Das sei zwar nicht gesundheitsschädlich aber eine Verbrauchertäuschung, so Schwartau.
Auch der Aufdruck „Frei von Zuckerzusatz“ bedeute keineswegs, dass kein Fruchtzucker in einem Produkt enthalten sei. „Ein Müsli zum Beispiel kann trotzdem sehr süß sein, weil Früchte drin sind, die von Natur aus viel Zucker enthalten,“ erläutert die Verbraucherschützerin. Auch von Hinweisen wie „30 Prozent weniger Zucker“ sollten sich die Kunden nicht in die Irre führen lassen. Denn es könne trotzdem viel mehr Zucker enthalten sein als in einen ähnlichen Produkt eines anderen Herstellers, gibt Schwartau zu bedenken. Die 30 Prozent würden sich lediglich auf die ursprüngliche Rezeptur des Produkts beziehen. Ein Blick auf die Nährwerttabelle könne Aufschluss geben.
„Frei von Konservierungsstoffen“ gehöre auch zu den Hinweisen, die Verbraucher leicht täuschen könnten. So werde Essigsäure bereits seit Jahrtausenden zur Konservierung von Lebensmitteln verwendet, laut Gesetz müsse sie aber nicht als Konservierungsstoff ausgewiesen werden, erläutert Schwartau. Deshalb sei sie in vielen Produkten enthalten, die den Aufdruck „Frei von Konservierungsstoffen“ trügen.
Verbraucherschützer fordern mehr Transparenz bei der Kennzeichnung von Lebensmitten
Foodwatch fordert wirksamere, gesetzliche Maßnahmen gegen die Verbrauchertäuschung. Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelwerbung bei Foodwatch, zieht anlässlich des zweijährigen Bestehens der Verbraucherschützer-Plattform „Lebensmittelklarheit.de“ Bilanz: „Zwei Jahre lang fördert Frau Aigner fröhlich eine Aufklärungsseite über Etikettenschwindel, lässt sich von der Begleitforschung zum Portal klipp und klar sagen, dass Gesetzesänderungen nötig sind – allein, getan hat sie praktisch nichts.“ Es reiche einfach nicht aus, wenn durch das Portal einige Produkte ehrlicher würden. In den Supermärkten müssten Verbraucher vor der Täuschung durch hunderttausende Lebensmitteln geschützt werden. „Die Aufgabe der Ministerin liegt darin, Verbraucher vor dem alltäglichen Schwindel zu schützen – das will sie offenbar aussitzen bis zum Ende ihrer Amtszeit“, so Huizinga.
Foodwatch hat sich zum Ziel gesetzt, verbraucherfeindliche Praktiken der Lebensmittelindustrie aufzudecken und kämpft für das Recht der Verbraucher auf gesunde, qualitativ gute Lebensmittel. So vergibt die Organisation alljährlich einen Negativ-Preis für die dreistesten Werbelügen bei Kinderlebensmittel , für den in diesem Jahr Capri-Sonne von Wild, Monster-Backe Knister von Ehrmann, Paula von Dr. Oetker, Pom-Bär von funnyfrisch und Kosmostars von Nestlé nominiert wurden. Abgestimmt werden kann auf der Internetseite der Kampagne. (ag)
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Autoren- und Quelleninformationen
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