Türkischer Junge kommt nicht auf Liste für Spenderherz
25.10.2014
In einem Gerichtsurteil wurde entschieden, dass die Uniklinik Gießen einen herzkranken Jungen mit schwerem Hirnschaden nicht auf die Warteliste für ein Spenderorgan setzen muss. Die Ärzte halten den türkischen Zweijährigen nicht für transplantationsfähig.
Zweijähriger Junge kommt nicht auf Warteliste
Nach einem monatelangen Streit hat das Landgericht Gießen nun entschieden, dass die Uniklinik Gießen einen herzkranken Jungen mit schwerem Hirnschaden nicht auf die Warteliste für ein Spenderorgan setzen muss. Dies geht aus einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa hervor. Die Richter stützten damitdas Vorgehen der behandelnden Ärzte, die den Zweijährigen wegen der Schädigung und den damit verbundenen Risiken für nicht transplantationsfähig halten. Derzeit ist der Junge an ein künstliches Herz angeschlossen. Den Angaben zufolge will der Anwalt der Eltern Rechtsmittel einlegen.
Hirnschaden nach Herzstillstand
Ende März waren die Eltern mit ihrem Sohn zur Behandlung aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Kurz vor der Verlegung aus einem Istanbuler Krankenhaus nach Gießen erlitt der Junge einen Herzstillstand. Die Mediziner in Gießen stellten daraufhin fest, dass der Zweijährige dadurch einen schweren Hirnschaden erlitten hatte. Die Ärzte entschieden sich deshalb dafür, das Kind nicht auf die Warteliste zu setzen, woraufhin die Eltern im September das Gericht angerufen hatten. In der Urteilsbegründung heißt es jetzt, dass die Einschätzung der Ärzte nicht zu beanstanden sei. Sowohl die entsprechende Norm des Transplantationsgesetzes als auch die Richtlinien der Bundesärztekammer seien wirksam. Die Mediziner hatten sich auf diese Regelungen berufen.
Mediziner weisen Vorwurf der Diskriminierung zurück
In den vergangenen Wochen hat der Fall für großes Aufsehen gesorgt. So warfen manche Kritiker den Ärzten vor, dass sie Behinderte diskriminierten. Auch Politiker meldeten sich zu Wort. Wie der „Spiegel“ berichtet, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler: „Ein Spenderorgan zu bekommen, darf keine Frage des Geldbeutels oder einer Behinderung sein.“ Von Seiten der Klinik wurden solche Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen. Die Richter gaben den Medizinern in ihrem Urteil Rückendeckung und erklärten, dass keine Diskriminierung vorliege. So sei nicht die Hirnschädigung an sich, sondern die damit verbundenen erhöhten Operationsrisiken ein Hindernis für die Transplantation.
Klinik will auf Eltern zugehen
Der Anwalt der Eltern erklärte, dass er die Entscheidung des Gerichts bedauere. Die vorgebrachte Kritik am Transplantationsgesetz und den Richtlinien der Bundesärztekammer würden ausgeblendet. Der Sprecher des Uniklinikums in Gießen teilte mit, dass man sich durch das Urteil in der Einschätzung des Falls „vollumfänglich“ bestätigt sehe. Jetzt werde man auf die Eltern zugehen und die noch verbleibenden Behandlungsmöglichkeiten besprechen. Zunächst hatten sich die Eltern in dem Streit mit der Klinik auf einen sogenannten Zwischenvergleich geeinigt. Die Eltern bekamen demnach vier Wochen Zeit, eine andere Klinik zu finden. Da dies jedoch scheiterte, musste das Gericht entscheiden.
Versorgung auf hohem Niveau
Auch wenn die herzchirurgische Versorgung in Deutschland auf einem hohen Niveau ist, setzt sich aus Sicht der Herzchirurgen bei den Zahlen der Herztransplantationen hierzulande eine dramatische Entwicklung fort. So wurde Anfang des Jahres berichtet, dass solche Eingriffe an den 22 Transplantationszentren in Deutschland, die Spenderherzen transplantieren, seit 1997 deutlich zurückgegangen ist. Ein Experte erklärte damals, dass etwa 1.000 Patienten auf den Wartelisten stehen und meist monatelang auf die lebensrettenden Transplantationen warten müssen. (ad)
Bild: Helene Souza / pixelio.de
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