Schutz vor Typ-2-Diabetes durch Semaglutid
Wöchentliche Injektionen eines Medikaments zur Behandlung von Adipositas halbieren das Risiko, Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Das bereits in den USA und Europa zur Behandlung von Fettleibigkeit zugelassene Arzneimittel könnte helfen, die weltweit ansteigenden Raten von Fettleibigkeit und Diabetes zu reduzieren.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Alabama at Birmingham (UAB) wurde untersucht, wie sich die Behandlung mit dem Arzneimittel Semaglutid auf das Typ-2-Diabetes-Risiko auswirkt. Die Studienergebnisse werden auf der Jahrestagung der European Association for the Study of Diabetes (EASD) in Stockholm vorgestellt.
Adipositas erhöht Risiko für Typ-2-Diabetes
Laut den Forschenden ist bereits bekannt, dass Adipositas das Risiko für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes um mindestens das Sechsfache erhöht. Daher lag der Schluss nahe, dass bei einer medikamentösen Adipositas-Behandlung auch das Diabetes-Risiko sinken könnte.
Um dies zu überprüfen untersuchte das Team, ob das Adipositas-Arzneimittel Semaglutid in der Lage ist, das Typ-2-Diabetes-Risiko zu reduzieren. Das Medikament wurde von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) in den USA bereits als Mittel zur Behandlung von Fettleibigkeit zugelassen.
In Großbritannien erhielt es laut dem National Institute for Health and Care Excellence (NICE) eine vorläufige Zulassung und auch in Deutschland ist das Medikament bereits seit dem Jahr 2018 auf dem Markt.
Anhand der Analyse von zwei Studie, in denen Semaglutid verwendet wurde, sollte nun der Effekt auf das Diabetes-Risiko überprüft werden.
Aufbau der Semaglutid-Studien
In der ersten Studie, von den Fachleuten als STEP1 bezeichnet, erhielten die 1.961 Teilnehmenden mit Übergewicht oder Adipositas für einen Zeitraum von 68 Wochen wöchentlich eine Injektion von 2,4 mg Semaglutid. Zusätzlich gab es eine Kontrollgruppe, welche lediglich ein Placebo erhielt.
Die andere ausgertete Untersuchung (STEP4) umfasste insgesamt 803 Teilnehmende mit Übergewicht oder Fettleibigkeit. Diesen wurde 20 Wochen lang eine Injektion von 2,4 mg Semaglutid verabreicht. Nach diesem Zeitraum wurden die Teilnehmenden für 48 Wochen entweder weiter mit Semaglutid behandelt oder sie erhielten ein Placebo.
Die Forschenden berichten weiter, dass die Teilnehmenden in beiden Studien zusätzlich auch Ratschläge zu Ernährung und Bewegung erhielten.
Risiko für Typ-2-Diabetes berechnet
Es wurde sogenanntes Cardiometabolic Disease Staging (CMDS) verwendet, um das Risiko für die Entwicklung von Typ-2-Diabetes innerhalb der nächsten zehn Jahre vorherzusagen. Diese Technik hat sich laut den Forschenden in der Vergangenheit bereits als ein sehr genaues Maß zur Bewertung des Risikos für Typ-2-Diabetes erwiesen.
Cardiometabolic Disease Staging nutzt eine Formel zur Berechnung des Risikos für Typ-2-Diabetes, in die das Geschlecht, das Alter, die Rasse, der Body-Mass-Index (BMI) und der Blutdruck sowie die Blutzucker-, HDL-Cholesterin- und Triglyceridwerte der Teilnehmenden einfließen, erläutert Team.
61 Prozent geringeres Diabetes-Risiko
Die Ergebnisse der ersten ausgewerteten Studie (STEP1) zeigen laut den Forschenden, dass sich bei Teilnehmenden, welche Semaglutid erhielten, das Risiko innerhalb der nächsten zehn Jahre Typ-2-Diabetes zu entwickeln, um 61 Prozent reduziert (von 18,2 Prozent in Woche 0 auf 7,1 Prozent in Woche 68).
Dagegen habe die Einnahme eines Placebos lediglich eine Reduzierung des Typ-2-Diabetes-Risikos um 13 Prozent bewirkt. Dabei spiegele sich in den Risikowerten auch der Gewichtsverlust wider, der bei den Teilnehmenden auftrat.
So habe Semaglutid zu einem durchschnittlichen Gewichtsverlust von 17 Prozent und die Verabreichung eines Placebos zu einer Gewichtsreduktion von drei Prozent geführt.
Auch bei Teilnehmenden, die zu Studienbeginn bereits Prädiabetes zeigten, wurde das Risiko in ähnlichem Maße reduziert, berichtet das Team.
Reduzierung des Diabtes-Risikos innerhalb von 20 Wochen
In der zweiten ausgewerteten Studie (STEP4) konnten die Forschenden ebenfalls einen Rückgang der Diabetes-Risikowerte durch Semaglutid beobachten (von 20,6 Prozent in Woche 0 auf 11,4 Prozent in Woche 20).
Wurde nach der 20 Woche weiterhin Semaglutid verabreicht, reduzierte sich der Risikowert auf 7,7 Prozent, während bei einer Umstellung auf ein Placebo ein Anstieg des Risikos auf 15,4 Prozent festzustellen war, so die Forschenden.
Die Ergebnisse deuten laut den Fachleuten darauf hin, dass eine anhaltende Behandlung mit Semaglutid erforderlich ist, um eine Reduzierung des Risikos für Typ-2-Diabetes aufrechtzuerhalten.
Deutlich reduziertes Typ-2-Diabetes-Risiko
„Semaglutid reduziert das zukünftige Diabetesrisiko bei Patienten mit Fettleibigkeit um über 60 Prozent – diese Zahl ist ähnlich, unabhängig davon, ob ein Patient Prädiabetes oder normale Blutzuckerwerte hat“, erläutert Studienautor Dr. W. Timothy Garvey in einer Pressemitteilung.
Um den Nutzen des Medikamentes zum Schutz vor Typ-2-Diabetes aufrechtzuerhalten, ist es laut dem Mediziner allerdings nötig, die Behandlung mit Semaglutid fortzusetzen. Dennoch scheint „Semaglutid das bisher wirksamste Medikament zur Behandlung von Fettleibigkeit zu sein und hilft, die Lücke bei der Gewichtsabnahme nach bariatrischen Operationen zu schließen“, so Dr. Garvey.
Die Zulassung des Medikaments basiere auf den Ergebnissen klinischer Studien, welche gezeigt haben, dass es in Verbindung mit einem Programm für eine gesunde Lebensweise zu einer durchschnittlichen Gewichtsreduktion von über 15 Prozent führt.
„Diese Gewichtsabnahme reicht aus, um ein breites Spektrum von Adipositas-Komplikationen zu behandeln oder zu verhindern, die die Gesundheit und Lebensqualität beeinträchtigen, und stellt einen Wendepunkt in der Adipositas-Medizin dar“, resümiert Dr. Garvey. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- U.S. Food and Drug Administration: FDA Approves New Drug Treatment for Chronic Weight Management, First Since 2014 (veröffentlicht 04.06.2021), FDA
- National Institute for Health and Care Excellence: NICE recommends new drug for people living with obesity (veröffentlicht 08.02.2022), NICE
- Diabetologia: Study shows game-changing obesity drug more than halves risk of type 2 diabetes (veröffentlicht 11.09.2022), Diabetologia
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.