Mehrheit der jungen Frauen nahm Pillen mit erhöhtem Thrombose-Risiko ein
Ein Großteil der jungen Frauen, die mit der Antibabypille verhüten, verwenden Pillen der 3. oder 4. Generation. Wie die Techniker Krankenkasse (TK) berichtet, habe eine aktuelle Auswertung ergeben, dass zwei von drei der TK-versicherten Pillenanwenderinnen zwischen 11 und 19 Jahren im Jahr 2014 eines der neueren Präparate eingenommen haben. Diese versprechen neben einer zuverlässigen Verhütung eine Reihe weiterer positiver Effekte wie geringere Regelschmerzen und ein verbessertes Hautbild. Doch es kann auch unerfreuliche Nebenwirkungen geben, denn die modernen Präparate haben offenbar ein wesentlich größeres Thrombose-Risiko als frühere Pillen.
Moderne Anti-Baby-Pille birgt vergleichsweise höheres Risiko für Thrombose
Weniger Schmerzen während der Periode, gleichbleibendes Gewicht und keine Pickel mehr: Die neuen Anti-Baby-Pillen der 3. und 4. Generation sind nicht mehr nur Verhütungsmittel, sondern versprechen eine Reihe positiver Zusatzeffekte. Das scheint viele junge Frauen, die mit der Pille verhüten möchten, zu überzeugen. Wie die TK mitteilt, haben im vergangen Jahr 62 Prozent der bei der Kasse versicherten Pillenanwenderinnen im Alter von 11 bis 19 Jahren eines der neueren Mittel verwendet. Jede 16. Nutzerin (6,4 Prozent) in dem Alter verwendete eine Kombination mit dem Wirkstoff Drospirenon.
Doch die neuen Präparate können offenbar auch unerfreuliche Nebenwirkungen hervorrufen. Wie der “Pillenreport” der TK aufzeigt, besteht durch die Einnahme der Präparate ein deutlich höheres Risiko für eine Thrombose als bei Pillen der zweiten Generation. Laut dem Report, den die Kasse gemeinsam mit der Universität Bremen erstellt hat, seien ältere Präparate mit dem synthetischen Gestagen Levonorgestrel zwar ebenso zuverlässig bei der Verhütung – dennoch würden die moderneren Pillen als vermeintlich besser angesehen und wesentlich häufiger verschrieben, berichtet die TK. Denn heute würden die Präparate dahingehend optimiert, z.B. auch Regelschmerzen und Hautprobleme zu lindern. „Jetzt beobachten wir, dass sie gezielt weiterentwickelt wird, um bestimmten Schönheitsidealen näherzukommen und zu eine Lifestylepräparat wird”, so Professor Petra Thürmann, Direktorin des Philipp-Klee-Instituts für klinische Pharmakologie, laut einer Mitteilung der Kasse.
Neun bis zwölf Anwenderinnen pro 10.000 Frauen betroffen
Für den “Pillenreport” hatte die TK unter anderem Informationen der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie verschiedene Fachartikel ausgewertet. Das BfArM hatte demnach schon im März 2014 verkündet, dass in den Fachinformationen auf das höhere Thrombose-Risiko einiger neuen Pillen hingewiesen werden müsse und Hersteller aufgefordert, Produkte mit unklarem Risiko weiter untersuchen zu lassen. Denn zuvor hatte eine Studie vom BfArM und anderen europäischen Behörden zu den Risiken sogenannter kombinierter oraler Kontrazeptiva (KOK) ergeben, dass von den drospirenonhaltigen Mitteln der neueren Generation ein erhöhtes Risiko für eine venöse Thromboembolie ausgehe. Demnach seien bei diesen Mitteln neun bis zwölf Anwenderinnen pro
10.000 Frauen betroffen, bei den älteren Präparaten hingegen nur fünf bis sieben Patientinnen.
Beratung gerade bei jüngere Erstanwenderinnen wichtig
Dementsprechend sollten Ärzte vor allem auf eine sorgfältige Aufklärung achten, wenn es junge Patientinnen aufgrund von unreiner Haut, Akne o.ä. auf ganz bestimmte Präparate abgesehen haben. „Die Pille ist ein zuverlässiges und sicheres Arzneimittel zur Verhütung. Bei unterschiedlichen Risiken und Nebenwirkungen möchten wir, dass unsere Versicherten mit ihrem Arzt sprechen und eine bewusste Entscheidung treffen, welches Pillen-Präparat sie einnehmen”, so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK.
Auch die Pharmaindustrie müsse sich demnach ihrer Verantwortung entsprechend verhalten und ihr Marketing so anpassen, dass nicht nur die Vorteile der neueren Mittel hervorgehoben werden. „Auch auf das höhere Thromboserisiko gegenüber anderen Pillen muss hingewiesen werden. Es muss deutlich werden, dass die Pille keine Schönheits-Creme zum Schlucken ist, sondern ein verschreibungspflichtiges Medikament“, betonte Dr. Baas weiter.
Frauen, die entsprechende Produkte bereits nehmen, sollten angesichts der aktuellen Ergebnisse jedoch nicht in Panik geraten. Thrombosen können zwar lebensbedrohliche Folgen haben, treten aber relativ selten auf. „Trotzdem muss jetzt niemand Angst haben oder die Pille überstürzt absetzen”, erläutert Professor Dr. Gerd Glaeske von der Universität Bremen. Frauen, die gerade mit der Einnahme begonnen haben, sollten sich am besten einen Termin beim Frauenarzt geben lassen und mit diesem alles Notwendige besprechen. „Wer ein Präparat schon über mehrere Jahre einnimmt und gut verträgt, kann das Thema beim nächsten Routinetermin ansprechen“, so der Experte weiter.
Pille seit mehr als 50 Jahren auf dem Markt
1961 brachte die Firma Schering mit „Anovlar“ das erste Antibabypillen-Präparat auf den europäischen Markt, welches 21 Dragees mit dem Östrogen Ethinylestradiol und dem Gestagen Norethisteron enthielt. Bereits nach kurzer Zeit entflammten die ersten kontroversen Diskussionen im Zusammenhang mit der neuen Verhütungspille, da Fälle von Thrombose, Herzinfarkt und Schlaganfall nach der Einnahme der hochdosierten Kontrazeptiva bekannt wurden. Mehr als ein halbes Jahrhundert später ist die „Pille“ in der Zwischenzeit zum meist angewendeten Verhütungsmittel geworden, wobei sie im Laufe der Zeit ständig weiterentwickelt wurde. Die jüngsten Antibabypillen enthalten künstliche Gestagene, beispielsweise Gestoden oder Desogestrel (3. Generation) und Drospirenon (4. Generation), welche die beliebten Zusatzeffekte versprechen. (nr)
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