Immunitätstypen bestimmen Tuberkulose-Krankheitsverlauf
Die Tuberkulose (kurz: TB oder Tbc) ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Die durch Bakterien ausgelöste Krankheit verursacht pro Minute weltweit drei Todesfälle. Doch nicht alle Infizierten erkranken oder sterben. Forschende haben nun eine bahnbrechende Entdeckung zur Immunität gegen Tuberkulose gemacht.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es gelungen, unterschiedliche Immunantworten von Tuberkulosepatientinnen und -patienten zu charakterisieren und Gruppen an Erkrankten zu identifizieren, die eine sehr geringe oder eine sehr starke Immunantwort auf den bakteriellen Erreger zeigten.
Zweithäufigste Todesursache durch Infektionskrankheiten
Wie das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in einer aktuellen Mitteilung erklärt, ist die Tuberkulose eine Infektionskrankheit, die durch das Mycobacterium tuberculosis verursacht wird.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass etwa ein Viertel der Weltbevölkerung mit diesem Erreger infiziert ist. Jährlich sterben mehr als 1,5 Millionen Menschen daran. Damit ist die Tuberkulose weltweit die häufigste durch Bakterien verursachte Todesursache und steht insgesamt nach COVID-19 an zweiter Stelle der Todesursachen durch Infektionskrankheiten.
Die meisten Infizierten erkranken nicht
Interessanterweise erkrankt aber die Mehrheit der Menschen nach einer Infektion mit diesem Bakterium nicht. Bei denjenigen, die an Tuberkulose erkranken, kann der Krankheitsverlauf sehr unterschiedlich sein.
Die meisten Tuberkulosekranken entwickeln eine chronische Lungenentzündung, während bei anderen Patientinnen und Patienten auch Lymphknoten, Knochen oder das zentrale Nervensystem betroffen sein können.
Schon seit Jahrzehnten untersuchen Forscherinnen und Forscher die menschliche Reaktion auf Tuberkulosebakterien, um besser zu verstehen, was nötig ist, um eine schützende Immunität gegen diese Krankheit aufzubauen.
Geringe oder zu ausgeprägte Immunität
Jetzt haben Forscherinnen und Forscher des Baylor College of Medicine und des Texas Children’s Hospital in Houston, Texas (USA) gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des DZIF eine bahnbrechende Entdeckung zur menschlichen Immunität gegen Tuberkulose gemacht:
Die Fachleute konnten unter den Betroffenen anhand von Blutanalysen „Endotypen“ ausmachen, die mit einer zu geringen oder einer zu ausgeprägten Immunität einhergingen.
Erschöpfung des Immunsystems
Ärztinnen und Ärzte, die Tuberkulosekranke betreuen, haben seit Jahren die Beobachtung gemacht, dass manche Betroffene mit einer sehr starken Reaktion ihres Immunsystems antworten und durch eine überschießende Entzündung irreversible Gewebe- und Organschäden verursachen, während andere offenbar eine zu gering ausgeprägte Immunantwort zeigen, um die Infektion zu überwinden und die Bakterien abzutöten.
Ansätze, die aus der modernen Krebsforschung abgeleitet wurden, waren Vorbild für die aktuelle Analyse. Hierbei wurden große Datensätze aus zuvor veröffentlichten Publikationen genutzt, um die Immunantwort der Patientinnen und Patienten zu charakterisieren.
Die Forschenden konzentrierten sich auf die unterschiedliche Produktion von Ribonukleinsäuren (RNA) in Blutzellen. Mit dieser Information konnten sie bestimmte Gruppen unter den Tuberkulose-Erkrankten ausmachen, die mit zu gering oder zu ausgeprägter Immunität einhergingen.
Interessant war hierbei auch, dass Tuberkulose-Patientinnen und -Patienten oft durch eine Erschöpfung des Immunsystems charakterisiert sind. Die verschiedenen Gruppen werden jetzt als „Endotypen“ benannt.
Personalisierte Therapie könnte enorm verbessert werden
Die Autorinnen und Autoren konnten bei einer unabhängigen Kohorte nachweisen, dass ein Endotyp eine bessere Prognose für die Heilung von Tuberkulose hatte als der andere.
Mithilfe von Computermodellen sagten sie auch voraus, welche Art von Medikamenten notwendig wäre, um das Immunsystem der verschiedenen Endotypen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Solche personalisierten Therapieansätze könnten in Zukunft zu einer enormen Verbesserung der Behandlungsergebnisse führen und sogar die Therapiedauer verkürzen.
„Die wirtsspezifischen Immuntherapien, die wir identifiziert haben, werden für einen der Endotypen vorteilhaft sein, während sie für Patienten mit einem anderen Endotyp möglicherweise nachteilig sind“, sagt Professor Andrew DiNardo vom Baylor College von Medicine, der das Konzept der Endotypen federführend entwickelt hat.
„Die Ergebnisse dieser Studie werden den Weg für wirtsspezifische Therapien für einzelne Gruppen von Tuberkulosepatienten ebnen, mit dem großen Potenzial, die Behandlungsergebnisse für die tödlichste aller bakteriellen Infektionskrankheiten zu verbessern“, so Prof. Jan Heyckendorf, DZIF-Tuberkuloseforscher und einer der Erstautoren der in der Fachzeitschrift „European Respiratory Journal“ veröffentlichten Studie. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Zentrum für Infektionsforschung: Tuberkulose: Verschiedene Immunitätstypen bestimmen den Krankheitsverlauf, (Abruf: 23.02.2022), Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
- Andrew R. DiNardo, Tanmay Gandhi, Jan Heyckendorf, Sandra L. Grimm, Kimal Rajapakshe, Tomoki Nishiguchi, Maja Reimann, H. Lester Kirchner, Jaqueline Kahari, Qiniso Dlamini, Christoph Lange, Torsten Goldmann, Sebastian Marwitz, Abhimanyu, Jeffrey D. Cirillo, Stefan HE Kaufmann, Mihai G. Netea, Reinout van Crevel, Anna M. Mandalakas, Cristian Coarfa: Gene expression signatures identify biologically and clinically distinct tuberculosis endotypes; in: European Respiratory Journal, (veröffentlicht: 15.02.2022), European Respiratory Journal
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.